DE Einschränkung im Nichtigkeitsverfahren

Fip

*** KT-HERO ***
Ein im Nichtigkeitsverfahren angegriffener deutscher Teil eines EP-Patents soll durch Hinzunahme eines einschränkenden Merkmals verteidigt werden. Angenommen, dieses Merkmal war in den ursprünglich eingereichten Anmledungsunterlagen nur in einem Unteranspruch ursprungsoffenbart, der aber vor der Erteilung des Patents gestrichen wurde, ohne explizit einen materiellrechtlichen Verzicht erklärt zu haben. Ist eine Einschränkung des Patents mit diesem Merkmal im Nichtigkeitsverfahren zulässig?
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Es kommt darauf an, ob das Merkmal sowohl in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als auch im erteilten Patent als zur Erfindung zugehörig offenbart ist. Wenn das der Fall ist, dann dürfte die Streichung belanglos sein.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Es kommt darauf an, ob das Merkmal sowohl in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als auch im erteilten Patent als zur Erfindung zugehörig offenbart ist.
Und genau das ist bei Fip nicht der Fall. Ich würde also sagen, dass es schlecht aussieht. Das gilt übrigens auch für das Einspruchs- und Beschränkungsverfahren.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Jeder halbwegs geradeaus denkende Patentanwalt nimmt einen Unteranspruch vor der Streichung explizit in die Beschreibung auf. Woher willst Du also wissen, dass der gestrichene Unteranspruch nicht irgendwo in der Beschreibung des erteilten Patentes steht?
Mit deinem ersten Satz hast du sicher Recht. So wie Fips Frage formuliert ist, wette ich aber einfach mal dagegen, dass das hier passiert ist.
 

Fip

*** KT-HERO ***
So wie Fips Frage formuliert ist, wette ich aber einfach mal dagegen, dass das hier passiert ist.

So ist es. Wie ich in der Frage formuliert hatte, war das Merkmal "nur" in einem später gestrichenen Unteranspruch ursprungsoffenbart.

Passiert ist das Ganze, weil die ursprüngliche PCT Anmeldung nach US-amerikanischer Manier weit über 100 Ansprüche mit zig Zahlenangaben aufwies, die sich nur zu einem geringen Teil auch in der Beschreibung fanden. Natürlich musste die Anzahl der Ansprüche wegen der Gebühren stark reduziert werden und im Erteilungsverfahren (da hätte man das Merkmal ja jederzeit wieder "hochholen" können), war nirgends die Notwendigkeit zu sehen, dass man dieses Merkmal jemals brauchen könnte.

Wie dem auch sei: Ich habe versucht, die Frage anhand der Literatur zu beantworten. Darin finde ich allerdings nur immer den Hinweis, dass eine Einschränkung nicht zu einer Erweiterung des Schutzbereichs führen darf (so weit klar) und "ursprungsoffenbart" sein muss, wobei bei "ursprungsoffenbart" sich (wenn die Fundstelle dies denn überhaupt spezifiziert ) immer auf die ursprünglichen Anmeldeunterlagen bezieht. Literaturstellen, die etwas anderes aussagen, konnte ich nicht finden (was natürlich nicht heißt, dass es sie nicht gibt).

Eure Aussage, dass "es schlecht aussieht", kann ich zwar nachvollziehen, allein mir fehlt ein belastbarer Beleg. Nach den Literaturstellen kommt es auf die "Ursprungsoffenbarung" an, was dann ja eher für die Anmeldung spräche. Kennt jemand hierzu Rechtsprechung oder Literaturstellen, die für das deutsche Nichtigkeitsverfahren relevant sein könnte?
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
So wie Fips Frage formuliert ist, wette ich aber einfach mal dagegen, dass das hier passiert ist.
Mmpf! Ich geb mich zähneknirschend geschlagen.

@Fip: In meiner Amtsjahrszeit habe ich gelernt, dass die Zäsurwirkung aus §38 PatG hergeleitet wurde (bis zur Erteilung oder so ähnlich heißt es dort). Wir haben hier aber ein EP-Patent. Konkrete Literaturstellen habe ich leider nicht im Kopf.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Wie dem auch sei: Ich habe versucht, die Frage anhand der Literatur zu beantworten. Darin finde ich allerdings nur immer den Hinweis, dass eine Einschränkung nicht zu einer Erweiterung des Schutzbereichs führen darf (so weit klar) und "ursprungsoffenbart" sein muss, wobei bei "ursprungsoffenbart" sich (wenn die Fundstelle dies denn überhaupt spezifiziert ) immer auf die ursprünglichen Anmeldeunterlagen bezieht. Literaturstellen, die etwas anderes aussagen, konnte ich nicht finden (was natürlich nicht heißt, dass es sie nicht gibt).

Man lese:

Benkard, §64, Rn. 34
Busse, §64, Rn. 27 (hier auch explizit, dass dieselben Grundsätze Anwendung auf das Nichtigkeitsverfahren finden.

Für das EPÜ, falls es interessiert: Visser, Art. 101, 6 Abs. 2 (mit Verweis auf T684/02)

Quintessenz: Wenn man Ansprüche löscht, sind zusätzliche Beschreibungsseiten einzureichen. Kostet 15 Euro pro Seite. Wenn man sich die spart, hat man später halt ein Problem.
 

maroubra

*** KT-HERO ***
Siehe auch den aktuellen Schulte, Paragraph 81, Rn 117-118


Ich habe vor einiger Zeit das darin zitierte BGH-Urteil (BGH GRUR 04, 407 (VI2) Fahrzeugleitsystem) gelesen. Ich fand damals, dass der hier entscheidende Punkt darin nur sehr vage behandelt wird und eine eindeutige Anforderung, dass sich "ursprüngliche Offenbarung" nach der Patenterteilung auf die Schnittmenge von PS und Anmeldeunterlagen beziehen muss, so nicht entnehmbar ist.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Erst einmal danke für die Angabe der Literaturstellen. Allerdings finde ich diese leidere wenig überzeugend.

In BGH X ZR 206/98 - Fahrzeugleitsystem finde ich keine Aussage, die den Schluss zuließe, dass etwas, dass in der ursprünglichen Offenbarung enthalten war, nicht aber in der erteilten Fassung, nicht als Offenbarungsgrundlage dienen kann, wenn hierdurch eindeutig der Schutzbereich im Rahmen dessen, was der Fachmann als Erfindung ansieht, eingeschränkt wird.

Und die Aussage im Benkard (wobei ich den aktuellen Benkard nicht habe, sondern "nur" die 10. Auflage, aber mal davon ausgehe, dass beiden Auflagen sich auf dieselbe Entscheidung beziehen) beruht auf 11 W (pat) 172/73 (BPatGE 16, 144) von 1974 (!).

Darin heißt es im Leitsatz: "Im Patentbeschränkungsverfahren nach §36a PatG ist bei der Prüfung der Offenbarung des Gegenstandes des beschränkten Anspruchs, jedfalls sofern das zu beschränkende Patent vor dem 1. Oktober 1968 angemeldet wurde und § 26 Abs. 5 Satz 2 PatG n.F. außer Betracht bleibt, .... von der erteilten Fassung ... und nicht von den urpsrünglichen Anmeldungsunterlagen auszugehen."

Das ist also eine Entscheidung, die mehr als 40 Jahre alt ist (vor EPÜ-Zeit), auf einer inzwischen mehrfach überholten Rechtslage beruht und schon damals die Bedingung knüpft, dass § 26 (5) S.2 PatG n.F. (damals neue Fassung, heute nicht mehr existente Fassung, was auch immer drin stand ...) außer Betracht bleibt. Naja, da muss man wohl tiefer einsteigen, aber als heute noch verlässliche Kommentarmeinung würde ich das nicht ansehen.

Und Visser bezieht sich auf T681/02, die sich wiederum auf T1149/97 und T37/99 bezieht. Hierbei geht es allerdings schwerpunktmäßig um das Problem von Art 123(3) EPÜ und dass Merkmale nicht wieder "reinstated" werden können, wenn sie im Prüfungsverfahren zur Anpassung der Beschreibung an das im Prüfungsverfahren eingeschränkte Patentbegehren gestrichen oder als nicht zur Erfindung gehörig gekennzeichnet wurden und deren Wiedereinführung zu einer Verschiebung des Schutzbereichs oder einer, nennen wir es mal "Auslegungsverschiebung" führen würde. Mit anderen Worten: Würde man diese Merkmale zurück in die Beschreibung (oder den Anspruch) holen, käme man zu einem anderen Auslegungsergebnis im Rahmen von Art. 69 EPÜ. Also passt auch diese Literaturstelle nicht wirklich für die Wiedereinführung eines Merkmals, dass definitiv keine Auslegungsverschiebung bzw. Schutzbereichserweiterung zur Folge haben würde. Außerdem ist eh immer die Frage, was T-Entscheidungen für einen Einfluss im DE-Nichtigkeitsverfahren haben.

Naja, warten wir ab, was das Gericht dazu sagt.
 

maroubra

*** KT-HERO ***
Ich habe in dieser Frage auch mal das Argument vernommen, dass sich kein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit (insbesondere auch eines Nichtigkeitsklägers oder Einsprechenden) an der Verbindlichkeit der Patentschrift im Bezug auf mögliche Beschränkungen der Ansprüche konstruieren liesse, da die Allgemeinheit durch das Verbot der Erweiterung des Schutzbereichs schon ipso jure geschützt sei.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Ich finde diese Meinung auch nicht glücklich, und sehe auch nicht wirklich eine Grundlage in den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen, bei der unzulässigen Erweiterung die Offenbarung des erteilten Patents heranzuziehen. Aber es scheint jurisdiktionsübergreifend herrschende Lehre zu sein und wurde mir als solche beigebracht. Mich wundert selbst, wie dünn die Unterfütterung durch Rechtsprechung ist. Ich habe das damals geglaubt und nicht nachgeschlagen, weil es sich eh um ein Problem handelt, das man sich leicht sparen kann.

Vielleicht kann Fip die Rechtsprechung ja weiterentwickeln in diesem Punkt und sein Fall wird dann auch in den Kommentaren erwähnt werden. Ich wünsche viel Glück dazu!
 
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