Einfluss von Beschreibung auf Priorität

Fip

*** KT-HERO ***
Prioanmeldung: Beansprucht ist eine "Vorrichtung mit Hochtemperaturbeschichtung ... ". Die gesamte Anmeldung enthält nicht eine einzige Information, was genau eigentlich "Hochtemperaturen" seien könnten. Die Vorrichtung kommt in einem technischen Gebiet zum Einsatz, in dem dieser Begriff auch nicht nach fachmännischem Verständnis in einer bestimmten Weise "besetzt" ist.

Nachanmeldung: Die die Priorität beanspruchende Nachanmeldung enthält den wortidentischen Anspruch. Gleichwohl ist in die Beschreibung aufgenommen worden, dass Temperaturen von 150°C - 400°C gemeint sind, was natürlich auslegungsrelevant ist.

Ist die Prio wirskam beansprucht?
 

Fip

*** KT-HERO ***
Unter Hinweis auf einen parallelen Thread zum PACE Antrag bitte ich auch hier um "Erbarmen".

Habe gerade ein Rechtsbeständigkeitsgutachten zu schreiben, bei dem die Frage hoch relevant ist, und ich kriege das Problem nicht so richtig geknackt. Weiß jemand Rechtsprechung hierzu? Oder Kommentarstellen? Ich finde nichts wirklich Brauchbares.
 

Arvi

Schreiber
Ohne es geprüft zu haben und nur aus grober Erinnerung: Es könnste die "teilreflektierende Folie" passen, da war zumindest die Konstellation ähnlich.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Danke, Arvi, für diesen Hinweis. Die Entscheidung ist interessant und passt auch irgendwie gut auf meinen Fall, auch wenn sie am Ende nicht wirklich die Festlegung auf eine bestimmte Antwort zulässt. Ich musste beim Lesen der Entscheidung immer wieder mit dem Kopf schütteln, weil die Entscheidungsbegründung eher den Eindruck macht, als habe sich der BGH hier etwas etwas "zurechtbacken" wollen. Dem Kollegen, der die Nachanmeldung zu vertreten hatte und das Prioritätsproblem verbockt hatte, dürfte nach diesem Urteil ein Stein vom Herzen gefallen sein.

Einerseits schreibt der BGH in Rn. 29, wonach sich die Wirksamkeit des Prioritätsanspruchs bemisst und verweist auf Neuheitsprüfung, eindeutige und unmittelbare Offenbarung, etc. (man denke in diesem Zusammenhang auch an den Leitsatz von "Olanzapin" X ZR 89/07 oder an "Luftverteiler" oder "elektronische Funktionseinheit").

Andererseits sagt der BGH in derselben Entscheidung in Rn. 33, die prioritätsbegründenden Unterlagen offenbarten "mittelbar" (!) (nicht: unmittelbar) und ohne sich auf bestimmte Maßangaben festzulegen (!), nur durch den Begriff "Bühne" eine breite Bereichsangabe, die übliche Bühnengrößen umfasst. Aus den Zeichnungen ergebe sich dann unter Berücksichtigung der darin eingezeichneten Darstellung einer vortragenden Person und üblicher Bühenabmessungen, dass die Folie zumindest 3 m x 4 m sein müsse. UNmittelbarer können die 12m² wirlich und beileibe nicht offenbart sein. Nur am Rande: Bezugszeichen 38 ist der Zuschauer, Bezugszeichen 40 ist der Vortragende, und der Zuschauer 38 ist im Sitzen größer als Vortragende 40 im Stehen. Naja, es gibt ja kleine und große Menschen. Und wenn ich dann dann die Größe der Köpfe der Zuschauer und des Vortragenden in der zweiten Abbildung in Relation zu der Größe der Autoreifen setze ...

Hier wird also durch mittelbare (!) Offenbarung eines sehr breiten, vage angegebenen und nur aus einer eingehenden Interpretation der Zeichnungen und einem in einen Begriff hineinzuinterpretierenden allgemeinen Begriffsverständnis herleitbaren "Bereichs" im Prioritätsdokument eine in der Nachanmeldung ganz konkrete Maßangabe eindeutig und unmittelbar (!) offenbart. Ähm, nun ja ...

Seit G 2/98 reden alle von "eindeutiger und unmittelbarer" Offenbarung. Gibt es eigentlich Entscheidungen, die sich mal explizit damit auseinandersetzen, was genau eigentlich "eindeutig" und was genau eigentlich "unmittelbar" bedeutet?
 
Zuletzt bearbeitet:

maroubra

*** KT-HERO ***
Hallo Fip,


hinsichtlich der "teilreflektierenden Folie" noch eine Anmerkung von mir. Bei der Neuheitsprüfung (und damit indirekt auch bei Fragen bezüglich ursprünglicher Offenbarung) von Bereichen und Unterbereichen herrscht meines Wissens nach immer noch einige Unklarheit. So ist es gefestigte Rechtssprechung beim EPA, dass ein Unterbereich (also beispielsweise Wasser mit 20 bis 30% Alkohol) neu sein kann im Lichte eines Standes der Technik, der Wasser mit 10 bis 60% Alkohol beschreibt. Der BGH scheint diese Auffassung nicht in dieser Weise zu teilen, sondern scheint der Auffassung zu sein, dass eine Bereichtsangabe auch jeden Einzelwert in diesem Bereich offenbart, was bei einem Nichtigkeitsverfahren gegen ein EP-Patent durchaus relevant werden könnte.


Ich hätte mir in teilrefelktierender Folie eine klare Stellungnahme zu dieser Problematik gewünscht. Der BGH hätte die Entscheidung nämlich auch einfach damit begründen können, dass jeder Einzelwert sowieso durch den im gegenständlichen Patent angegebenen Bereich offenbart sei. Er hat sich aber auf diese etwas merkwürdige Begründung mit der Offenbarung durch die Figur gestützt. Wollte man vielleicht die Problematik mit den Bereichen nicht angehen? Ich bin mir sicher, dass der Senat sich der Problematik der Diskrepanz zwischen EPO-Rechtsprechung und deutscher Rechtsprechung bewusst ist.


Wie sehen die Kollegen das?
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Da diese 2 1/2 Jahre alte Diskussion bei "ähnlichen Themen" angezeigt wird, aber anscheinend die Frage der Offenbarung von "Bereichen" noch nicht recht ausdiskutiert ist, hier dazu ein paar Überlegungen.

Vorab: Für die beanspruchte "Hochtemperaturbeschichtung" verstehe ich als Temperatur diejenige Temperatur, bei der die Beschichtung angebracht wird.

M.E. kommt es entscheidend darauf an, welche Bedeutung der Fachmann der "hohen Temperatur" in den jeweiligen Anmeldungsunterlagen beimisst.

Fall A:
Der Fachmann entnimmt den Prioritätsunterlagen, dass ab einer bestimmten (in seinen Augen plausiblen) Temperatur das Beschichtungsverfahren funktioniert und oberhalb einer bestimmten Temperatur nicht mehr. Dazwischen hat die Temperatur nur eine untergeordnete Bedeutung und funktioniert im wesentlichen immer gleich gut.
In diesem Fall umfasst die Offenbarung, dass jede Temperatur in dem Temperaturbereich dazwischen in gleicher Weise funktioniert. Dann sind alle diese Teilbereiche "mitoffenbart" und die Auswahl eines Teilbereichs daraus in der Nachanmeldung verlässt diese Offenbarung nicht. Die Auswahl bedeutet nur eine Einschränkung des beantragten Schutzes.

Fall B:
Der Nachanmeldung liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass das Beschichten in Abhängigkeit von der Temperatur unterschiedlich gut funktioniert, und die offenbarte Auswahl (zwischen 150° und 400° ) bringt irgendwelche Vorteile gegenüber einer Beschichtung bei 100° oder 500°, die der Fachmann bei der Prioanmeldung auch noch als "Hochtmperaturbeschichtung" ansehen würde. In diesem Fall bedeutet die ergänzte Angabe ("zwischen 150° und 400° ") eine technische Information, die der Fachmann nutzen kann, die ihm aber die Prioanmeldung nicht gibt: Mit der bloßen Lehre der Prionameldung könnte er diese Vorteile nicht regelmäßig erzielen. In diesem Fall ist die Offenbarung der Prioanmeldung überschritten.

Es kommt also darauf an, ob der Fachmann mit der ergänzten Angabe irgendetwas vorteilhaftes anfangen kann. Teilbereiche sind also nicht "immer" mitoffenbart, sondern nur, wenn die Auswahl für den Fachmann nicht weiter nützlich ist, sondern nur den beantragten Schutz einschränkt.

Ich denke wenn man die Entscheidungen analysiert, wird man genau auf diesen Unterschied stoßen, unabhängig von EP-Rechtsprechung und deutscher Rechtsprechung. Die "teilreflektierenden Folie" gehört in diesem Sinne zu Fall A.
 
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