Verletzung und Uneinheitlichkeit im Prüfungsverfahren

ingenious...

Vielschreiber
Hallo zusammen,

ein Anspruch einer ersten Kategorie wurde im EP-Prüfungsverfahren wegen fehlender Einheitlichkeit auf die Ansprüche einer zweiten Kategerie rückbezogen. Wenn nun ein DE-Wettbewerber alle Merkmale außer die durch Rückbezug aufgenommenen verwirklicht, verletzt er dann dennoch das Patent? Ich habe etwas von Rechtsprechung gehört, die besagen soll, dass der wegen Uneinheitlichkeit aufgenommene Rückbezug und die dadurch aufgenommenen Merkmale bei einer Verletzungsprüfung außer acht bleiben können... so oder so ähnlich.

Kennt jemand Rechtsprechung hierzu, bis jetzt bin ich leider noch nicht fündig geworden! Mir hilft zwar eine neuere Entscheidung, nach der eine Untermenge keinen Schutz genießt. Wenn ich aber ein zur Herstellung der Einheitlichkeit aufgenommenes Merkmal (oder eine Merkmalsgruppe) wieder ausblenden kann, hilft mir das auch nicht weiter. Danke für eure Hilfe.

ingenious...
 

patenanwalt

GOLD - Mitglied
Würde denn im vorliegenden Fall der Art. 64(2) EPÜ im Verletzungsverfahren zum Tragen kommen?

Ein nebengeordneter Produktanspruch mit Rückbezug auf das Verfahren kann doch nur einen gleichen oder kleineren als in Art. 64(2) EPÜ definierten Schutzumfang haben.
 

ingenious...

Vielschreiber
Es geht um einen Verfahrensanspruch, der wegen Uneinheitlichkeit auf die (nicht verletzte) Vorrichtung rückbezogen wurde ("Verfahren... unter Verwendung der Vorrichtung nach...").

ingenious...
 

grond

*** KT-HERO ***
ingenious... schrieb:
Es geht um einen Verfahrensanspruch, der wegen Uneinheitlichkeit auf die (nicht verletzte) Vorrichtung rückbezogen wurde ("Verfahren... unter Verwendung der Vorrichtung nach...").
Ich denke, es kommt sehr stark auf die Formulierung an. "unter Verwendung" ist meines Erachtens ein Verfahrensschritt und damit Teil des Verfahrensanspruchs und müsste im Verletzungsverfahren berücksichtigt werden. Eventuell anders wäre etwas wie "method of driving an apparatus of one of the preceding claims" oder besser noch "a driving method for an apparatus of one of the preceding claims" was wohl nur als Eignung des Verfahrens für den Betrieb eines solchen Gerätes angesehen würde. Ich habe in EP-Erteilungsverfahren schon erlebt, dass Prüfer den Verfahrensanspruch so erteilt haben, nachdem der Rückbezug eingefügt wurde, obwohl das Verfahren selbst nichts Neues enthielt. M.E. war das falsch, aber was soll ich mich dagegen wehren?
 

ingenious...

Vielschreiber
So sehe ich das eigentlich auch. Im englischen Originalanspruch heißt es im Verfahrensanspruch "...using the apparatus of any of claims...", also m.E. eindeutig ein Verfahrensmerkmal.

Aber wie gesagt, ich habe von Rechtsprechung läuten hören, bei der solche Rückbezüge, die wegen Uneinheitlichkeit eingefügt wurden, bei der Verletzungprüfung außen vor gelassen wurden. Auch wenn mir persönlich das nicht einleuchtet.

ingenious...
 

Groucho

*** KT-HERO ***
ingenious... schrieb:
Aber wie gesagt, ich habe von Rechtsprechung läuten hören, bei der solche Rückbezüge, die wegen Uneinheitlichkeit eingefügt wurden, bei der Verletzungprüfung außen vor gelassen wurden. Auch wenn mir persönlich das nicht einleuchtet.
Eine solche Rechtsprechung dürfte es meines Erachtens nicht geben.

Die ursprünglich nicht einheitliche zweite Erfindung ist ja gar nicht auf Patentfähigkeit geprüft worden, sondern die zugehörigen Ansprüche sind nur deswegen erteilt worden, weil durch Rückbezug die Merkmale der (patentfähigen) ersten Erfindung mit aufgenommen worden.

Dann können später bei der Verletzungsprüfung nicht gerade diese patentbegründenden Merkmale außer Acht gelassen werden.
 

grond

*** KT-HERO ***
Groucho schrieb:
Dann können später bei der Verletzungsprüfung nicht gerade diese patentbegründenden Merkmale außer Acht gelassen werden.
Aufgrund der Trennung von Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren und der Freiheit der Gerichte kann es da leider immer wieder böse Überraschungen geben. Da gab es wohl schon einmal einen Fall, bei dem jemand (in Lizenz?) den Gegenstand eines älteren Patentes nachgebaut hat und aus einem anderen, jüngeren Patent in Anspruch genommen wurde. Im Nichtigkeitsverfahren wurde das ältere Patent nun als nicht einschlägig betrachtet, im Verletzungsverfahren aber eine Patentverletzung des jüngeren Patents festgestellt. Nun kann ein realer Gegenstand natürlich den Gegenstand zweier technisch völlig voneinander gesonderter Patente verwirklichen, aber beide Patente widmeten sich demselben technischen Aspekt. Auch ist es möglich, dass das jüngere Patent schlicht abhängig vom älteren und patentfähig ist und beide Patentgegenstände verwirklicht sind. Aber so einfach war es nach Darstellung des Berichtenden jedenfalls nicht.

Ebenso könnte im Nichtigkeitsverfahren der Rückbezug als ausreichend für die Patentfähigkeit angesehen werden, das Verletzungsgericht aber seine eigene Sicht der Dinge entwickeln. Ich finde die Trennung daher auch ziemlich unglücklich und insbesondere auch die Einschränkung auf nur noch eine volle Tatsacheninstanz im Nichtigkeitsverfahren kritikwürdig.
 

Primzi

GOLD - Mitglied
I would look at it from the other side -

assuming you have a granted European patent, and that no divisional is pending

Courts must apply EPC.

A.69 scope of protection is defined by the claims, interpreted by the description. In the claims you have only second invention.
There must have been both first and second inventions in the original description, but this had to be adapted to be in concorance with the claims. So there is either no possibility to interpret the claims to cover the first invention or the patent is invalid because it does not comply with A. 83 and 84.

The applicant is a master of the proceedings, and has voluntarily decided to pursue certain subject matter or not. Legal certainty requires that third party knows at certain moment what has passed into public property.

P
 

grond

*** KT-HERO ***
Primzi schrieb:
So there is either no possibility to interpret the claims to cover the first invention or the patent is invalid because it does not comply with A. 83 and 84.
Art. 84 EPC ist nach Erteilung weitestgehend egal. Auch sonst gibt es wenigstens für Deutschland keinen mir ersichtlichen Grund, warum irgendwelche Erwägungen während des Prüfungsverfahrens für das Verletzungsgericht von Bedeutung sein müssten. Ein deutsches Gericht lässt sich nicht durch irgendwelche Verwaltungshandlungen einer Patenterteilungsbehörde in seiner Herrlichkeit eingrenzen...

Der Anmelder kann z.B. in einer Eingabe sagen, ein Merkmal seines Anspruchs sei ganz anders (insbesondere enger) zu interpretieren, nur um dann im Verletzungsverfahren wieder die weite Interpretation anzuwenden (anders ist es, wenn er das im Nichtigkeitsverfahren macht). Wir sind hier nicht in den USA, wo jegliche Aussagen des Anmelders hinsichtlich der Interpretation der Ansprüche, der Erfindung oder des Standes der Technik später gegen ihn verwendet werden kann.
 
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