Ich stand vor einiger Zeit auch vor der Frage, die Dich umtreibt. Aus meiner Erfahrung und aus meiner persönlichen Sicht kann ich folgendes sagen:
Die beste Variante ist mE die, dass ein Kandidat sehr sorgfältig als potentieller Nachwuchs für die Kanzlei gesucht wird, z.B. um später einen der älteren Partner zu ersetzen. D.h. es bestehen von Anfang an ernsthafte Pläne, den Kandidaten langfristig in fachlicher und - genauso wichtig - menschlicher Hinsicht in die Kanzlei einzubinden. In so einem Fall erhält der Kandidat in der Regel auch eine sehr sorgfältige Ausbildung, ohne dass zumindest im ersten Jahr auf den finanziellen Nutzen/ die Arbeitsleistung zuviel Wert gelegt wird. Sorgfältige Ausbildung heißt für mich z.B.: Akten werden nach Bearbeitung eingehend besprochen und der Kandidat ist nicht in erster Linie dazu da, Übersetzungen oder möglichst viele Bescheide in Kurzer Zeit zu "kloppen". Zudem sollte der Kandidat mitgenommen werden zu Mandantengesprächen, mündlichen Verhandlungen bei EPA, BPatG, Landgericht, also nicht nur im stillen Kämmerlein Arbeit wegschaffen.
Bei diesem auf Langfristigkeit angelegten System sind die Kandidaten nicht in erster Linie dazu da, eine Kanzlei von Arbeitsüberschuss zu entlasten und noch möglichst viel Gewinn einzuspielen, wie es beim kurzfristigen System der Fall ist. Bei vielen Kanzleien, die das kurzfristige System verfolgen, bleiben die Kandidaten nach der Ausbildung nicht. Warum das? Antwort: Die vorhandenen Partner wollen sich, auch wenn sie zufrieden waren mit dem Kandidat, nicht dauerhaft binden und noch mehr Partner aufnehmen, die anschließend mitreden wollen. Die Aufträge könnten ja auch wieder zurückgehen Wer also selbst mal was zu sagen haben will bzw. den Traum von der Selbständigkeit träumt, geht. Stattdessen werden wieder neue Kandidaten eingestellt. Folge: Immer mehr Patentanwälte kommen in den Markt und irgendwann werden es zu viele sein, um noch das an Geld zu verdienen, von dem viele in diesen Foren träumen.
In einigen Branchen, die nicht gerade boomen, wie z.B. Biotech, kann man aber bei einer Kandidatenstelle wohl nicht groß wählerisch sein und nimmt was man bekommt.
Ein paar Tipps: Wenn Du es Dir leisten kannst wählerisch zu sein, dann achte sehr auf das Zwischenmenschliche was beim Gespräch rüberkommt oder auch nicht. Das sagt mehr aus als jegliche Ankündigung einer möglichen späteren Partnerschaft. Frag nach, wie viele Kandidaten in den letzten Jahren ausgebildet wurden und was aus ihnen geworden ist. Frag auch nach, wie sich die Kanzlei die Ausbildung vorstellt, welche Tätigkeiten auf Dich zukommen. Wenn bei dieser Frage Unverständnis rüberkommt (Ausbildung? Was Sie sich beibringen ist Ihre Sache) oder nur vage Aussagen, dann gibt es Grund zur Vorsicht.
Achte nicht in erster Linie auf den großen Namen der Kanzlei. Vorsicht auch bei Aussagen: "Wenn Sie nicht bereit sind, regelmäßig und auf Dauer mindestens 12 Stunden am Tag zu arbeiten (und als Kandidat für 8 bezahlt zu werden), sind Sie in diesem Beruf grundsätzlich falsch". Legendenbildung und wahrscheinlich Verschleierung eines Ausbeutungs- statt Ausbildungsverhältnisses. Natürlich muss ein Freiberufler mehr anklotzen wenn es brennt, wir sind schließlich Dienstleister und nicht im öffentlichen Dienst. Aber ein Freiberufler kann - der feine Unterschied - für die Zeit auch abrechnen, ein Kandidat hingegen nicht. Ausnahme: Beteiligung am Umsatz als variable Einkommenskomponente.
Ort: Ich bin der Meinung, dass das Zentrum der Patentwelt, München, nicht automatisch auch das beste Pflaster ist für eine gute und vielseitige Ausbildung. Grund: Viele Kanzleien, die vorwiegend von Auslandsmandantschaft leben, so dass viel Übersetzerei anfällt und man keinen Erfinder/Mandanten je persönlich zu Gesicht bekommt. Manche Kanzleien sind auch für meinen Geschmack schon zu groß, so dass man sehr spezialisiert und in einem System mehrerer Hierachiestufen arbeitet, wobei das Gefühl des freien Berufs (wenn man das haben will) verloren gehen kann. Die Wahl hängt natürlich von den eigenen Vorlieben ab. Mancher möchte mit eher wenig Verantwortung für den Laden fachlich sehr spezialisiert arbeiten. Und in mancher großen Kanzlei findet sich der ein oder andere sehr bekannte Anwalt, wobei fraglich ist, wie oft man den zu Gesicht bekommt.
Eine gute Größe ist nach meinem Geschmack ein mittelgroßer Laden mit gemischter Inlands/Auslands Mandantschaft, möglichst auch mit Markenrecht, durchaus auch außerhalb von München, bei dem ein gutes persönliches Verhältnis gepflegt wird. Letzteres kann man evt. durch die Atmosphäre im Bewerbungsgespräch abschätzen sofern sich - gutes Zeichen - mehrere Partner die Zeit für ein solches nehmen.
Auch vorteilhaft: Eine Mischung aus jungen und alten Anwälten. Die alten Hasen haben längere Berufserfahrung, die jungen sind näher dran an Themen wie EPA Prüfung, Amtsjahr, Hagen und können dort eher helfen.
Weiterhin zu besprechen und im Forum schon vielfach diskutiert: Freistellung für Hagen, Kostenübernahme für das Hagen-Studium (die zeitliche Freistellung ist aber wichtiger). Die Kanzlei muss meiner Meinung nach nicht für alles und alles komplett zahlen, aber wenn wenig oder gar nix gezahlt wird, sagt das schon was über den Status aus, den man haben wird. Auch hier gilt: Eindeutige Aussagen sind gefragt, nicht Aussagen nach dem Motto: "Das regeln wir dann schon irgendwie" (dann wir nämlich nie was geregelt).
Ich hoffe, dass ich Dir etwas weiterhelfen konnte, Einige meiner Thesen mögen auf Widerspruch stoßen, ich bin schon gespannt.