Übergangsbestimmung zur neuen Regel 36 EPÜ

Patente24

BRONZE - Mitglied
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wie ihr sicher alle wisst, triit am 1.4.2010 die geänderte Regel 36 EPÜ in Kraft. Nun ist uns bei den Übergangsbestimmungen eine unklare Formulierung aufgefallen, die zwei mögliche Fristenden zulässt.

Dies betrifft die zweite Alternative in Artikel 3 (siehe Amtsblatt EPA 6/2009):

"Laufen die Fristen am 1.April 2010 noch, so werden sie mindestens 6 Monate weiterlaufen "

Gemeint ist hier vom EPA, wenn eine 24-Monatsfrist ab Erstbescheid beispielsweise am 5.4.2010 abläuft, wird diese ab Inktafttreten der Regeländerung ab 1.4.2010 gerechnet bis 1.10.2010 laufen.

Das steht leider nicht eindeutig im Gesetzestext. Nämlich könnte man auch auslegen, dass die Frist im genannten Beispiel erst am 5.10.1010 abläuft, da im besagten Artikel 3 leider kein Bezug genannt ist ob zur Berechnung der Frist des Ende der 24-Monatsfrist gemeint ist oder das Inkrafttreten der neuen Regel 36.

Ende der 24-Monatsfrist im genannten Beispiel wäre der 5.4.2010, die Frist läuft am 1.4.2010 also noch und läuft gemäß der Übergangsbestimmungen somit noch mindestens 6 Monate, also bis zum 5.10.2010. Jeder, der die Übergangsbestimmung so auslegt würde zwangsläufig einen Rechtsverlust erleiden.

Diese Interpretation wurde bei uns im Haus von knapp der Hälfte der Patentanwälte so gesehen und interessanterweise auch von unserem Rechtsanwalt, ein sehr kompetenter Dr. Jur.

Sollte man diese Interpretationsmöglichkeit dem EPA mitteilen? Wie seht ihr das.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Ich erlaube mir mal den Text einer Folie hier einzustellen, die Gegenstand eines Vortrages bei der letzten Fortbildungsveranstaltung im Rahmen der Kammerversammlung in Bremen am 18.11.09 war (Folienseite 31). Der Vortrag wurde von Ingwer Koch (Hauptdirektor a.i., EPA) erstellt. Ich war selbst nicht da, gehalten wurde er nach meiner Kenntnis von einer anderen Person, da Herr Koch verhindert war.

Vielleicht trägt das ja zur Aufklärung bei ...


Übergangsvorschriften

- Die geänderte Regel 36 EPÜ findet nur Anwendung auf Teilanmeldungen, die ab dem 1. April 2010 eingereicht werden

- Fristen:
- Ist die Frist zur Einreichung der Teilanmeldung am 1. April 2010 bereits abgelaufen, so kann noch innerhalb von 6 Monaten nach diesem Zeitpunkt eine Teilanmeldung eingereicht werden, d.h. bis zum 1. Oktober 2010
- Hat die Frist zur Einreichung der Teilanmeldung bereits am 1. April 2010 zu laufen begonnen, ist sie aber noch nicht abgelaufen, so kann zumindest noch innerhalb von 6 Monaten nach diesem Zeitpunkt eine Teilanmeldung eingereicht werden, d.h. zumindest bis zum 1. Oktober 2010, ggf. auch noch später, wenn die 24-Monatsfrist erst nach dem 1. Oktober 2010 abläuft
- Zur Berechnung der Fristen kann das ESPACE Bulletin (1 Jahres-Abonnement für € 262 zuzüglich Versandkosten) herangezogen werden

- Der ESPACE helpdesk (epal[img]http://files.carookee.com/img/clear.gif[/img]@[img]http://files.carookee.com/img/clear.gif[/img]epo[img]http://files.carookee.com/img/maildot.gif[/img]org) wird hierzu am 10. Dezember 2009 einen virtuellen Unterricht abhalten

- Auch die Electronic Library in München bietet hierzu telefonische Hilfe an (Tel. 089-2399 2663)
 

Patente24

BRONZE - Mitglied
Fip schrieb:
- Hat die Frist zur Einreichung der Teilanmeldung bereits am 1. April 2010 zu laufen begonnen, ist sie aber noch nicht abgelaufen, so kann zumindest noch innerhalb von 6 Monaten nach diesem Zeitpunkt eine Teilanmeldung eingereicht werden, d.h. zumindest bis zum 1. Oktober 2010, ggf. auch noch später, wenn die 24-Monatsfrist erst nach dem 1. Oktober 2010 abläuft
Es ist vollkommen klar, was das EPA möchte, trotzdem lässt die Formulierung der Übergangsbestimmung eine andere Interpretation zu!
 

grond

*** KT-HERO ***
Patente24 schrieb:
Ende der 24-Monatsfrist im genannten Beispiel wäre der 5.4.2010, die Frist läuft am 1.4.2010 also noch und läuft gemäß der Übergangsbestimmungen somit noch mindestens 6 Monate, also bis zum 5.10.2010.
Beim "also bis zum" ist ein logischer Fehler. Wieso sollte ein "läuft noch mindestens sechs Monate" einer Addition "+6M" in der Fristenberechnung entsprechen? Es wird dort doch gar nicht auf das Fristende nach der 24-Monats-Regel bezug genommen. Ich weiß, dass Du weißt, wie es eigentlich gemeint ist, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Aber die Schlussfolgerung 5.4.2010 +6M ist nicht aus der (missglückten) Formulierung zu begründen. Stattdessen ist ziemlich offensichtlich, dass am 1.4. noch mindestens sechs Monate Frist sind. Es können aber noch mehr sein. Und das ist nun einmal offensichtlicherweise dann der Fall, wenn am 1.4. von den 24 Monaten noch keine 18 um sind. Andernfalls könnte man ja auch für Fristen, bei denen weniger als die 18 Monate seit der Einheitlichkeitsrüge vergangen sind, eine Frist von 30 Monaten konstruieren (die Frist läuft ja auch noch).


Diese Interpretation wurde bei uns im Haus von knapp der Hälfte der Patentanwälte so gesehen und interessanterweise auch von unserem Rechtsanwalt, ein sehr kompetenter Dr. Jur.
Das finde ich ehrlich gesagt ziemlich schockierend.
 

Patente24

BRONZE - Mitglied
grond schrieb:
Das finde ich ehrlich gesagt ziemlich schockierend.
Was ist daran bitte schockierend, wenn man potentielle abweichende Interpretationsmöglichkeiten erkennt. Das ist ja in erster Linie unser Job.

Darüber hinaus bewahren wir mit dieser Diskussion möglicherweise ein Unternehmen, das sich selbst um ihr IP kümmert oder einen Einzelanmelder, vor einem möglichen Rechtsverlust (sofern diese Internetseite so weit bekannt ist). Wenn mehrere Anwälte der Meinung sind, man könnte die Übergangsbestimmung auch so auslegen, wie oben dargesetellt, könnten auch andere zu dem Schluss kommen, das die Übergangsbestimmung so und nur so gemeint sind.

Schockierend finde ich eher, wenn man zu solchem Denksport nicht in der Lage ist.
 

grond

*** KT-HERO ***
[quote:patente24]Was ist daran bitte schockierend, wenn man potentielle abweichende Interpretationsmöglichkeiten erkennt./quote]

Es gibt m.M.n. keine abweichende Interpretationsmöglichkeit. Die Formulierung der Übergangsbestimmung ist schlecht, aber sie lässt eine Interpretation von wegen "dann läuft die Frist nochmal sechs Monate länger" einfach nicht zu. Und wenn das dann eine größere Anzahl Anwälte für die richtige Interpretation halten, finde ich das halt schockierend.
 

Han Solo

SILBER - Mitglied
Die Formulierung IST mißverständlich; natürlich ist "klar" was das EPA uns damit sagen wollte; aber : es hat dies nicht gesagt. Auch unsere Juristen waren der Ansicht, dass der Wortlaut die von Patente24 ins Spiel gebrachte Interpretation zumindest zuläßt (ob sie dann "richtig" ist, ist eine ganz andere Frage). Wir haben aber uns dann trotzdem für die plakative auf den ersten Blick hin eingängige Variante entschieden....
 

grond

*** KT-HERO ***
Han Solo schrieb:
Auch unsere Juristen waren der Ansicht, dass der Wortlaut die von Patente24 ins Spiel gebrachte Interpretation zumindest zuläßt
Das verstehe ich beim besten Willen nicht. Da steht:

"Laufen die Fristen am 1.April 2010 noch, so werden sie mindestens 6 Monate weiterlaufen"

Da steht NICHT:

"Laufen die Fristen am 1. April 2010 noch, so werden sie um 6 Monate verlängert."

Warum also sollte die Regelung besagen, dass die Restfrist des Beispiels von vier Tagen auf rein zufällig sechs Monate plus vier Tage aufgestockt wird? Woher nehmt Ihr die Gewissheit, dass das "mindestens" sich dann an der Restfrist ausrichten soll?

Oder haben wir es hier mit einem Problem der neuen Rechtschreibung zu tun? "Weiter laufen" vs. "weiterlaufen"? Und interpretiert hier jemand "weiter" als Komparativ, dem das Gegenstück fehlt? "Die Frist läuft noch sechs Monate weiter (als vorher)"?

Ich verstehe die alternative Interpretation, ich sehe nur nicht, dass sie eine gültige Interpretation des Wortlautes wäre.
 

Patente24

BRONZE - Mitglied
grond schrieb:
Das verstehe ich beim besten Willen nicht. Da steht:

"Laufen die Fristen am 1.April 2010 noch, so werden sie mindestens 6 Monate weiterlaufen"

Da steht NICHT:

"Laufen die Fristen am 1. April 2010 noch, so werden sie um 6 Monate verlängert."

gültige Interpretation des Wortlautes wäre.
Lieber grond,

es steht da aber auch nicht, dass die Fristen am 1.10.2010 ablaufen. Korrekterweise hätte die Formulierung lauten müssen:

Laufen die Fristen am 1. April 2010 noch, so werden sie ab Inkrafttreten der Regelung (1.4.2010) noch mindestens 6 Monate weiterlaufen.

Das wäre eindeutig!

Der erste Absatz in Artikel 3 des Amtsbaltts 5/2009 lautet jedoch:
Sind die Fristen gemäß der geänderten Regel 36(1) EPÜ vor dem 1. April 2010 abgelaufen, so kann eine Teilanmeldung noch innerhalb von sechs Monaten nach diesem Datum eingereicht werden.

Hier wird ganz klar Bezug genommen auf die 24-Monats-Endfrist und das Datum, ab wann 6 Monate + zu notieren sind.

Im nachfolgenden Satz, der die zum 1.4.2010 noch laufenden Fristen betrifft, steht jedoch kein Bezug auf das Datum 1.4.2010, ab dem die Frist zu berechnen ist.

Also ist die Formulierung UNKLAR!!!

Ich gebe Die vollkommen Recht, dass der Terminus "mindestens" eine exakte Fristennorierung unmöglich macht und man alleine schon deshalb auf die korrekte Interpretation kommen muss. Das ändert aber nichts daran, dass die vom EPA gewählte Formulierung nicht eindeutig ist.

Man könnte die Argumentation sogar noch weiter spinnen und behaupten, dass ein Patentanmelder, dessen "24-Monatsfrist am 30.9.2010 abläuft benachteiligt ist, da er ja nur noch 1 Tag Frist hätte, eine Teilanmeldung einzureíchen, wohingegen ein Patentanmelder, dessen "24-Monatsfrist" vor dem 1.4.2010 endet mindestens 6 Monate (oder mehr) hat. Dieses Argument kann man selbstverständlich nicht anbringen, wenn eindeutig auf den Starttermin der Fristenberechnung Bezug genommen werden würde. Wurde aber nicht!

Also, wie man es dreht und wendet, die Formulierung ist und bleibt unklar und sollte nachgebessert werden.
 

Patente24

BRONZE - Mitglied
P.S (Nachtrag).: Es kann sein, dass der eine oder andere meine grammatikalische Konstruktion aus Konkunktiv II und Passiv nicht verstehen wird. (häh, was für´n Zeug?)

Der- oder Diejenige sollte sich besser aus dieser Diskussion heraushalten.
 

grond

*** KT-HERO ***
Patente24 schrieb:
Also ist die Formulierung UNKLAR!!!
Sie ist zweifellos misslungen. Ob sie auch unklar ist, bin ich mir nicht so sicher.


Ich gebe Die vollkommen Recht, dass der Terminus "mindestens" eine exakte Fristennorierung unmöglich macht und man alleine schon deshalb auf die korrekte Interpretation kommen muss.
Wenn man zu der korrekten Interpretation kommen muss, dann ist die Formulierung auch klar. Das würde ich jedenfalls gegenüber jeder Prüfungsabteilung so verteidigen. Es mag eine missglückte Formulierung sein, die erst einmal ein "häh?" provoziert und durch eine bessere Formulierung ersetzt werden kann, aber eine andere haltbare Interpretation scheint es erst einmal nicht zu geben. Und wenn der Durchschnittsfachmann am Ende zu der richtigen Interpretation gelangen muss, ist eine Formulierung auch klar...
 

Tiger-Pat-Ente

SILBER - Mitglied
Ich bin mit den obigen Threads einig, die Übergangsbestimmung und auch die Regel selbst sind schlecht formuliert und lässt beide Auslegungen zu.

Hilfe bei der Auslegung könnte eine Mitteilung des Amtes bieten: http://www.epo.org/patents/law/legal-texts/InformationEPO/archiveinfo/20090820_de.html

Interessant finde ich auch den Hinweis unter c) des genannten Dokuments: Für die Berechnung sowohl der 24-Monatsfrist für die freiwillige Teilung als auch der für die obligatorische Teilung von Anmeldungen gilt die in Regel 126 (2) EPÜ vorgesehene Zehn-Tage-Regel.

So klar geht das aus der Regel 36 (1)a nicht hervor. Dort heisst es, dass a) die Teilanmeldung vor Ablauf einer Frist von vierundzwanzig Monaten nach dem ersten Bescheid der Prüfungsabteilung zu der frühesten Anmeldung eingereicht wird, zu der ein Bescheid ergangen ist.

Man hätte hier auch schreiben können "nach Erhalt des ersten Bescheides". Das hätte dann automatisch die 10-Tage-Regel impliziert.

Mein Eindruck ist, dass die nötige Sorgfalt bei der Formulierung der Regeln verloren gegangen ist.
 
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