Anspruchsübersetzung gem R 71(3) EPÜ

maroubra

*** KT-HERO ***
Was genau ist denn der Zweck der Anspruchsübersetzungen in die anderen beiden Amtssprachen? Sind diese Übersetzungen relevant für die Auslegung des Schutzumfangs eines EP-Patents?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Was genau ist denn der Zweck der Anspruchsübersetzungen in die anderen beiden Amtssprachen? Sind diese Übersetzungen relevant für die Auslegung des Schutzumfangs eines EP-Patents?

Nein, dafür ist nur die Anspruchsversion im Druckexemplar maßgeblich.

Vermutlich soll durch die Übersetzung einem größeren Personenkreis ermöglicht werden, zu verstehen, welcher Gegenstand geschützt ist.
 

maroubra

*** KT-HERO ***
Mir ging es darum abzuschätzen, wie viel Zeit man für die R71(3) Übersetzungen aufbringen sollte.

Folgende Situation:

Ein englischsprachiges EP-Patent wird mit Wirkung für Deutschland erteilt. Auf den R71(3)-Bescheid reichte die Anmelderin eine deutsche Übersetzung der Ansprüche ein, wobei die Übersetzung aber fehlerhaft ist und den Gegenstand gegenüber der englischen Fassung stark einschränkt.

Ein Patentverletzer vertreibt einen Gegenstand in Deutschland, der unter den Schutzumfang der originalen, englischsprachigen Patentansprüche fällt, nicht jedoch unter den Umfang der fehlerhaften deutschen Übersetzung davon.

Der Patentverletzer wird von der Patentinhaberin in Deutschland auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen. Der Patentverletzer gibt eine Unterlassungserklärung ab, weist aber die Schadensersatzforderung von sich, da er die Patentverletzung aufgrund der von der Anmelderin eingereichten fehlerhaften Anspruchsübersetzung nicht vertreten müsse.

Wie ist die Rechtslage? :D
 

anwärter

SILBER - Mitglied
Gemäß Art 70 Abs 1 EPÜ ist der Wortlaut der europäischen Patentanmeldung in der Verfahrenssprache in jedem Vertragsstaat verbindlich.

Wenn jedoch der Vertragsstaat eine Übersetzung des Patents in die Landessprache vorsieht, und der Schutzbereich in dieser Übersetzung enger ist als in der Verfahrenssprache, dann kann das nationale Recht vorsehen, dass die Übersetzung, und nicht die Verfahrenssprache, verbindlich ist. Dies ist in Deutschland nicht vorgesehen, in vielen anderen EPÜ-Ländern schon. Steht alles schön aufgeschlüsselt in der Tabelle V im "Nationalen Recht zum EPÜ".

Z.B. in Österreich ist eine derartige Regelung vorgesehen, somit könnte sich ein dortiger Verletzer tatsächlich auf den engeren Schutzbereich berufen - der Patentinhaber kann aber die Berichtigung der Übersetzung beantragen. Wenn der Verletzer gutgläubig ist, nutzt die Berichtigung aber auch nichts, weil ein ein Zwischenbenutzerrecht entsteht.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Anwärter,
kann es sein, dass du die Übersetzung der Ansprüche gemäß Regel 71(3) und die Übersetzung des Patents gemäß Art. 65 durcheinanderbringst? Die Übersetzung der Ansprüche gemäß Regel 71(3) hat keinerlei rechtliche Auswirkungen, solange sie nur eingereicht wird und dient nur der Information. Die Übersetzung des Patents gemäß Art. 65 kann durchaus die Wirkung nach Art. 70 (3) entfalten. Für Deutschland aber beispielsweise nichtmehr für die jetzt erteilten Patente, da nach dem London Agreement gar keine Übersetzungen gemäß Art. 65 mehr eingereicht werden müssen. Für die Europäischen Patente vor dem London Agreement musste diese in Deutschland sehr wohl eingereicht werden und hatte nach dem IntPatÜG genau die Auswirkung, die nach Art. 70(3) zugelassen waren. Das London Agreement macht aus den Anspruchsübersetzungen gemäß Regel 71(3) jedoch keine Patentübersetzungen gemäß Art. 65. Für Österreich, das nicht das London Agreement unterzeichnet hat, ist weiterhin eine Übersetzung nach Art. 65 einzureichen. Aber die Anspruchsübersetzungen in die deutsche Sprache im Europäischen Patent (71(3)) sind weiterhin rechtlich uninteressant. Dass die Übersetzungen gemäß Regel 71(3) keine Auswirkungen haben können, ist auch daran zu erkennen, dass keine Möglichkeit der Korrektur dieser Übersetzungen vorgesehen ist.

Und genau auf die Anspruchsübersetzung nach Regel 71(3) bezog sich die ursprüngliche Frage und ist deshalb damit zu beantworten, dass diese keine rechtliche Auswirkung haben. Sehr wohl könnte sie jedoch eine psychologische Auswirkung im Verletzungsprozess haben, wenn man den Richter erstmal erklären muss, dass die Übersetzung falsch war ;-).
 
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