Allg. Praktisch-technische Tätigkeit und Gehalt in der Ausbildung

nemo1997

Schreiber
Hallo zusammen,

ich stehe kurz vor dem Abschluss meines Physik Masters und würde langfristig gerne die Patentanwaltsausbildung machen. Ich habe ein paar allgemeine Fragen und würde mich über Antworten freuen.

Als erstes zu dem Jahr praktisch-technischer Tätigkeit, das man nachweisen muss: Ich habe bisher immer Datenanalyse gemacht, hätte aber evtl. die Möglichkeit, im Bereich Hardwareentwicklung (in der Astrophysik) zu promovieren. Allerdings weiß ich noch nicht, wie praktisch diese Tätigkeit tatsächlich wäre. Es kann auch sein, dass ich nur Software entwickle, um mit der Hardware zu kommunizieren. In dem Fall würde das nicht anerkannt, oder? Ich schätze, wenn ich ein paar Jahre als Software-Entwicklerin in einem Unternehmen arbeite, sieht das ähnlich aus...? Die sicherste Option wäre wahrscheinlich eine Promotion in der Industrie oder an einer TU.

Die zweite Frage betrifft das Gehalt in der Ausbildung: Verdient man konstant Geld? Oder gibt es immer wieder Ausfälle, z. B. wenn man sich auf Prüfungen vorbereiten muss und nicht arbeiten kann? Wie oft und wie lang ist das ggf. der Fall?

Ich finde den Beruf des Patentanwalts sehr spannend, weil ich Spaß am präzisen Formulieren habe und auch daran, mich immer wieder in neue Themen einzuarbeiten. Der juristische Aspekt dabei interessiert mich auch. Was mich abschreckt, ist allerdings die Perspektive, mindestens in den nächsten 6 Jahren noch keinen festen Job zu haben, weil ich mich immer noch in der Ausbildung befinde... Vielleicht möchte ja jemand seine Erfahrungen dazu teilen. Mich würde auch interessieren, wie lange es realistisch betrachtet nach dem Master Abschluss dauern kann, bis ich als fertige Patentanwältin arbeite.

Liebe Grüße!
 

Userin

Vielschreiber
Hey Nemo 1997,

Zu der praktischen Tätigkeit kann ich dir leider in dem Bereich wenig sagen. Vielleicht kannst du mal beim DPMA nachfragen.
Zu dem Gehalt kann ich dir aus meiner Erfahrung und zukünftigen Planung sagen (ich bin seit zwei Jahren Kandidatin), dass man bis zum Amtsjahr konstant sein Gehalt bekommt und der Urlaub zum vorbereiten auf die Prüfungen ganz gut reicht.
Während dem Amtsjahr ist es dann etwas schwieriger. Da muss man dann nebenbei freiberuflich arbeiten. Was ich da aber in Aussicht gestellt bekommen habe, reichen da wenige Stunden die Woche, um auf ein ähnliches Gehalt zu kommen.
Es kann aber sein, dass gegen Ende der Ausbildung mal 1-2 Monate kein Arbeiten möglich ist. Da stehen dann unter Umständen innerhalb kürzeren Zeit gleich mehrere Prüfungen an. Aber ich bin zuversichtlich, dass sich so ein kurzer Zeitraum finanziell gut überbrücken lässt.
Wenn du in der Ausbildung auch ganz gute Arbeit machst, ist es auch durchaus denkbar, dass das Gehalt nochmal um ein paar 100€ im Monat während der Ausbildung steigt.
Ich denke realistisch sind ca 4 Jahre für die Ausbildung. Es geht vllt. auch etwas schneller, wenn man direkt angemeldet wird und die Prüfungen gleichzeitig absolviert. (Ich war im Nachhinein froh, nicht direkt noch die Einsendeaufgaben, zusätzlich zu der anfangs komplett neuen Arbeit in der Kanzlei, machen zu müssen).
Letztendlich braucht es aber auch einfach Zeit und Erfahrung um den Beruf zu lernen.
Deine Bedenken kann ich total nachvollziehen. In deinem Fall kannst du dir ja immerhin aber 2-3 Jahre sparen, wenn du ein praktisches Jahr, anstelle einer Promotion machst.

Liebe Grüße
 

DMX

BRONZE - Mitglied
Die erste Frage kannst du mit dem DPMA klären, am besten vorab, sie sind letztlich die Entscheider darüber. Hier im Forum gibt es auch einige Beiträge zu dem Thema. Allgemein ist aber eine Promotion nicht der sicherste und erst recht nicht der schnellste Weg, das Jahr technische Tätigkeit zu sammeln.

Zur zweiten Frage: im Regelfall bist du für die gesamte Ausbildung (bis zum Amtsjahr) angestellt und bekommst dein normales Festgehalt wie in jedem anderen Job auch. Manche Kanzleien zahlen viel, andere wenig, manche ein konstantes Gehalt, andere ein variables. Die Spanne der Gehälter ist sehr groß, von 35k€/Jahr bis 78k€/Jahr habe ich alles gehört, daher lieber mit mehreren Kanzleien sprechen. Unterm Strich aber weißt du schon vor Vertragsunterschrift, was auf dich zukommt und kannst dich entsprechend anpassen.

Die Prüfungsvorbereitung bis zum Amtsjahr läuft ganz gut nebenher (abends, an Wochenenden) oder mit einzelnen Urlaubstagen, es sind ja auch wenige Prüfungen. Eine entspannte Zeit ist es selten, erst recht wenn die Aktenarbeit gerade eine heiße Phase hat, aber man gewöhnt sich schnell und gut dran. Die Einsendearbeiten für Hagen kann man eigentlich immer an einem Wochenende abbügeln. Die paar Referate für die AGs sind schnell zusammenkopiert in eigenständiger, gewissenhafter Arbeit erstellt. Für Hagen I ist ohnehin ca. eine Woche Urlaub angesagt (ist ja inzwischen wieder in Präsenz), das langt mit den paar vorangehenden Abenden/Wochenenden. Für Hagen II sollten auch 1-2 Wochen reichen. Geht alles ohne negativen Einfluss auf die Arbeit, kommt halt obendrauf und zerrt am Urlaubsanspruch.

Spannend wird es im Amtsjahr. Auch wenn einiges online ist, ist man nun mal in Vollzeit "angestellt" und kann nicht frei über die eigene Zeit verfügen. Manche Kanzleien sollen ihre Kandidaten auch im Amtsjahr weiterbezahlen oder durch Vorschüsse finanzieren, das kenne ich nur vom Hörensagen. Die meisten Kanzleien lassen dich freiberuflich weiterarbeiten, das geht ganz gut nebenher, aber es kommt auch entsprechend viel oder wenig rum. Je nach eigenem Anspruch sind selbst mit nach den Umständen entspannter Nebentätigkeit idR 2-3k€ im Monat drin (Brutto, aber versteuert wird ja erst im Folgejahr, ist also vom Cashflow her flexibler als 2k€ Festgehalt als Angestellter). Davon kann man in München freilich nicht leben, aber es ist sicher besser als 0€ und ich fand es auch wichtig, nicht komplett aus der Aktenarbeit auszuscheiden. Es sei aber wärmstens empfohlen, sich für das Amtsjahr derart finanziell vorzubereiten, dass keinerlei Leistungspflicht vorliegt und jeder dazuverdiente Euro lediglich der finanziellen Entspannung und anwaltlichen Übung dient. "Vorbereiten" kann durch Sparen, durch berufstätige/n Partner/in, durch abrufbare Hilfen von Eltern o.ä., durch Kredite erfolgen, muss jeder selber etwas für die eigene Situation überlegen. Dass du dir jetzt schon Gedanken darüber machst, ist jedenfalls ein sehr gutes Indiz.

In der Vorbereitungszeit vor der Assessorenprüfung würde ich von nennenswerter Aktenarbeit gänzlich abraten, da hat man genug Stress. Erst recht, wenn man im Februar die Assessorenprüfung und gleich im März die EQE schreibt. Das sind aber je nach Prüfungssituation und eigener Lernweise ja "nur" 1 bis 3 Monate Vollzeitlernen ;)

Es ist also wirklich "normaler Job" --> "Amtsjahr/Prüfungszeit irgendwie durchbringen" --> Patentanwalt. Haben viele vor dir auch schon geschafft. Das Gefühl der Unsicherheit kommt eher aus dem Lernstress und nicht aus dem Finanziellen (mal von Sonderfaktoren wie Kinder, Immobilienkredite usw. abgesehen).

Und zur letzten Frage wie lange es dauert: ich wurde nach der 6-monatigen Probezeit in einem Januar zur Ausbildung beim DPMA gemeldet und habe dreieinhalb Jahre später meine Vereidigung gehabt. Zzgl. der praktischen Tätigkeit reden wir also von 4 bis 5 Jahren, wobei 4 schon sehr straff und mMn übertrieben wäre. Für die EQE braucht es ja auch mind. 3 Jahre zu einem März. Einiges entscheidet sich auch je nachdem, in welchen DPMA-Turnus man hineinkommt (Assessorenprüfung in Februar und EQE im März ist das "schnellste", aber auch das intensivste).

Nach alldem bleibt nur, dir viel Erfolg auf dem Weg in unseren Beruf zu wünschen!
 
Zuletzt bearbeitet:

nemo1997

Schreiber
Vielen Dank für eure ausführlichen Antworten! :) Jetzt kann ich die Ausbildung schon etwas besser einschätzen. Ich habe mal eine Mail ans DPMA geschickt und um eine Einschätzung meiner Optionen für das parktisch-technische Jahr gebeten. Mal schauen, was zurückkommt.
 

PriorArtDefense

SILBER - Mitglied
Auch hier möchte ich für die Frage nach der praktischen technischen Tätigkeit auf GRUR 2022, 694 hinweisen. Endlich mal ein Beitrag, der die allermeisten Fragen im Zusammenhang mit den Zugangsmöglichkeiten zum Patentanwaltsberuf aufgreift und einen Überblick über die jüngere Praxis des DPMA gibt. Zugriff hast du vermutlich über deine Universitätsbibliothek und beck-online. Viel Erfolg!
 
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