Schutzumfang: polymer having 'an' xy group...

B

Bioklempner

Guest
wie versteht ihr diese Formulierung eines Anspruches vor dem EPA:
"polymer having an xy group"

1) Polymer hat eine oder mehrere xy-Gruppen (i.e. "at least one")
oder
2) Polymer hat genau eine xy-Gruppe (i.e. "exactely one")

Bitte um Vorschläge. Gibt es Rechtsprechung dazu?

Vielen Dank!
 

Horst

*** KT-HERO ***
Gleich vorweg, mein Urteil basiert auf meiner bisherigen Erfahrung, Rechtsprechung zu diesem Punkt kenne ich nicht.

Die Formulierung geht eher in Richtung 1).

Irgendetwas weist eine xy-Gruppe auf. Wenn zwei oder Gruppen dranhängen, ist auch das Merkmal "eine Gruppe" erfüllt.

Wäre genau eine Gruppe gemeint, würde wohl eher "one" als Zahlwort anstatt des unbestimmten Artikels stehen.

Letztendlich ist es aber nur anhand der Beschreibung festzumachen. Eventuell funktioniert die Erfindung ja nur mit genau einer Gruppe. Dann wäre der Anspruch natürlich entsprechend anders auszulegen.
 
G

grond

Guest
Bioklempner schrieb:
wie versteht ihr diese Formulierung eines Anspruches vor dem EPA:
"polymer having an xy group"

1) Polymer hat eine oder mehrere xy-Gruppen (i.e. "at least one")
oder
2) Polymer hat genau eine xy-Gruppe (i.e. "exactely one")
Ich spreche mich klar für 1. aus. Wiese die Beschreibung daraufhin, dass die Erfindung nur mit genau einer xy-Gruppe funktioniert, wie Horst überlegt, dann bestünde der Prüfer garantiert auf die Aufnahme dieses wesentlichen Merkmals in den Anspruch...
 
O

Optionator

Guest
Ich tendiere auch zu Option 1. Wobei es schwierig werden könnte, z.B. im Prüfungsverfahren den Wortlaut in "polymer having two xy groups" oder "polymer having at least two xy groups" zu ändern, wenn dies nicht direkt und eindeutig offenbart ist.
 
P

Plempi

Guest
(0. Das Thema gehört nicht hierher, sondern in die Fachdiskussion.)

  • Ich würde keinem (EPA)-Prüfer pauschal vertrauen, sondern alles selbst nachlesen.
  • Mir wurde beigebracht, wobei ich davon ausgehe, dass anderen das genauso beigebracht wurde, containing und comprising NICHT gleich zu lesen; also wie kann ich aus having sowohl containing als auch comprising herauslesen?
  • In solchen Fällen würde ich immer die Beschreibung heranziehen, da bei Unklarheit der Ansprüche das nicht ohne Grund gemacht wird. Schließlich habe ich keine Lust, die Unfähigkeit irgendwelcher Kritzler zu interpretieren, die nicht in der Lage sind konkrete Ansprüche zu formulieren. Und wenn die Beschreibung nichts anderes als eine xy-Gruppe offenbart, dann ist nicht eine oder mehrere gemeint, sondern eine einzige.
 
S

Softie

Guest
(Och nö, nicht schon wieder die alte Diskussion...)

Die Prüfungs-RiLi mahnen zur "weiten Auslegung":

C - III 4.13 "beinhalten" gegenüber "bestehen aus"
Während in der Alltagssprache das Wort "beinhalten" sowohl die Bedeutung "einschließen", "umfassen" oder "enthalten" als auch "bestehen aus" haben kann, ist bei der Abfassung von Patentansprüchen aus Gründen der rechtlichen Klarheit in der Regel eine weite Auslegung im Sinne von "einschließen", "umfassen" oder "enthalten" erforderlich. Werden andererseits in einem Anspruch für eine chemische Verbindung, "bestehend aus den Komponenten A, B und C", die Anteile dieser Komponenten in Prozent ausgedrückt, so ist das Vorhandensein einer zusätzlichen Komponente ausgeschlossen, weshalb sich die Prozentangaben zu 100 % ergänzen müssen (siehe T 759/91 und T 711/90, beide nicht im ABl.
veröffentlicht).
 
B

Brite

Guest
Oder auch auf Englisch (weil in der Fragestellung die englischen Begriffe verwendet werden):

"Comprising" vs. "consisting"

While in everyday language the word "comprise" may have both the meaning "include", "contain" or "comprehend" and "consist of", in drafting patent claims legal certainty normally requires it to be interpreted by the broader meaning "include", "contain" or "comprehend". On the other hand, if a claim for a chemical compound refers to it as "consisting of components A, B and C" by their proportions expressed in percentages, the presence of any additional component is excluded and therefore the percentages should add up to 100% (see T 759/91 and T 711/90, both not published in OJ).
 
G

gast99

Guest
[quote:plempi]2. Mir wurde beigebracht, wobei ich davon ausgehe, dass anderen das genauso beigebracht wurde, containing und comprising NICHT gleich zu lesen; also wie kann ich aus having sowohl containing als auch comprising herauslesen?

Wo liegt denn der Unterschied bei containing und comprising?
Was wurde dir dazu gesagt? Mein Ausbilder sagt, dass diese gleichbedeutend wären
 

Horst

*** KT-HERO ***
Es geht hier allerdings nicht um die Wendungen "comprising" oder "consisting of" oder "containing" sondern um die Auslegung von "having" bzw. darum, ob "having" mit "comprising" zu vergleichen ist (meiner Ansicht nach ja).

Es gilt wie immer: "Die ganze Anmeldung lesen und die Ansprüche entsprechend auslegen."

Wobei mir die Diskussion anhand des dünnen Sachverhalts erschöpft scheint. Geht es denn bspw. um eine Entgegenhaltung im Prüfungsverfahren, eine Verletzung oder eine Neuanmeldung ?
 
P

Plempi

Guest
@ Gast99

"Wo liegt denn der Unterschied bei containing und comprising?"

Mir wurde das folgendermassen erklärt. Bei containing ist der Stoff oder die Gruppe zwingend vorhanden. Bei comprising kann der Stoff oder die Gruppe vorhanden sein.

Es kann aber sein, dass das eine kanzleiinterne Auslegung ist, die bei anderen Kanzleien nicht gilt. Ferner kann es sein, dass das vor keinem Amt bestand hat.

Ich habe schon Ansprüche gesehen, in denen von einer Verbindung die Rede ist, während die Beschreibung zwischen einer Verbindung und mehreren Verbindungen hin un her schwankt. Ich habe da keine Ahnung wie das auszulegen ist. Ich glaube, dass man das trotzdem als mehrere Verbindungen auslegen würde.

Ich habe aber auch schon Anmeldungen gesehen, die in der Beschreibung definieren, was unter "contains", "comprises" usw. verstanden werden soll. Vielen Dank an alle, die das so machen, spart verdammt viel Zeit an sinnloser Auslegerei, was der Anmelder gemeint haben könnte und wie das eventuell vor Gericht ausgelegt würde.

Es wäre deshalb angenehmer, wenn man in den Ansprüchen eindeutig sagen könnte, was man meint, d.h. auslegungsbedürftige Formulierungen wie "having an", was im Deutschen oft mit "weist eine ... auf" übersetzt wird, weglassen würde.
 
G

Gast3

Guest
@ Plempi: "Ich habe aber auch schon Anmeldungen gesehen, die in der Beschreibung definieren, was unter "contains", "comprises" usw. verstanden werden soll. Vielen Dank an alle, die das so machen, spart verdammt viel Zeit an sinnloser Auslegerei, was der Anmelder gemeint haben könnte und wie das eventuell vor Gericht ausgelegt würde."

Dem kann ich nur zustimmen! Wir definieren das auch in der Anmeldung, auch solche Begriffe wie "entsprechend" etc. Das wirkt im ersten Moment vielleicht ziemlich bürokratisch, kann aber sehr helfen wenn man in einer mündlichen Verhandlung ist. Zumindest erleben wir immer wieder das Generve und Wort-gezackere, wenn es um alte Anmeldungen/Patente (6-10 J alt) geht, die in eine MV, Einspruchs- oder Beschwerdeverhandlung gehen - und bei denen die Wortwahl in Claims und Beschreibung nicht konform war und eben auch klare Definitionen fehlen.
 
G

grond

Guest
Gast3 schrieb:
Wir definieren das auch in der Anmeldung, auch solche Begriffe wie "entsprechend" etc.
Fortgeschrittene Patentanwaltsparanoia, würde ich sagen. Wie definiert man "entsprechend", ohne definitionsbedürftige Wörter zu benutzen? Genau diese Anmeldungen sind es meiner Erfahrung nach, die kein Mensch mehr lesen und verstehen kann. Vielleicht braucht man dann bei so unverständlichen Anmeldungen die ganzen Definitionen, wodurch diese dann aber zum Selbstzweck werden. Alternativ könnte man ja auch einfach Anmeldungen mit Gehalt auf wenig Raum schreiben, die andere Menschen auch noch nachvollziehen können. Natürlich gibt es immer wieder definitionsbedürftige Wörter, aber wenn ich schon mit "enthalten" oder "entsprechend" anfange, ist mir wohl der Blick für das Wesentliche verloren gegangen. Ich persönlich habe im ersten Kandidatenjahr sehr lange Beschreibungen und riesige Anspruchssätze produziert, das habe ich im zweiten Jahr dann wieder eingedämmt, weil die ganze heiße Luft einem eh nichts bringt. Wo keine Erfindung ist, schreibt man auch keine zusammen.

Tut mir leid, wenn das ein wenig hart ist, aber für mich ist ein wichtiger Maßstab für die Qualität einer Anmeldung immer noch, wie verständlich und lesbar sie geschrieben ist.
 
G

Gast3

Guest
@ grond "Fortgeschrittene Patentanwaltsparanoia..."

Ja, mag so klingen, nach den ersten MVs jedoch, in denen aufgrund fehlender Definitionen (auch eben solcher!) der Schutzumfang letztlich nicht so hoch war, wie er hätte sein können, fängt man an, anders zu denken.
Hier gehört "entsprechend" in den Bereich beschriebener Vergleiche, z.B. transgen - nicht transgen.
Und, zugegebenermaßen, die Anmeldungen werden dadurch dicker - keiner findet das super - aber nach so einigen Erfahren in den Prüfungs- etc. Verfahren, entwickelt man entsprechende "Paranoia".

Allerdings: wir arbeiten im Bereich der Bio-/Gentec-Erfindungen (C12N / Ao1H), da kommen sicher andere Sachen zum Tragen als z.B. im Maschinenbau.
 
P

Plempi

Guest
@ Gast-1

Ich habe das so verstanden:

z.B. (um bei der Anfangsfrage zu bleiben):
"polymer containing an xy group"
das Polymer muss die xy-Gruppe enthalten

"polymer comprising an xy group"
das Polymer kann die xy-Gruppe enthalten, muss aber nicht
 
G

GAST_DELETE

Guest
Plempi schrieb:
@ Gast-1

Ich habe das so verstanden:

z.B. (um bei der Anfangsfrage zu bleiben):
"polymer containing an xy group"
das Polymer muss die xy-Gruppe enthalten

"polymer comprising an xy group"
das Polymer kann die xy-Gruppe enthalten, muss aber nicht
Tut mir leid, es mag ja sein, dass in Patentsprech einige Besonderheiten zu beachten sind. Ein Wort wie "comprise" allerdings, das in den meisten Wörterbüchern (u.a. LEO) mit beinhalten, umfassen, bestehen aus usw. übersetzt wird, mag ja in diesem Zusammenhang ("comprising an xy group") dahingehend interpretiert werden, ob nur xy-Gruppen enthalten sind oder etwa auch noch andere Gruppen (m.E. können auch noch weitere Gruppen enthalten sein).

Es kann jedoch nicht dahingehend verstanden werden, dass die xy-Gruppe nur optional enthalten ist! Das wäre gleichbedeutend mit der Aussage, dass das "Polymer, das xy-Gruppen enthält", keine xy-Gruppen zu enthalten braucht. Eine solche Interpretation wird tatsächlich nirgendwo akzeptiert werden.
 
G

grond

Guest
Plempi schrieb:
Ich habe das so verstanden:

"polymer comprising an xy group"
das Polymer kann die xy-Gruppe enthalten, muss aber nicht
Dann würde ein Patentanspruch, der eine Verbindung, die eine beliebige Liste von xy-Gruppen "comprises", sämtliche existierende Verbindungen beanspruchen. Kann ja irgendwie nicht sein.

Als einzigen relevanten Unterschied kenne ich "enthalten", "umfassen", "beinhalten" vs. dem bösen-bösen "bestehen aus". Letzteres ist abschließend und damit der Killer schlechthin.
 
G

grond

Guest
Gast3 schrieb:
Ja, mag so klingen, nach den ersten MVs jedoch, in denen aufgrund fehlender Definitionen (auch eben solcher!) der Schutzumfang letztlich nicht so hoch war, wie er hätte sein können, fängt man an, anders zu denken.
Okay, ich bin Ingenieur, vielleicht mag es da tatsächlich solche Unterschiede geben. Und unsere Mandantschaft ist nicht sehr streitlustig und hält den Kopf ansonsten lieber unten, von daher haben wir kaum Verletzungsfälle (in meiner Zeit keinen!). Die ganzen Aufweichungen und Verbreiterungen vergrößern aber auch die Zielscheibe im Erteilungsverfahren und bei Einsprüchen. Ich bin da weiterhin eher für prägnante Formulierungen. Ich kriege jedesmal eine Wut, wenn einem armen Einzelerfinder eine Anmeldung geschrieben wird, in der sicherheitshalber erstmal das Auto beansprucht wird; der neuartige Zigarettenanzünder kommt dann im 37. Unteranspruch...

Am traurigsten sind die Fälle, bei denen nach lauter "kann sein, kann aber auch nicht sein"-Formulierungen am Ende Art. 84 in voller Härte zuschlägt. Da könnte ich dem Mandanten keine Rechnung mehr schicken...
 
P

Plempi

Guest
"Am traurigsten sind die Fälle, bei denen nach lauter "kann sein, kann aber auch nicht sein"-Formulierungen am Ende Art. 84 in voller Härte zuschlägt. Da könnte ich dem Mandanten keine Rechnung mehr schicken... "

Die tatsächlich Anzahl der Ansprüche hängt aber von der Geschicktheit des Anwalts ab. Ich habe Anmeldungen gesehen, in denen in der Beschreibung die Ansprüche verdeckt formuliert wurden als unzählige Aspekte der Erfindung. Die tatsächlichen Ansprüche betrugen dabei nur einen Bruchteil.

Aber da ich von Patenten absolut keine Ahnung habe ist es auch nicht so wichtig, dass das was ich gesagt habe eigentlich nicht stimmt. Ich arbeite ja nur als Aushilfe auf 1€-Basis in einer Kanzlei. Da schnappt man schon so einiges auf, allerdings auch sehr viel falsches.

Nur noch als abschließende Bemerkung zu Worten wie umfasst, beinhaltet, schließt ein, besteht aus: völliger Quatsch. Da man bei der Formulierung von Ansprüchen immer mit Gruppenlehre zu tun hat, gibt es sicherlich bessere Möglichkeiten, um auszudrücken, ob eine Auflistung als geschlossene oder offene Gruppe aufgefasst werden soll, von denen dann genau ein, mindestens ein oder mehr als ein oder was auch immer Vertreter vorhanden ist, wobei das zwingend oder optional sein soll.
 
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