Zitate Rechtsprechung, 5. Auflage:
S. 12
Dem Zusammenhang zwischen ausgeschlossenen und nicht ausgeschlossenen Merkmalen wurde in der Sache T 236/91 nachgegangen. Im Anschluss an die Entscheidungen T 208/84 (ABl. 1987, 14), T 38/86 (ABl. 1990, 384) und T 26/86
(ABl. 1988, 19) bestätigte die Kammer, dass das EPÜ die Patentierung von Erfindungen, die aus einer Mischung ausgeschlossener und nicht ausgeschlossener Merkmale
bestünden, nicht verbiete und ein Patentierungsverbot auch nur insoweit bestehe, als sich die Patentanmeldung auf die ausgeschlossenen Gegenstände oder Tätigkeiten als
solche beziehe; somit ziele das EPÜ wohl darauf ab, eine Patentierung (nur) in den Fällen zuzulassen, in denen die Erfindung einen Beitrag zum Stand der Technik auf
einem vom Patentschutz nicht ausgeschlossenen Gebiet leiste.
S. 163
8. Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit
8.1.1 Technischer Charakter der Erfindung
In etlichen Entscheidungen, insbesondere der Technischen Beschwerdekammer 3.5.01, befassten sich die Beschwerdekammern mit der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in Fällen, in denen die Erfindung aus einer Mischung technischer und nichttechnischer Merkmale besteht. Es ist ein implizites Erfordernis des EPÜ, dass eine Erfindung technischen Charakter aufweisen muss, um eine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ zu sein. In der revidierten Fassung des EPÜ 2000 wurde der technische Charakter als explizites Erfordernis formuliert. Die rechtliche Definition von Art. 56 EPÜ ist im Zusammenhang mit den anderen Patentierbarkeitserfordernissen der Art. 52 bis 57 EPÜ
zu sehen, die als allgemeine Grundsätze enthalten, dass Erfindungen auf allen technischen Gebieten dem Patentschutz zugänglich sind und dass eine Erfindung im Sinne des EPÜ technischen Charakter aufweisen muss (T 931/95, ABl. 2001, 441;
T 935/97, T 1173/97, ABl. 1999, 609; T 641/00, ABl. 2003, 352; T 914/02).
Ausgehend von diesem Ansatz ist es zulässig, dass ein Anspruch eine Mischung aus technischen Merkmalen und "nichttechnischen" Merkmalen aufweist (d. h. Merkmalen,
die sich auf Nichterfindungen im Sinne von Art. 52 (2) EPÜ beziehen), selbst wenn die nichttechnischen Merkmale überwiegen (T 26/86, ABl. 1988, 19; T 769/92, ABl. 1995, 525; T 641/00, ABl. 2003, 352; T 531/03).
S. 164-165
8.1.2 Aufgabe-Lösungs-Ansatz
Das Vorliegen der erfinderischen Tätigkeit wird von den Beschwerdekammern anhand des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes geprüft, wonach eine Erfindung als technische Lösung einer technischen Aufgabe zu verstehen ist. Da sowohl die Lösung als auch die durch die Erfindung gelöste Aufgabe technischen Charakter haben müssen, kann der Aufgabe-Lösungs-Ansatz Fragen aufwerfen, wenn die Erfindung auch nichttechnische Aspekte oder Elemente beinhaltet. Solche Schwierigkeiten sind zu überwinden, indem entsprechende Sorgfalt auf die Definition des Gebiets der Technik, dem die Erfindung zuzuordnen ist, und der technischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die beim Fachmann
auf diesem konkreten Fachgebiet vorauszusetzen sind, sowie auf die korrekte Formulierung der tatsächlich gelösten technischen Aufgabe verwendet werden (T 1177/97). Grundlegend vertrat bereits in T 641/00 (ABl. 2003, 352) die Technische
Beschwerdekammer 3.5.01 die Auffassung, dass bei einer Erfindung, die aus einer Mischung technischer und nichttechnischer Merkmale besteht und als Ganzes technischen Charakter aufweist, in Bezug auf die Beurteilung des Erfordernisses der
erfinderischen Tätigkeit alle Merkmale zu berücksichtigen seien, die zu diesem technischen Charakter beitragen, wohingegen Merkmale, die keinen solchen Beitrag leisten, das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nicht stützen können. In der Sache
T 531/03 bestätigte die Beschwerdekammer 3.4.03 die in T 641/00 dargelegten Grundsätze und erklärte, bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit könnten Merkmale, die sich auf eine Nichterfindung im Sinne des Art. 52 (2) EPÜ bezögen (so
genannte "nichttechnische Merkmale"), nicht das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit stützen. In T 619/02 (ABl. 2007, ***) bestätigte die Kammer die Entscheidungen T 641/00 und T 172/03, dass die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nach dem
Aufgabe-Lösungs-Ansatz rein technischer Natur sei und dementsprechend das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nur auf der Grundlage der technischen Aspekte der Unterscheidungsmerkmale und der durch die beanspruchte Erfindung gegenüber dem Stand der Technik erzielten Wirkung festgestellt werden könne.