EPÜ Auslegung eines Zusammensetzungsanspruchs

Langof

BRONZE - Mitglied
Wie ist Folgendes auszulegen:

1.Composition comprising one or more fatty alcohols in an amount 20-30%

Bezieht sich die Beschränkung auf die Gesamtmenge, oder deckt das Streitpatent auch eine Mischung enthaltend 25% C14 Fettalkohol + 10% C12 Fettalkohol.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Das scheint mir ein typisches Beispiel für einen unklaren Anspruch zu sein, weil der Wortlaut m.E. auf beide Arten ausgelegt werden kann. Es bleibt wohl nichts anderes übrig, als in der Beschreibung die Ausführungsbeispiele anzuschauen, in der Hoffnung, dass diese nur mit einer der beiden Auslegungen kompatibel sind.
 

Langof

BRONZE - Mitglied
Nein, es geht nicht um "beinhalten/umfassen"

Es geht eigentlich um die Beschränkung

1.Composition comprising one or more fatty alcohols in an amount 20-30%
2.Composition according to claim 1 wherein fatty alcohols is cetylalcohol (C16)

man kombiniert beide Anspr.

1.Composition comprising one or more fatty alcohols in an amount 20-30%, wherein fatty alcohols is cetylalcohol (C16)

und der Prüfer will die Zusatzbeschränkung

wherein the total amount of fatty alcohols is 20-30%


"total amount" gibt es in der Anmeldung nicht.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Das Problem liegt in der Formulierung "one or more". Da muss man sich entscheiden, ob die Prozentangabe sich auf die die Summe aller Anteile Alkohole ("total") bezieht, auf jeden einzelnen ("each") oder nur auf einen (ausgewählten); letzteres als Ausführungsart der Alternative "one", wobei es egal sein soll, wieviel von den anderen Alkoholen dabei ist. Der Prüfer scheint die Auslegung "total" vorzuziehen, und wenn der nachvollziehbar begründen kann, dass die Offenbarung das hergibt, dann würde ich dem folgen und explizit das Wort "total" einfügen.

Ist die Offenbarung aber nicht hinlänglich sicher, so dass also keine der Auslegungsalternativen von der Offenbarung klar gedeckt ist, dann würde ich - soweit irgend möglich - eine neue Anmeldung mit klarer Offenbarung vorziehen. Denn es scheint mir dann schwer zu sein, mit dieser Anmeldung glücklich zu werden.
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

Masse-%? Volumen-%? Mol-%?

Und was sind die 20-30%? Verletzt meine Zusammensetzung mit einem oder mehreren Fettalkoholen in einer Menge von 20-30% Chloroform den Anspruch?
 

Aktenwaelzer

SILBER - Mitglied
Ich denke, was der Prüfer im Kopf hat, ist eher ein Problem unter 123(3), analog zu T2017/07. Da geht es drum, ob durch eine Änderung, die auf den ersten Blick wie eine Einschränkung aussieht, nicht der Schutzbereich des Anspruchs erweitert wird.

Im Prüfungsverfahren unter 123(2) geht es aber nicht so sehr um eine Erweiterung des Schutzbereichs, sondern darum, ob der Inhalt des Anspruchs, d.h. die beanspruchten Zusammensetzungen, ursprünglich offenbart war. Das ist vielleicht nicht ganz dasselbe. Auch wenn der Wortlaut von 123(2) beide Lesarten zulassen würde, hat sich die Rechtsprechung in diese Richtung entwickelt ("gold standard" etc.). Könnte man mal drüber nachdenken, und dem Prüfer als Stoff zum Nachdenken auf den Tisch legen...
 

Langof

BRONZE - Mitglied
20-30 Prozente sind Gewicht-% :)), das ist kein Problem

Es ist tatsächlich so, dass der Prüfer T2017/07 und T1360/11 anwenden wollte, da er eine Beschränkung der Gesamtmenge vorschlägt.

Wir sehen eine spätere Anmeldung des Wettbewerbers, die genau eine Mischung von 25% C16-Fettalkohols + 10% C14Fettalkohols beansprucht und natürlich wollen wir es abdecken.
 

Aktenwaelzer

SILBER - Mitglied
Naja, wenn jetzt eine spätere Ausführungsform des Wettbewerbers abgedeckt werden soll, die von den ursprünglichen Ansprüchen nicht abgedeckt war, könnte man schon auf die Idee kommen, dass der Prüfer nicht ganz Unrecht hat, da das dem hinter Art. 123(2) stehenden Gedanken zuwiderläuft... Ein Wettbewerber soll sich ja darauf verlassen können, dass maximal nur das erteilt wird, was ursprünglich offenbart war. Dieses Argument wird einem spätestens im Einspruch begegnen, da der Wettbewerber sich vermutlich durch die neuen Ansprüche gestört fühlt.

Vorausgesetzt natürlich, die ursprünglichen Ansprüche entsprechen dem breitesten Offenbarungsgehalt der Anmeldung. Das muss ja nicht so sein, die Beschreibung kann ja durchaus Gegenstände enthalten, die nicht unter den ursprünglichen Hauptanspruch fallen. Die könnten dann auch 123(2)-konform beansprucht werden. Das kommt aber darauf an, wie die Beschreibung im Detail ausgestaltet ist, dazu kann man allgemein schlecht was sagen.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
20-30 Prozente sind Gewicht-% :))Wir sehen eine spätere Anmeldung des Wettbewerbers, die genau eine Mischung von 25% C16-Fettalkohols + 10% C14Fettalkohols beansprucht und natürlich wollen wir es abdecken.
Wenn die Offenbarung es hergibt, dann würde ich in Erwägung ziehen, aus der Anmeldung ein DE-Gebrauchsmuster abzuzweigen, das möglichst genau auf das zugeschnitten ist, was der Wettbewerber vorhat. In den Ansprüchen der Patentanmeldung bedarf es dann wegen dieses Wettbewerbers keines gedanklichen Knotens.
 

Langof

BRONZE - Mitglied
Eine ganz neue Entscheidung T1121/17

Einspruch wäre uns eigentlich lieb. Klarheit ist kein Anspruchsgrund und wenn der Prüfer implizit eine Offenbarung der Gesamtmenge sieht und wir die Offenbarung der Menge an jedem der Alkohole sehen, kann man eine dieser Auslegungen als eine Auswahl anschauen.

Natürlich ist uns (angesichts eines Anspruch) wichtig den breitesten Schutzumfang nach oben zu haben, deswegen bevorzugen wir die zweite.



Kollege hat mir gestern ein Link zu einer ganz frischen Entscheidung geschikt T1121/17.
https://register.epo.org/application?number=EP12809970
Kann man damit was anfangen?
 

Hans35

*** KT-HERO ***
AW: Eine ganz neue Entscheidung T1121/17

Kollege hat mir gestern ein Link zu einer ganz frischen Entscheidung geschickt T1121/17.
https://register.epo.org/application?number=EP12809970
Kann man damit was anfangen?
Wenn ich es richtig verstanden habe:
In dieser Entscheidung geht es um eine Anspruchsänderung, bei der "comprises" (ursprüngliche Offenbarung) durch "consist" (geänderter Anspruch) ersetzt wird. Das ist normalerweise nicht zulässig ist, weil "consist" die Information umfasst, dass es neben dem angegebenen Bestandteil keine anderen Bestandteile gibt. Diese Information ist dann aber ursprünglich nicht offenbart ist.
Im entschiedenen Fall ging es aber um einen Bestandteil, der in der Gesamtzusammensetzung in einem bestimmten Prozentsatz-Bereich enthalten ist. Das umfasst dann aber doch die Information, dass noch andere Bestandteile vorhanden sind, nämlich außerhalb dieses Bereichs. Damit ist diese Änderung dann zulässig.
 

Langof

BRONZE - Mitglied
T1121/17

@Hans 35, Danke, aber

Ich beziehe mich auf Punkt 2.2 der Begründung der Prüfungsabteilung (zur Hilfsantrag) und Punkt 1.5.1 (und Catchword) in der Entscheidung der Beschwerdekammer.

Da sehe ich eine Parallele zu meinem Fall wo mir eine Zusatzbeschränkung aufgezwungen wird.

(vielleicht öffne ich ein allgemeines Thread und frage nach Erfahrungen aus dem Gebiet der Chemie - ich sehe ziemlich große Unterschiede hier zwischen Prüfer in Den Haag (industrielle Chemie) und Prüfer in München).
 
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