Eigentlich ganz trivial...

Horst

*** KT-HERO ***
Kann man wirksam die Priorität einer Teilanmeldung beanspruchen?

Anders formuliert: Kann eine Teilanmeldung "erste Anmeldung" sein?

Mit Blick auf die EQE interessiert mich in erster Linie die Ansicht des EPAs. Nach deutscher Rechtsprechung scheint es zu gehen.

Es gibt ja diese unsägliche "Verbrauch des Priorechts"-Entscheidung, in der nebenbei einer Teilanmeldung die Fähigkeit, ein Priorecht zu begründen, abgesprochen wird.

Diese Entscheidung wird ja nicht berücksichtigt - zumindest in Bezug auf den "Verbrauch des Priorechts". Bzgl. der Ansicht zur Priobegründung durch eine Teilanmeldung bin ich mir nicht so sicher.

Kennt jemand eine hiebfeste Zitierung, die eine definitive Antwort hierzu gibt?
 

grond

*** KT-HERO ***
Horst schrieb:
Kann man wirksam die Priorität einer Teilanmeldung beanspruchen?
Warum sollte man das wollen, wenn man auch die Prio der Stammanmeldung beanspruchen kann?

Was nicht geht, ist die Priorität von Gegenständen zu beanspruchen, die einer Teilanmeldung unzulässig hinzugefügt wurden. Diese Gegenstände kann man auch nicht herausteilen. Die einzige Möglichkeit ist, diese Gegenstände zu löschen, um die unzulässig erweiterte Teilanmeldung zulässig zu machen. Das liefert natürlich interessante Folgefragen: was passiert, wenn ein 54(3) Dokument eine derart erweiterte Teilanmeldung war und der unzulässig erweiterte Teil der neuheitsschädliche ist? Vielleicht sollte ich mir diese Doppel-G-Entscheidung zur Teilanmeldung doch nochmal im Original durchlesen... :/


Anders formuliert: Kann eine Teilanmeldung "erste Anmeldung" sein?
Außer, dass es nicht notwendig ist, weil man immer die Priorität der Stammanmeldung beanspruchen könnte, wüsste ich nichts, was dagegen spräche. Eine explizite Vorschrift, die dagegen spräche, fällt mir jedenfalls nicht ein.


Es gibt ja diese unsägliche "Verbrauch des Priorechts"-Entscheidung, in der nebenbei einer Teilanmeldung die Fähigkeit, ein Priorecht zu begründen, abgesprochen wird.
Partikulärentscheidung, die niemand mehr ernst nimmt...


Kennt jemand eine hiebfeste Zitierung, die eine definitive Antwort hierzu gibt?
Ich würde sagen, dass das EPÜ seine eigenen Prioritätsregeln formuliert und sich dabei allein auf eine ältere Anmeldung bezieht. Das sollte auch eine Teilanmeldung erfassen.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Grml, wir reden ja nicht von der Praxis, sondern von der EQE.

Immerhin begründet eine Teilanmeldung keinen eigenen Anmeldetag. Die Meinung, dass sie damit keine Hinterlegung im Sinne des Art. 87(3) EPÜ ist, lässt sich schon hören, gerade weil man keine Gegenstände hinzufügen kann.

Zweitens kann man argumentieren, dass sich "erste" nicht nur auf den Zeitrang, sondern auch auf den Tag der Einreichung bezieht.

Andererseits soll die Regelung der "ersten Anmeldung" ja nur Kettenprioritäten verhindern und die Priofrist für einen Gegenstand auf einen festen Zeitraum von 12 Monaten fixieren (abgesehen von der Ausnahme nach Art. 87(4)). Von daher finden sich auch Argumente für Prios aus Teilanmeldungen.

Die einzige Entscheidung, die sich damit beschäftigt, ist leider diese besagte unseriöse T 998/99. Die T15/01 beschäftigt sich leider nicht mit Prios aus Teilanmeldungen, von daher steht die T 988/99 in diesem speziellen Punkt noch unwidersprochen im Raum.

Wie gesagt, für eine zweite Literaturquelle wäre ich dankbar.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Ich würde annehmen, es steht hier drin:
Die Unionspriorität im Patentrecht«
Dr. Reinhard Wieczorek - Carl Heymanns Verlag - 1975

Leider liegt das Werk bei mir im Büro.

Im EQE-Forum wird aber Seite 111 zitiert:

"Wenn von zwei Erfindern unabhängig voneinander dieselbe Erfindung zum Patent angemeldet wird, entsteht für jeden von beiden ein eigenes Prioritätsrecht. Die erste Hinterlegung einer vorschriftsmäßigen Anmeldung, auf die Art. 4 PVÜ abstellt, ist demnach subjektiv beschränkt auf die Anmeldung eines bestimmten Anmelders und meint nicht die absolut erste Hinterlegung im Verbandsgebiet. Dies ergibt sich auch aus folgender Oberlegung: Die Prüfung, ob neben der Anmeldung eines bestimmten verbandsangehörigen Anmelders bereits Anmeldungen Dritter, die dieselbe Erfindung betreffen, im Unionsgebiet existieren, käme weitgehend einer Neuheitsrecherche gleich, die jedoch bei der Prüfung der Voraussetzungen, die zur Entstehung der Unionspriorität führen, gerade nicht erforderlich sein soll. Schließlich spricht für diese Ansicht die Fassung des Art. 4A Abs.1 PVÜ, der auf den Anmelder und nicht auf die Anmeldung abstellt. Von der Beschrankung der Prioritätsregelung auf die erste Anmeldung eines bestimmten Verbandsangehörigen gehen mehrere Entscheidungen aus verschiedenen Verbandsländern aus."

Ich denke, dass Konzept der PVÜ zielt gar klar auf die erste Hinterlegung ab, und das kann nur die Stammanmeldung sein.

Und das EPÜ darf bekanntlich nicht im Konflikt zur PVÜ stehen (J 15/80). Insoweit ist die T 998/99 m.E. nicht durch die T 15/01 überholt.
 

grond

*** KT-HERO ***
Lysios schrieb:
Im EQE-Forum wird aber Seite 111 zitiert:
Zusammengefasst: "erste Hinterlegung" nicht objektiv, sondern subjektiv bezogen auf den jeweiligen Anmelder ist gemeint.


Ich denke, dass Konzept der PVÜ zielt gar klar auf die erste Hinterlegung ab, und das kann nur die Stammanmeldung sein.
Das kann ich aus dem Zitat nicht ableiten, da dieses eine andere Frage behandelt.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Lieber Lysios, Deine Hilfe in Ehren, aber das Wort Teilanmeldung taucht in dem ganzen Werk nicht einmal auf. Die wesentlichen Grundzüge lassen sich aber erkennen.

Ich habe mal in "Die Unionspriorität" von Oliver Ruhl geblättert und das Kapitel über "die Voranmeldung" gelesen. Dort werden alle möglichen internationalen Arten von Folge-/Zusatzanmeldungen abgehandelt (Teilanmeldungen natürlich nicht explizit).

Es gibt jedoch eine allgemeine Stellungnahme zu dem Thema, die sich in etwa folgendermaßen zusammenfassen lässt.

Demnach sind alle jene Arten von Folgeanmeldungen nicht dazu in der Lage, ein Prioritätsrecht zu begründen, die nach dem entsprechenden Gesetz den offenbarten Gegenstand nicht erweitern dürfen.

Als Beispiel wird etwa die "reissue"-Anmeldung in den USA genannt, die per Gesetz den Gegenstand nicht erweitern darf, aber den Zeitrang der "Stammanmeldung" trägt (man denke m.E. auch die "continuation").

Meines Erachtens spricht das alles ziemlich gegen die Prio aus der Teilanmeldung.

Ich hatte mir noch nie Gedanken darüber gemacht (in der Praxis kommt es ja nie vor) und vor zwei Tagen die Prio aus einer Teilanmeldung wohl auch problemlos bejaht (gleicher Zeitrang => prima!). Mittlerweile bin ich aber der Überzeugung, dass es definitv nicht geht. Mit einer offiziellen EPA-Meinung im Rücken wäre mir trotzdem wohler...
 

grond

*** KT-HERO ***
Lysios schrieb:
Soll ich das etwa vollständig lesen? :)

M.E. gibt es vier Argumente für eine Prioinanspruchnahme aus Teilanmeldungen:

  • es hätte garantiert deshalb schon einmal ein Problem gegeben, mit dem sich die Rechtsprechung auseinandergesetzt hätte
  • man hätte uns in unserer Ausbildung garantiert eingeschärft, dass man keine Priorität aus einer Teilanmeldung beanspruchen darf
  • die Teilanmeldung wird auf das Prioritätsdatum "zurückfingiert" und wird damit ebenfalls zu einer vorschriftsmäßigen ersten Hinterlegung
  • wenn wegen Uneinheitlichkeit ein Teil aus der Prioanmeldung ausgeschieden werden muss, muss ich für diesen Teil eine Teilanmeldung einreichen. Wenn ich nun Prionachanmeldungen machen will, warum sollte ich mich nicht für die jeweilige Nachanmeldung auf die jeweilige Teilanmeldung beziehen (=Prio in Anspruch nehmen)?

 

Lysios

*** KT-HERO ***
Horst schrieb:
Lieber Lysios, Deine Hilfe in Ehren, aber das Wort Teilanmeldung taucht in dem ganzen Werk nicht einmal auf. Die wesentlichen Grundzüge lassen sich aber erkennen.
Es ist doch ganz klar immer von der ersten Hinterlegung die Rede. Wie soll eine Teilanmeldung eine erste Hinterlegung sein? Es muss doch erst einmal eine Stammanmeldung eingereicht werden, damit zu dieser eine Teilanmeldung eingereicht werden kann. Also kann die Teilanmeldung nicht die erste Hinterlegung sein. Wo ist da das das Problem? Verstehe ich hier etwas falsch?
 

Lysios

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
3. die Teilanmeldung wird auf das Prioritätsdatum "zurückfingiert" und wird damit ebenfalls zu einer vorschriftsmäßigen ersten Hinterlegung
Es doch nur eine erste Hinterlegung geben? Das gebietet doch schon die einfach Logik.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Was ich meinte: Es kann nur eine erste Hinterlegung geben. Es gibt ja gerade nur eine Ausnahmeregelung, die eine Fiktion derart schafft, das auch eine jüngere Anmeldung (und das ist eine Teilanmeldung nun einmal zu einer ersten Anmeldung werden kann.

Das nennt sich Zerstörung der Priorität und ist auch in der Arbeit sehr schön beschrieben.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
4. wenn wegen Uneinheitlichkeit ein Teil aus der Prioanmeldung ausgeschieden werden muss, muss ich für diesen Teil eine Teilanmeldung einreichen. Wenn ich nun Prionachanmeldungen machen will, warum sollte ich mich nicht für die jeweilige Nachanmeldung auf die jeweilige Teilanmeldung beziehen (=Prio in Anspruch nehmen)?
Gründe:

  • Die Teilanmeldung genießt die Priorität der Stammanmeldung (Art. 76 (1) EPÜ, Art. 4G(2) PVÜ). Damit wird der Anmeldetag auf den Anmeldetag der Stammanmeldung für die Zwecke der Feststellung des Standes der Technik fingiert (Art. 89).
  • Die Teilanmeldung ist eine jüngere Anmeldung (der Anmeldetag wird schließlich nicht generell auf den Anmeldetag der Stammanmeldung fingiert), für die nur die obige Fiktion zur Anwendung kommt. Damit ist sie aber nicht die erste Anmeldung, denn aufgrund der Inanspruchnahme der Priorität der Stammanmeldung kann deren Priorität nicht mehr zerstört werden (Art. 87(4) EPÜ, Art. 4C(4) PVÜ).
  • Die T 15/01 hat sich nicht gegen die Schlußfolgerung der T 998/99 in Bezug auf Teilanmeldungen ausgesprochen, sondern nur den Verbrauch des Prioritätsrechts verworfen. Dies wurde u.A. gerade damit begründet, dass andernfalls eine Teilanmeldung nicht mehr die Priorität der Stammanmeldung beanspruchen könnte.

 

grond

*** KT-HERO ***
Lysios schrieb:
1. Die Teilanmeldung genießt die Priorität der Stammanmeldung (Art. 76 (1) EPÜ, [...] Damit ist sie aber nicht die erste Anmeldung, denn aufgrund der Inanspruchnahme der Priorität der Stammanmeldung
Ich verstehe 76(1) EPÜ so, dass die Teilanmeldung den Zeitrang der Stammanmeldung (ggf. einschließlich einer von der Stammanmeldung beanspruchten Prioriät) genießt, nicht die durch die Stammanmeldung begründete PVÜ-Priorität in Anspruch nimmt. Das wäre auch merkwürdig, kann man doch Teilanmeldungen noch lange nach der Prioritätsfrist der PVÜ einreichen.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
Ich verstehe 76(1) EPÜ so, dass die Teilanmeldung den Zeitrang der Stammanmeldung (ggf. einschließlich einer von der Stammanmeldung beanspruchten Prioriät) genießt, nicht die durch die Stammanmeldung begründete PVÜ-Priorität in Anspruch nimmt.
Richtig, das war blöd von mir formuliert. Ist mir hinterher auch klar geworden. Es muss natürlich heißen, dass die Teilanmeldung das PrioritätsRECHT in Anspruch nimmt. Man darf hier nicht zu lasch mit den Begriffen umgehen. Der Anmeldetag wird dann über Art. 89 auf den Prioritätstag der Stammanmeldung fingiert, wenn die Stammanmeldung ein Prioritätsrecht hat.

Aus Art. 76(1) wird letztlich auch der Anmeldetag der Teilanmeldung auf den der Stammanmeldung fingiert. Damit hat die Teilanmeldung für die Zweckes des EPÜ, wo explizit der Anmeldetag erwähnt ist, den gleichen Zeitrang der Stammanmeldung, weil der Tag nur einmal die kleinste diesbezügliche Einheit ist.

Es ist damit aber nicht aus dem EPÜ ableitbar, dass die Aussage "Die Teilanmeldung ist eine jüngere Anmeldung als die Stammanmeldung" generell durch etwas anderes ersetzt würde. Sie wird nur in Bezug auf Aussagen über den Anmeldetag durch die betreffenden Regelungen des EPÜ ersetzt.

Damit kann aber die Ausnahmeregelung von Art. 87(4) nicht greifen. Die durch die Stammanmeldung ggf. begründete Priorität kann damit nicht zerstört werden, da die Stammanmeldung bei Einreichung der Teilanmeldung noch anhängig ist.
 

grond

*** KT-HERO ***
Lysios schrieb:
Es ist damit aber nicht aus dem EPÜ ableitbar, dass die Aussage "Die Teilanmeldung ist eine jüngere Anmeldung als die Stammanmeldung" generell durch etwas anderes ersetzt würde. Sie wird nur in Bezug auf Aussagen über den Anmeldetag durch die betreffenden Regelungen des EPÜ ersetzt.

Damit kann aber die Ausnahmeregelung von Art. 87(4) nicht greifen. Die durch die Stammanmeldung ggf. begründete Priorität kann damit nicht zerstört werden, da die Stammanmeldung bei Einreichung der Teilanmeldung noch anhängig ist.
Wir sind uns vermutlich einig, dass es für beide Standpunkte gute Argumente gibt. Ich will mich jedenfalls nicht auf eine Sicht versteifen, da ich die Antwort schlicht nicht kenne. Für den Zweck dieser Diskussion werde ich aber einfach weiterhin die pro-Position vertreten:

Die EPO als Rechtsperson ist nicht Mitglied der PVÜ, weshalb die Prioritätsreglung im EPÜ selbständig ist. Da alle Vertragsstaaten des EPÜ PVÜ-Staaten sind, darf die Prioritätsreglung des EPÜ jedoch nicht gegen die PVÜ verstoßen. Wenn das EPÜ jedoch weitergehende Möglichkeiten einer Prioritätsbeanspruch erlaubt als die PVÜ, ist das kein Verstoß gegen die PVÜ. Folglich kann die PVÜ m.E. hier nicht als Argument gegen eine solche Prioritätsbeanspruchung angeführt werden. M.E. kann man auch nicht die Ausnahmenatur von Art. 87(4) EPÜ anführen, welche dieselbe Ausnahmereglung der PVÜ aufnimmt und auf dem Gedanken beruht, dass Kettenprioritäten verhindert werden sollen. Die Inanspruchnahme der Priorität einer Teilanmeldung ist jedoch keine Kettenpriorität, weil sie immer noch nur innerhalb eines Jahres seit dem Anmeldetag der Stammanmeldung, der ja auch zum Anmeldetag der Teilanmeldung wird, möglich ist und sich aufgrund der kürzlich ergangenen Stellungnahme der GBK zu Teilanmeldungen ohnehin nur auf den in der Stammanmeldung ursprünglich offenbarten Teil beziehen könnte. Daher widerspricht die der PVÜ zugrundeliegende Motivation keinesfalls der Idee der Prioinanspruchnahme einer Teilungsanmeldung. Da Art. 87 bis 89 immer nur von "Anmeldung" sprechen, müsste es m.E. daher schon eine explizite Ausnahme der Teilanmeldungen geben, um das Recht der Prioritätsinanspruchnahme zu verneinen.

Na, wie war das? :)

Jedenfalls müsste das eine sehr interessante Verhandlung und Entscheidung werden, wenn einmal eine Anmeldung, die die Priorität einer Teilanmeldung in Anspruch nimmt, 54(3)-Dokument ist...

Ich werde heute auf jeden Fall nochmal diese G-Stellungnahme lesen, denn immerhin wird darin meiner Erinnerung nach erklärt, dass unzulässig in eine Teilanmeldung eingebrachte Offenbarung weder im Rahmen der Teilanmeldung noch durch Prioinanspruchnahme einer weiteren Anmeldung "gerettet" werden kann. Also wird die Frage der Prioinanspruchnahme möglicherweise am Rande erörtert (offenbar negativ).
 

Horst

*** KT-HERO ***
[...]wird darin meiner Erinnerung nach erklärt, dass unzulässig in eine Teilanmeldung eingebrachte Offenbarung weder im Rahmen der Teilanmeldung noch durch Prioinanspruchnahme einer weiteren Anmeldung "gerettet" werden kann.
Nur am Rande: Soweit ich es verstanden habe, begründet dieser unzulässig erweiterte Offenbarungsteil kein Priorecht, da er nicht "vorschriftsmäßig" hinterlegt wurde. Man hat ihn also völlig ohne Nutzen offenbart.

Auch ein nettes Klausurbeispiel, viel mir gerade ein.


Vom EPA scheint es tatsächlich keine jüngere Rechtsprechung zu unserem "Hauptthema" zu geben, wir werden es nicht definitv lösen können.

Ich habe auch mal im Manual geblättert. Einige Staaten haben die Teilanmeldung zumindest unter dem Thema "innere Priorität" behandelt. Die Ergebnisse streuen, bspw. DE ja, JP nein.

Bzgl. der äußeren Prio taucht öfter mal die Bemerkung auf, das allein die "zeitlich erste" Anmeldung ein Priorecht begründet. Aus dem Kontext lässt daraus dann eher weniger auf den Zeitrang einer Anmeldung als auf den tatsächlichen Tag der Einreichung schließen, was dann gegen die Teilanmeldung spricht.

Allerdings ist das alles leider keine Präjudiz für eine EPA-Meinung.
 

grond

*** KT-HERO ***
Horst schrieb:
Nur am Rande: Soweit ich es verstanden habe, begründet dieser unzulässig erweiterte Offenbarungsteil kein Priorecht, da er nicht "vorschriftsmäßig" hinterlegt wurde. Man hat ihn also völlig ohne Nutzen offenbart.

Auch ein nettes Klausurbeispiel, viel mir gerade ein.
Ich habe jetzt die Entscheidung noch einmal komplett durch. Die Frage nach der Priorität wird nicht direkt erörtert, allerdings wird festgestellt, dass den hinzugefügten Teilen kein Anmeldetag zuerkannt werden kann, weil die Teilanmeldung nur den Anmeldetag der Stammanmeldung zuerkannt bekommen kann. Damit ist die Frage nach der Prioinanspruchnahme für den hinzugefügten Teil geklärt: kein Anmeldetag, keine Priorität.

Und tatsächlich wäre ein Klausurfall folgender Art doch nett:

EP1 Stammanmeldung Merkmal A offenbart
EP2 Teilanmeldung von EP1, Offenbarung A, A+B
SdT offenbart A+B
EP3 Streitpatent mit Ansprüchen A, A+B unter Inanspruchnahme der Priorität von EP2

Der SdT müsste A+B wegschießen, weil dieser Teil keine Priorität genießen kann, nicht jedoch A, es sei denn, wir entscheiden uns dafür, dass die Prioritätsinanspruchnahme aus einer Teilanmeldungen grundsätzlich nicht möglich sein soll. Eine Fragenstellung in der EQE könnte diese argumentative Ungewissheit umschiffen, indem sie EP3 einfach die Prioritäten von EP1 und EP2 beanspruchen ließe.

Weitere interessante Abwandlung: EP3 ist Streitpatent und EP2 ist nachveröffentlichter Stand der Technik unter 54(3). Die Frage, ob ein einer Teilanmeldung hinzugefügter Offenbarungsgehalt unter 54(3) berücksichtigt werden soll, ist laut G6/01 und einer der ursächlichen Vorlageentscheidungen bei den Konferenzen zur Schaffung des EPÜ diskutiert worden, leider steht in den Entscheidungen jedoch nicht wirklich, mit welchem Ergebnis. Da aber dem hinzugefügten Teil kein Anmeldetag zuerkannt werden kann und Bedingung für die Wirkung von 54(3)-Dokumenten ist, dass sie am Veröffentlichungstag anhängig waren, kann ich mir eigentlich nur eine negative Antwort vorstellen.


Vom EPA scheint es tatsächlich keine jüngere Rechtsprechung zu unserem "Hauptthema" zu geben, wir werden es nicht definitv lösen können.
Es sei jedoch angemerkt, dass in der G6/01 an vielen Orten betont wird, dass Ausnahmereglungen für Teilanmeldungen im EPÜ explizit behandelt sein müssten. Allerdings wird das während der Diskussion der Frage der Änderung von Teilanmeldungen nach deren Einreichung, um Übereinstimmung mit Art. 76(1) herbeizuführen, diskutiert, so dass man sich tatsächlich nicht sicher sein kann, ob sich diese Feststellung auch auf Prioritäten bezieht.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Weitere interessante Abwandlung: EP3 ist Streitpatent und EP2 ist nachveröffentlichter Stand der Technik unter 54(3).
Das sehe ich im Ergebnis genauso. Selbst wenn die Erweiterung nachträglich korrigiert werden würde (was ja nach G1/05 und G3/06 geht) und eine Veröffentlichung mit den Erweiterungen erfolgen würde (was evtl. passieren kann, wenn es keiner bemerkt), ist kein Anmeldetag für die Erweiterung begründet und damit ein Erfordernis des Art.54(3) nicht erfüllt (Anmeldetag vor Zeitrang des Streitpatents).
 
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