EPÜ Rückwirkung R 62a(1) EPC

Fabio Castello

SILBER - Mitglied
Hallo Forum,

hab mal ne Frage an Euch. Hatte neulich einen Fall bei dem die EP-Anmeldung im Jahre 2007 war. Im Jahre 2010 (1.April) ist dann die neue R 62a in Kraft getreten. Diese gilt für alle PatAnm. die nach dem 1.April 2010 den EESR od. ESR erhalten.

Das Problem: Vor R 62a war es ja usus, dass man für alle unabh. Ansprüche eine Recherche bekam und sich dann erst im Prüfungsverfahren einschränken musste. Mit dieser 62a ist es nun so, dass man sich shon zuvor einschränken muss, und die Recherche dann nur mehr über den angegebenen Anspruch erstreckt wird.

Jeder mit einer Anmeldung vor 2010 aber mit search report nach 1 April 2010 wurde somit in anbetracht des Rechercheumfangs gegnüber jedem (mit gleichem Anmeldetag) der seinen search report noch vor 1 April 2010 erhielt benachteiligt.

Meiner Meinung nach handelt es sich dabei um eine "echte Rückwirkung"! Wie seht Ihr das? Wenn ja, ist das wohl ein sehr fragliches Vorgehen des EPA...

Welche Mittel habe ich gegen fehlerhafte/diskriminierende/oä.. Normen die vom Präsident des EPA erlassen werden?

Wo sind dazu Entscheidungen zu finden? (EPA-Homepage hat ja nur dürftige Urteile zum internen Verwaltungrsrecht...)

Viele Grüße!
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo Fabio Castello,

zunächst einmal: Auch schon vor dem 1.4.2010 gab es Beanstandungen aufgrund angeblicher Uneinheitlichkeit entsprechend der Vorgängerin der jetzigen Regel 64. Es war also keineswegs Usus, dass stets sämtliche unabhängigen Ansprüche recherchiert wurden. Im Gegenteil, auch abhängige Ansprüche wurden (und werden) aufgrund angeblicher Uneinheitlichkeit gerne nur gegen Zahlung einer zusätzlichen Recherchengebühr recherchiert (nebst Folgen im Prüfungsverfahren).

Jetzt ist nur eine zusätzliche Beanstandungsmöglichkeit hinzugetreten, die auch bei nach Auffassung des Prüfers vorhandener Einheitlichkeit greift, nämlich bei mehreren Ansprüchen einer Kategorie. Diesmal aufgrund der nach Auffassung des EPA deshalb fehlenden Klarheit. Deshalb ist es konsequent auch nicht möglich, diesen Mangel durch Zahlung einer zusätzlichen Recherchengebühr zu beheben, denn klarer wird es dadurch ja nicht.

Damit wird auch die Beantwortung Deiner weiteren Fragen deutlich, denn die Maßnahmen sind dieselben, wie schon immer in den Fällen des obigen ersten Absatzes:

Der Prüfer im Prüfungsverfahren muss überzeugt werden, dass bei einer Beanstandung nach Regel 62a die Klarheit im Sinne von Artikel 84 (bei Beanstandung nach Regel 64: die Einheitlichkeit im Sinne von Artikel 82) des ursprünglichen Anspruchssatzes mit den beiden unabhängigen Ansprüchen derselben Kategorie gegeben ist, natürlich neben der Erfüllung aller übrigen Anforderungen. Die Klarheit ist gegeben, wenn die Voraussetzungen von Regel 43 Absatz 2 erfüllt sind, wenn also bei zwei unabhängigen Ansprüchen derselben Kategorie eine der drei genannten alternativen Möglichkeiten getroffen ist.

Wird der Prüfer nicht überzeugt, gibt es die Beschwerde gegen die Zurückweisung der Anmeldung. Die Beschwerdekammer mit dem Argument zu konfrontieren, die Regel 62a sei völlig daneben, ist wohl eher nicht aussichtsreich. Bessere Chancen hätte man wohl mit dem Argument, der aktuelle Fall wäre doch einer der drei Alternativen aus Regel 43 Absatz 2 zuzuordnen oder hilfsweise vielleicht auch noch, diese Aufzählung sei mit den drei Alternativen noch nicht abgeschlossen, sondern solle lediglich die wichtigsten Fälle aufzählen. Falls das klappt, ware damit die unvollständige Recherche des EPA nachträglich als Fehler anzusehen und müsste imho ohne weitere Gebühren noch nachgeholt werden.

Falls Du Regel 62a für nicht durch das EPÜ gestützt ansiehst bist Du damit in guter Gesellschaft, etwa der des Kollegen Ehlers in seiner Kommentierung im Benkard zum EPÜ Artikel 92 in der Randnummer 38.

Frohes Schaffen
Blood für PMZ
 

Fabio Castello

SILBER - Mitglied
Dankeschön, für Deine hilfreiche Antwort!

Eine Frage stell ich mir doch noch. Kann man (und wenn ja wie) die Normen des EPÜ (oder zumindest die geänderten des Präsidenten) überprüfen lassen?(ähnlich einer "abstrakten Normenkontrolle"...) Wer wäre da dann zuständig? Gibt es solche Entscheidungen mit denen eine EPÜ-Norm aufgehoben wurde?

Viele Grüße!
 
Zuletzt bearbeitet:

EQE2009-Gast

*** KT-HERO ***
Kann man (und wenn ja wie) die Normen des EPÜ (oder zumindest die geänderten des Präsidenten) überprüfen lassen?(ähnlich einer "abstrakten Normenkontrolle"...) Wer wäre da dann zuständig? Gibt es solche Entscheidungen mit denen eine EPÜ-Norm aufgehoben wurde?

Eine abstrakte Normenkontrolle gibt es nicht. Art. 164(2) würde aber die Möglichkeit eröffnen, im Beschwerdeverfahren nach einer Zurückweisung zu argumentieren, dass eine durch Beschluss des Verwaltungsrats (wie R. 62a) oder vom Präsidenten erlassene Vorschrift im Widerspruch zum EPÜ steht (z.B. weil sie ultra vires ist) und nicht angewandt werden darf (vgl. vorherige Antwort).

Eine Entscheidung, in der das Erfolg hatte, kenne ich nicht. In J 5/81 wurde diese Argumentation verfolgt, hatte aber keinen Erfolg (J 5/81, r. 7).
 
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