DE BGH (Xa ZB 20/08) vom 22. April 2010 'dynamische Dokumentengenerierung'

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Zitat von Prof. Dr. Thomas Hoeren, Uni Münster:

Nun ist es auch in Deutschland soweit. Mit Beschluss des Bundesgerichtshofs (Xa ZB 20/08) vom 22. April 2010 ist das Tor pro Softwarepatent weit auf.

Die Patentanmeldung für eine "dynamische Dokumentengenerierung" bezieht sich auf die Funktionsweise eines Verfahrens, mit dem auf einem Client-Server-System strukturierte Dokumente dynamisch generiert werden können. Das Patentamt stufte das zum Patent angemeldete Verfahren als nicht technisch ein. Auch das BPatG konnte in den Patentansprüchen keine Lösung "eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln" erkennen. Siemens zog vor den BGH. Nach Auffassung des BGH ist nun de facto jedes Verfahren, das sich als Computerprogramm implementieren lässt, technisch und damit patentierbar:

"Ein Verfahren, das das unmittelbare Zusammenwirken der Elemente eines Datenverarbeitungssystems [...] betrifft, ist stets technischer Natur".

Weiter: "Es reicht [...] aus, wenn der Ablauf eines
Datenverarbeitungsprogramms, das zur Lösung des Problems eingesetzt wird, durch technische Gegebenheiten außerhalb der
Datenverarbeitungsanlage bestimmt wird oder wenn die Lösung gerade darin besteht, ein Datenverarbeitungsprogramm so auszugestalten, dass es auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage Rücksicht nimmt."

Damit ist nahezu jede Softwarelösung patentierbar; die Technizität hat ihre Bedeutung als Ausschlußkriterium verloren.


Seht ihr das auch so oder handelt es sich lediglich um eine weitere Anpassung des Technizitätskriteriums an unsere inzwischen Internetgewöhnte Welt... wenn ich es richtig sehe, sind Programme, die ÜBLICHE Wechselwirkungen zwischen Hardwarekomponenten betreffen, auch weiterhin nicht technisch, oder ? Somit ist das ganze doch keine große Überraschung oder gar Revolution, wie es in der open-source-Gemeinde gerade diskutiert wird...

Grüße

Ah-No Nym
 

ppa

GOLD - Mitglied
Ah-No Nym schrieb:
Zitat von Prof. Dr. Thomas Hoeren, Uni Münster:

Nun ist es auch in Deutschland soweit. Mit Beschluss des Bundesgerichtshofs (Xa ZB 20/08) vom 22. April 2010 ist das Tor pro Softwarepatent weit auf.

Die Patentanmeldung für eine "dynamische Dokumentengenerierung" bezieht sich auf die Funktionsweise eines Verfahrens, mit dem auf einem Client-Server-System strukturierte Dokumente dynamisch generiert werden können. Das Patentamt stufte das zum Patent angemeldete Verfahren als nicht technisch ein. Auch das BPatG konnte in den Patentansprüchen keine Lösung "eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln" erkennen. Siemens zog vor den BGH. Nach Auffassung des BGH ist nun de facto jedes Verfahren, das sich als Computerprogramm implementieren lässt, technisch und damit patentierbar:

"Ein Verfahren, das das unmittelbare Zusammenwirken der Elemente eines Datenverarbeitungssystems [...] betrifft, ist stets technischer Natur".

Weiter: "Es reicht [...] aus, wenn der Ablauf eines
Datenverarbeitungsprogramms, das zur Lösung des Problems eingesetzt wird, durch technische Gegebenheiten außerhalb der
Datenverarbeitungsanlage bestimmt wird oder wenn die Lösung gerade darin besteht, ein Datenverarbeitungsprogramm so auszugestalten, dass es auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage Rücksicht nimmt."

Damit ist nahezu jede Softwarelösung patentierbar; die Technizität hat ihre Bedeutung als Ausschlußkriterium verloren.


Seht ihr das auch so oder handelt es sich lediglich um eine weitere Anpassung des Technizitätskriteriums an unsere inzwischen Internetgewöhnte Welt... wenn ich es richtig sehe, sind Programme, die ÜBLICHE Wechselwirkungen zwischen Hardwarekomponenten betreffen, auch weiterhin nicht technisch, oder ? Somit ist das ganze doch keine große Überraschung oder gar Revolution, wie es in der open-source-Gemeinde gerade diskutiert wird...

Grüße

Ah-No Nym
hallo Ah-no nym

sehe ich im prinzip so wie du

die zweite Alternative
"wenn die Lösung gerade darin besteht, ein Datenverarbeitungsprogramm so auszugestalten, dass es auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage Rücksicht nimmt"
entspricht letztlich der Seitenpuffer-Entscheidung, geht aber vielleicht noch eini bisschen weiter, "rücksiicht nehmen auf" ist sehr allgemein

die erste Alternative "bestimmt durch technische Gegebenheiten außerhalb der Datenverarbeitungsanlage " ist die Einbindung als steuereinrichtung oder so, damit wird es letztlich auch technisch.
 

grond

*** KT-HERO ***
Das dürfte ziemlich genau der Situation vor dem EPA entsprechen, auch dort ist ja bezüglich der "Softwarepatente" die Technizität bedeutungslos ("alles, was einen Computer enthält, ist auch technisch"), stattdessen geht alles über die erfinderische Tätigkeit.

Insgesamt finde ich das nachvollziehbar, habe aber doch immer ein schlechtes Gefühl wegen des offenbar inhaltslosen Ausschlusses der Computerprogramme "als solche". Irgendwie scheint niemand mehr schlüssig erklären zu können, was denn Computerprogramme als solche noch sein sollen, wenn es praktisch keine besonderen Patentierungshindernisse mehr bei "Softwarepatenten" gibt.
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Ah-No Nym schrieb:
"Ein Verfahren, das das unmittelbare Zusammenwirken der Elemente eines Datenverarbeitungssystems [...] betrifft, ist stets technischer Natur".

Weiter: "Es reicht [...] aus, wenn der Ablauf eines
Datenverarbeitungsprogramms, das zur Lösung des Problems eingesetzt wird, durch technische Gegebenheiten außerhalb der
Datenverarbeitungsanlage bestimmt wird oder wenn die Lösung gerade darin besteht, ein Datenverarbeitungsprogramm so auszugestalten, dass es auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage Rücksicht nimmt."

Damit ist nahezu jede Softwarelösung patentierbar; die Technizität hat ihre Bedeutung als Ausschlußkriterium verloren.[/i]
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Ah-No Nym schrieb:
"Ein Verfahren, das das unmittelbare Zusammenwirken der Elemente eines Datenverarbeitungssystems [...] betrifft, ist stets technischer Natur".

Weiter: "Es reicht [...] aus, wenn der Ablauf eines
Datenverarbeitungsprogramms, das zur Lösung des Problems eingesetzt wird, durch technische Gegebenheiten außerhalb der
Datenverarbeitungsanlage bestimmt wird oder wenn die Lösung gerade darin besteht, ein Datenverarbeitungsprogramm so auszugestalten, dass es auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage Rücksicht nimmt."

Damit ist nahezu jede Softwarelösung patentierbar; die Technizität hat ihre Bedeutung als Ausschlußkriterium verloren.[/i]
Ich wage anzunehmen, dass sich das nicht ganz so interpretieren lässt.

Ich denke der BGH stellt wie das EPA auf den technischen Effekt ab, der mit der Erfindung erreicht wird.

Das scheint der Unterschied zu sein, den der BGH zwischen einer reinen Anwendungssoftware wie Word und einer Systemsoftware wie der vorliegenden dynamischen Dokumentengenerierung macht.
 

Monk

Vielschreiber
Die email ist bei uns in der Kanzlei auch im Posteingang gelandet. Der Autor hat da m.E. sehr drastisch und auch etwas übereilt geurteilt. Ich kann nur jedem empfehlen den kompletten Beschluss zu lesen, dann erschließt sich das ganze etwas einfacher. Im Prinzip wurde da zu garnichts Tor und Tür geöffnet, der BGH hat lediglich die zugegebenermaßen sehr verschwommene Grenze zwischen den Patentfähigen Computerimplementierten Erfindungen und den nicht Patentfähigen Computerprogrammen etwa geschärft. Was nichts daran ändert, dass die Grenze m.E. immer noch sehr verschwommen ist, was aber wohl in der Natur dieser Abgrenzung liegt.
 

PAmuc

Vielschreiber
grond schrieb:
Insgesamt finde ich das nachvollziehbar, habe aber doch immer ein schlechtes Gefühl wegen des offenbar inhaltslosen Ausschlusses der Computerprogramme "als solche". Irgendwie scheint niemand mehr schlüssig erklären zu können, was denn Computerprogramme als solche noch sein sollen, wenn es praktisch keine besonderen Patentierungshindernisse mehr bei "Softwarepatenten" gibt.
Hm...das ist auch ein Problem, das auch regelmäßig bei Softwarepatentierungsgegnern zur Sprache kommt. Die haben sich übrigens auch erdreistet, dem Spruchkörper in dieser Rechtsbeschwerde eine Rechtsbeugung zu unterstellen. Unerhört.

Zurück zu Sache: Ich konstruiere mal folgenden Anspruch:

1. Computerdruchführbare Anweisung mit einem ersten Befehl und mit einem auf den ersten Befehl verweisenden Sprungbefehl, wobei bei Abarbeiten des Sprungbefehls eine Bedingung überprüft wird und wobei bei Vorliegen der Bedinung der erste Befehl ausgeführt und wobei bei Nichtvorliegen der Bedingung ein dritter in einem Befehlszähler konsekutiver Befehl ausgeführt wird.

Ich glaube, dass anhand dieses Anspruchs eine (seltene) Einigkeit zwischen Softwarepatentierungsgegner und Patentfachleuten bestünde, nämlich dass dieser Anspruch dem Ausschlussgrund nach §§ 1 (3) Nr. 3 Alt. 6 PatG sowie 1 (3) Nr. 4 genügen würde.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
PAmuc schrieb:
Zurück zu Sache: Ich konstruiere mal folgenden Anspruch:

1. Computerdruchführbare Anweisung mit einem ersten Befehl und mit einem auf den ersten Befehl verweisenden Sprungbefehl, wobei bei Abarbeiten des Sprungbefehls eine Bedingung überprüft wird und wobei bei Vorliegen der Bedinung der erste Befehl ausgeführt und wobei bei Nichtvorliegen der Bedingung ein dritter in einem Befehlszähler konsekutiver Befehl ausgeführt wird.
Da sieht man aber, wie sehr es hier auf die Formulierung des Anspruchs ankommt. Wenn man nämlich die Anweisung durch Verfahren ersetzt, wird es nämlich wieder technisch. Dann wird nämlich im Prinzip ein Prozessor beansprucht, der genau eine solche Programmierung ermöglicht. Und genau das ist ja der Hintergrund: Jeder Informatikstudent lernt schon im ersten Studienjahr, dass jedes Computerprogramm durch einen endlichen Automaten, also eine technische Vorrichtung ersetzt werden kann. Deshalb ist ein Patentierungsausschluss von Software mit der Technizität nicht zu begründen.
 

grond

*** KT-HERO ***
Lysios schrieb:
Da sieht man aber, wie sehr es hier auf die Formulierung des Anspruchs ankommt. Wenn man nämlich die Anweisung durch Verfahren ersetzt, wird es nämlich wieder technisch. [...] Deshalb ist ein Patentierungsausschluss von Software mit der Technizität nicht zu begründen.
Mein obengenanntes und zitiertes schlechtes Gefühl hinsichtlich des offenbar inhaltsleeren Ausschlusses von "Computerprogrammen als solche" wird übrigens noch verstärkt durch die anderen Ausschlüsse in Art. 52(2) EPÜ, für die dieselbe Einschränkung in Absatz 3 gegeben ist:

"2) Als Erfindungen im Sinne des Absatzes 1 werden insbesondere nicht angesehen:

a) Entdeckungen, wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden;

b) ästhetische Formschöpfungen;

c) Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen;

d) die Wiedergabe von Informationen."

Es müsste dann eine Wiedergabe von Informationen oder ästhetische Formschöpfungen etc. geben, welche nicht "als solche" ausgeschlossen wäre, genau wie es Programme für Datenverarbeitungsanlagen gibt, die (offenbar sehr überwiegend) nicht "als solche" ausgeschlossen sind.
 
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