Woran erkennt man eine 'gute' Kanzlei?

S

Spacecadet

Guest
Hallo Forumsgemeinde,
Ich bin bald promovierter Neurowissenschaftler (Dipl.-Biochem.), z.Zt. in der Schweiz, habe einen Master in Angewandter Ethik und möchte mich um eine Kandidatenstelle für die Ausbildung zum Patentanwalt bewerben.

Wie in jedem Bereich gibt es ja so kleine oder grössere Details, an denen man die Qualität einer Arbeitsstelle abschätzen kann. Für biowissenschaftliche Labore weiss ich die mittlerweile, aber bei Patentanwaltskanzleien habe ich natürlich keine Ahnung. :))

Habt Ihr so kleine oder grössere Ratschläge über Dinge, auf die man so achten sollte? zum Beispiel bezüglich Grösse und Zusammensetzung einer Kanzlei, Verhältnis Kandidaten zu Anwälten etc.?

Vielen Dank schonmal!
 
M

mercenary

Guest
Der Master in angewandter Ethik ist zwar beeindruckend, aber für die Tätigkeit als PA vielleicht eher störend...;-)
 
S

Sapcecadet

Guest
Es lief aufs Gegenteil hinaus. :)
In meiner Diplomarbeit habe ich mich mit nationalem und internationalem Patentrecht beschäftigt und konnte mich von der Wichtigkeit und Richtigkeit des Patentwesens überzeugen.
Noch mal Glück gehabt.

Aber mal zurück zum Topic, will denn niemand aus dem Nähkästchen plaudern? Ich gebe im Gegenzug auch gern preis, wie man ein gutes biowissenschaftliches Labor erkennen kann.... ;-)
 
J

Jung PA

Guest
Ich stand vor einiger Zeit auch vor der Frage, die Dich umtreibt. Aus meiner Erfahrung und aus meiner persönlichen Sicht kann ich folgendes sagen:

Die beste Variante ist mE die, dass ein Kandidat sehr sorgfältig als potentieller Nachwuchs für die Kanzlei gesucht wird, z.B. um später einen der älteren Partner zu ersetzen. D.h. es bestehen von Anfang an ernsthafte Pläne, den Kandidaten langfristig in fachlicher und - genauso wichtig - menschlicher Hinsicht in die Kanzlei einzubinden. In so einem Fall erhält der Kandidat in der Regel auch eine sehr sorgfältige Ausbildung, ohne dass zumindest im ersten Jahr auf den finanziellen Nutzen/ die Arbeitsleistung zuviel Wert gelegt wird. Sorgfältige Ausbildung heißt für mich z.B.: Akten werden nach Bearbeitung eingehend besprochen und der Kandidat ist nicht in erster Linie dazu da, Übersetzungen oder möglichst viele Bescheide in Kurzer Zeit zu "kloppen". Zudem sollte der Kandidat mitgenommen werden zu Mandantengesprächen, mündlichen Verhandlungen bei EPA, BPatG, Landgericht, also nicht nur im stillen Kämmerlein Arbeit wegschaffen.

Bei diesem auf Langfristigkeit angelegten System sind die Kandidaten nicht in erster Linie dazu da, eine Kanzlei von Arbeitsüberschuss zu entlasten und noch möglichst viel Gewinn einzuspielen, wie es beim kurzfristigen System der Fall ist. Bei vielen Kanzleien, die das kurzfristige System verfolgen, bleiben die Kandidaten nach der Ausbildung nicht. Warum das? Antwort: Die vorhandenen Partner wollen sich, auch wenn sie zufrieden waren mit dem Kandidat, nicht dauerhaft binden und noch mehr Partner aufnehmen, die anschließend mitreden wollen. Die Aufträge könnten ja auch wieder zurückgehen Wer also selbst mal was zu sagen haben will bzw. den Traum von der Selbständigkeit träumt, geht. Stattdessen werden wieder neue Kandidaten eingestellt. Folge: Immer mehr Patentanwälte kommen in den Markt und irgendwann werden es zu viele sein, um noch das an Geld zu verdienen, von dem viele in diesen Foren träumen.

In einigen Branchen, die nicht gerade boomen, wie z.B. Biotech, kann man aber bei einer Kandidatenstelle wohl nicht groß wählerisch sein und nimmt was man bekommt.

Ein paar Tipps: Wenn Du es Dir leisten kannst wählerisch zu sein, dann achte sehr auf das Zwischenmenschliche was beim Gespräch rüberkommt oder auch nicht. Das sagt mehr aus als jegliche Ankündigung einer möglichen späteren Partnerschaft. Frag nach, wie viele Kandidaten in den letzten Jahren ausgebildet wurden und was aus ihnen geworden ist. Frag auch nach, wie sich die Kanzlei die Ausbildung vorstellt, welche Tätigkeiten auf Dich zukommen. Wenn bei dieser Frage Unverständnis rüberkommt (Ausbildung? Was Sie sich beibringen ist Ihre Sache) oder nur vage Aussagen, dann gibt es Grund zur Vorsicht.

Achte nicht in erster Linie auf den großen Namen der Kanzlei. Vorsicht auch bei Aussagen: "Wenn Sie nicht bereit sind, regelmäßig und auf Dauer mindestens 12 Stunden am Tag zu arbeiten (und als Kandidat für 8 bezahlt zu werden), sind Sie in diesem Beruf grundsätzlich falsch". Legendenbildung und wahrscheinlich Verschleierung eines Ausbeutungs- statt Ausbildungsverhältnisses. Natürlich muss ein Freiberufler mehr anklotzen wenn es brennt, wir sind schließlich Dienstleister und nicht im öffentlichen Dienst. Aber ein Freiberufler kann - der feine Unterschied - für die Zeit auch abrechnen, ein Kandidat hingegen nicht. Ausnahme: Beteiligung am Umsatz als variable Einkommenskomponente.

Ort: Ich bin der Meinung, dass das Zentrum der Patentwelt, München, nicht automatisch auch das beste Pflaster ist für eine gute und vielseitige Ausbildung. Grund: Viele Kanzleien, die vorwiegend von Auslandsmandantschaft leben, so dass viel Übersetzerei anfällt und man keinen Erfinder/Mandanten je persönlich zu Gesicht bekommt. Manche Kanzleien sind auch für meinen Geschmack schon zu groß, so dass man sehr spezialisiert und in einem System mehrerer Hierachiestufen arbeitet, wobei das Gefühl des freien Berufs (wenn man das haben will) verloren gehen kann. Die Wahl hängt natürlich von den eigenen Vorlieben ab. Mancher möchte mit eher wenig Verantwortung für den Laden fachlich sehr spezialisiert arbeiten. Und in mancher großen Kanzlei findet sich der ein oder andere sehr bekannte Anwalt, wobei fraglich ist, wie oft man den zu Gesicht bekommt.

Eine gute Größe ist nach meinem Geschmack ein mittelgroßer Laden mit gemischter Inlands/Auslands Mandantschaft, möglichst auch mit Markenrecht, durchaus auch außerhalb von München, bei dem ein gutes persönliches Verhältnis gepflegt wird. Letzteres kann man evt. durch die Atmosphäre im Bewerbungsgespräch abschätzen sofern sich - gutes Zeichen - mehrere Partner die Zeit für ein solches nehmen.

Auch vorteilhaft: Eine Mischung aus jungen und alten Anwälten. Die alten Hasen haben längere Berufserfahrung, die jungen sind näher dran an Themen wie EPA Prüfung, Amtsjahr, Hagen und können dort eher helfen.

Weiterhin zu besprechen und im Forum schon vielfach diskutiert: Freistellung für Hagen, Kostenübernahme für das Hagen-Studium (die zeitliche Freistellung ist aber wichtiger). Die Kanzlei muss meiner Meinung nach nicht für alles und alles komplett zahlen, aber wenn wenig oder gar nix gezahlt wird, sagt das schon was über den Status aus, den man haben wird. Auch hier gilt: Eindeutige Aussagen sind gefragt, nicht Aussagen nach dem Motto: "Das regeln wir dann schon irgendwie" (dann wir nämlich nie was geregelt).

Ich hoffe, dass ich Dir etwas weiterhelfen konnte, Einige meiner Thesen mögen auf Widerspruch stoßen, ich bin schon gespannt.
 
A

auchPA

Guest
an jungPA:

sehr guter Beitrag, vorbildlich!

(dies ist ohne Ironie gemeint; es würde dem Forum ohnehin guttun, wenn einige Autoren etwas weniger Ironie und Sarkasmus - was nicht immer im Sinne des Autors erkannt wird - einsetzen würden)
 
S

Spacecadet

Guest
Danke für die Antworten, das hilft mir schon sehr weiter. Speziell auch die Bemerkung zur Biotechnologie, d. h. dass man da nicht so wählerisch sein kann. Sieht es denn für die biowissenschaftler wirklich nicht so rosig aus?

Ein wenig Kopfzerbrechen bereitet mir auch der CV mancher PAs, wenn man mal über die Homepages surft: Havard, Stanford, Oxford, MPI, Studienstiftung, Preis hier, Auszeichnung da...
Ich bin zwar an einer guten Uni an einem sehr guten Institut, aber mit solchen Heldentaten kann ich nun doch nicht aufwarten...
 
G

gast2000

Guest
Okay, jetzt ironiefrei: auch ich stimme dem ausführlichen Kommentar des jungen PA weiter oben generell zu.

Bezüglich der akademischen Heldentaten wurde hier schon mehrfach diskutiert, und wie immer, diejenigen, die solche Heldentaten verbrochen haben (Vorsicht:schon wieder Ironie!), haben sie verteidigt, die anderen angegriffen, und beide haben recht...(jeder für sich natürlich).

Für Dich spielt das IMHO nur dann eine Rolle, wenn Du an einen solchen Auf-Harvard-Stanford-Oxford-Cambridge-Wert-Leger als potentiellen Ausbilder gerätst. Dann könntest Du Probleme haben. Sonst nicht. Es kümmert sich einfach keiner mehr darum.
 
G

Gastomat

Guest
Bloss nicht verrückt machen lassen.

Einer der Hauptgründe (zumindest für ein Grossteil der Studenten/Absolventen) an eine "Eliteeinrichtung" zu gehen ist ebendieser Effekt: Es macht einen guten Eindruck im CV.

Das heisst mitnichten, dass man dann auch ein guter PA wird.

Wichtiger als der Elite-Stempel sind Dinge wie:
  • die eigene Einstellung dem Beruf gegenüber,
  • "soft skills",
  • Fachliches know-how (hat dann auch etwas mit der Einstellung dem eigenen Studienfach gegenüber zu tun),
  • Engagement,
  • Fleiss,
  • Glück (jawoll, gehört auch dazu),
  • Durchhaltevermögen
...

all dies lernt man nicht automatisch an einer Eliteschule.

Grüsse
 
S

Spacecadet

Guest
Vielleicht kann ich da gleich noch eine Frage anbringen:

Man liest ja immer wieder, dass der Patentanwalt technisches Wissen haben muss. Da man aber selten Praktika in einer Kanzlei machen kann, ist das leider ein wenig zu graue Theorie.

Wie sieht das konkret aus?
Wie gross ist der tatsächliche Anteil der Arbeit, der allein durch technisches Fachwissen bestimmt wird?
Wie sehr geht das ins Detail? Würde man das eher als "trocken" bezeichnen?
Wie kann man feststellen, ob man dafür die notwendige Geduld besitzt?
Als wie abwechslungsreich empfindet Ihr die ganze Sache?

Muss man eher der Typ des Eisenbahnmodellbauers sein, der bis ins kleinste Detail mit technischem Fachwissen brillieren?
Oder arbeitet man doch generalistischer?
Rechtskunde macht mir aber Spass und Biochemie auch. Die Laborarbeit allerdings nicht so. :)

Meine Frage geht eher in die Richtung, wie man feststellen kann, ob man selbst für dieses Gebiet geeignet ist. Weil man ja vernünftige Arbeit leisten und nicht vor sich hin stümpern möchte und nicht allzu viele Versuche hat, den richtigen Bereich für sich zu entdecken.
 
N

noch'n PA

Guest
Spacecadet schrieb:
Vielleicht kann ich da gleich noch eine Frage anbringen:

Man liest ja immer wieder, dass der Patentanwalt technisches Wissen haben muss. Da man aber selten Praktika in einer Kanzlei machen kann, ist das leider ein wenig zu graue Theorie.

Wie sieht das konkret aus?
Wie gross ist der tatsächliche Anteil der Arbeit, der allein durch technisches Fachwissen bestimmt wird?
Wie sehr geht das ins Detail? Würde man das eher als "trocken" bezeichnen?
Wie kann man feststellen, ob man dafür die notwendige Geduld besitzt?
Als wie abwechslungsreich empfindet Ihr die ganze Sache?

Muss man eher der Typ des Eisenbahnmodellbauers sein, der bis ins kleinste Detail mit technischem Fachwissen brillieren?
Oder arbeitet man doch generalistischer?
Rechtskunde macht mir aber Spass und Biochemie auch. Die Laborarbeit allerdings nicht so. :)

Meine Frage geht eher in die Richtung, wie man feststellen kann, ob man selbst für dieses Gebiet geeignet ist. Weil man ja vernünftige Arbeit leisten und nicht vor sich hin stümpern möchte und nicht allzu viele Versuche hat, den richtigen Bereich für sich zu entdecken.
Leider kann man die Frage(n) nicht so einfach beantworten.
Um als PA arbeiten zu können, ist ein technisches Verständnis Voraussetzung, allerdings wird man gerade zu Anfang einer Ausbildung zum PA verhältnismäßig viele Fälle haben, bei denen man sich in ein neues Fachgebiet einarbeiten muss. Diese Fähigkeit sollte man vor allem mitbringen und ist mE wesentlich wichtiger als spezielles Fachwissen in einem (idR eng begrenzten) technischen Gebiet. Jeder, der ein technische Studium hinter sich gebracht hat, sollte jedenfalls grundsätzlich dazu in der Lage sein, sich in (auch fachfremde) andere Themen einlesen zu können.

Eine andere, durchaus entscheidende Frage für die Entscheidung sollte auch sein, ob man auch Interesse für nicht-technische Fragestellungen mitbringt. Die Berufsbezeichnung Patentanwalt greift dahingehend etwas kurz, weil sie suggeriert, man hätte es ausschließlich oder in erster Linie mit technischen Fragstellungen rund um Patente zu tun (Tatsächlich gibt es Kollegen, die ausschließlich Patente auf einem bestimmten technischen Fachgebiet bearbeiten).

In erster Linie ist (besser: sollte sein) die Tätigkeit des Patentanwalts Rechtsberatung. Bei Patenten spielt das Verständnis von technischen Sachverhalten zwar eine wichtige Rolle, nur beinhaltet der Beruf eben nicht nur technische Fälle, sondern umfasst die Beratung der Mandanten in allen Fragen gewerblicher Schutzrechte.

Der "technische Anteil" der Patentanwaltsarbeit kann daher von Kanzlei zu Kanzlei stark variieren. Bei mir persönlich würde ich sagen, liegt der technische Anteil bei höchstens 50%, was ich persönlich als angenehm und abwechslungsreich empfinde. Mir persönlich wäre es zu trocken, ausschließlich Patentsachbearbeitung zu machen. Die Geschmäcker sind aber hier verschieden.
 
R

Robby

Guest
Grundsätzlich sind die im Vorteil, die sich gerne in technische Sachverhalte einarbeiten und dabei vor allem schnell sind (das ist das Wichtigste....) Wer sich also als Jugendlicher tagelang im Deutschen Museum herumtrieben konnte, ohne dass ihm langweilig wurde, könnte bei Patenten ganz gut aufgehoben sein. Dazu kommt dann als Qualifikation noch ein ordentliches technisch/naturwissenscahftliches Examen (denn auch die Theorie ist wichtig), ein Grundmaß an sprachlicher Fähigkeit (Deutsch und Englisch) und Interesse an juristischem Denken (das mir als Techniker erst mal komplett gegen den Strich ging, aber das kann man lernen, wenn man will). Und man sollte damit klarkommen, den ganzen Tag alleine seine Arbeit zu machen - Teamarbeit findet so gut wie nicht statt und ausgedehnte Mandantengespräche sind in den seltensten Fällen finanziell rentabel.

Den Beitrag oben von Jung-PA unterschreib ich glatt... Da werde ich jetzt in Zukunft drauf verweisen, wenn der nächste mit der alten Kanzlei-Frage kommt:)
 
S

Spacecadet

Guest
Vielen Dank für die bisher sehr hilfreichen Beiträge. :)

In Bezug auf die Eigenarbeit:
Ist das idR so, dass man alleine in seinem Kämmerchen arbeitet und wenig Austausch mit anderen hat?
 
S

Spacecadet

Guest
Das sagt Ihr doch nur, damit Ihr hinter der geschlossenen Tür ungestört Eure Party feiern könnt. :)
 
G

gast2000

Guest
Leider nein. Wer nicht aufpasst, wird in diesem Job zu einem Nerd der besonderen Art...
 
P

Plempi

Guest
Achtung bei Heirat, um eine gewisse Abwechslung zu haben. Eine Scheidung von der Frau ist sicherlich kostspieliger als eine Scheidung vom Mandanten.
 
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