Lieber Gernot,
niemand kann Dich zwingen, uns zu glauben, die den Markt von innen und schon wesentlich länger kennen. Aber ich kann mich gerne mal an einem Früher-Heute-Vergleich versuchen, um darzulegen, dass es sich hier nicht um Einbildungen handelt:
FRÜHER (bis 2008) mussten europäische Patente in die Sprachen der Länder, in denen sie gelten sollen, übersetzt werden. Daran haben viele Anwälte sehr gut verdient (i.d.R. vierstellige Beträge pro Übersetzung).
HEUTE werden kaum mehr Patente übersetzt, das Geschäft ist fast zusammengebrochen und hat einigen Kanzleien einen siebenstelligen Umsatzrückgang beschert.
IN ZUKUNFT (wahrscheinlich ab nächstes Jahr) wird dank des Gemeischaftspatents noch mehr Umsatz wegbrechen, weil die nationalen Validierungen nicht mehr nötig sind. Mit Vertretungshonoraren für Sekretariatsarbeit in Validierungsakten ist dann Schluss.
FRÜHER (bis vor ein paar Jahren) wurden Jahresgebühren meistens über die Kanzleien eingezahlt. Dafür wurden hohe Gebühren berechnet, obwohl es sich um simple Sekretariatsarbeit handelt.
HEUTE gibt es spezialisierte Dienstleister, die die gleiche Arbei für einen Bruchteil der Kosten erledigen. Das Geschäft bricht faktisch weg.
FRÜHER (bis vor ein paar Jahren) war es üblich, dass Patentanwälte als Vertreter gegenüber dem Amt auftreten und dafür hohe Basishonorare etc. bekamen.
HEUTE verwalten immer mehr Mandanten ihre Patente selbst und mandatieren nur noch selektiv - mal eine Anmeldung hier, mal eine Bescheidserwiderung dort. Das macht insgesamt mehr Arbeit (weil man sich immer wieder neu einarbeiten muss), lässt sich aber nur schlechter abrechnen.
FRÜHER (bis etwa 2008) spielten Preise kaum eine Rolle, weil Patentanwälte ein knappes Gut waren.
HEUTE wollen immer mehr Mandanten über Preise verhandeln und verlangen Zugeständnisse. Sie wissen, dass die Arbeit auch jemand anders machen kann.
FRÜHER (bis etwa 2000) haben sich Rechtsanwälte nur gelegentlich in den Markenbereich getraut.
HEUTE drängen sie immer mehr in die nicht so technischen Schutzrechte wie Marken und Geschmacksmuster.
Und dazu ist nunmal zu berücksichtigen: Die Anzahl der Patentanwälte hat sich seit 2000 etwa um die Hälfte erhöht. Das ist eine ganze Menge. Die Budgets der Mandanten haben sich in dieser Zeit sicher nicht inflationsbereinigt um die Hälfte erhöht. Außerdem geht noch ein Teil des Geldes für die Auszahlung von Altpartnern drauf. Der pro arbeitendem Patentanwalt zur Verfügung stehende Betrag sinkt damit deutlich.
Mit der Kandidatenschwemme einher geht das Phänomen der vielen Ein-Mann-Kanzleien, die sich mit Kampfpreisen gerade so durchschlagen.
Dass es sich hier um einen Einmaleffekt oder eine vorübergehende Schwankung handelt ist ziemlich unwahrscheinlich, solange die Ausbildungsmaschinerie auf vollen Touren weiterläuft. Erst wenn entweder die Kandidatenmühlen die Konkurrenz durch ihre ehemaligen Kandidaten zu spüren bekommen, oder wenn es sich bei den Bewerbern herumspricht, dass der Beruf nicht hält was er verspricht, wird es hier zu einer Wende kommen. Wann das sein wird, vermag ich nicht zu prognostizieren.