Pleiten Pech und Pannen

Dr. Ohne

BRONZE - Mitglied
Bisher schien das Patentgeschäft ja von der Krise noch einigermassen glimpflich davonzukommen, aber das dicke Ende kommt wohl noch.

Vor ein paar Tagen habe ich gehört, dass eine der grösseren Kanzleien in München Schwierigkeiten mit Ihrem Cashflow hat und evtl. bis zum Sommer mit der Zahlungsunfähigkeit zu rechnen ist, falls sich die Lage bis dahin nicht bessert, wonach es momentan nicht aussieht. Diese Kanzlei hat ein erhebliches Japan-Geschäft (vielleicht 80% oder mehr) und dürfte nun folgendes Problem haben: Mit dem London Agreement ist vor weniger als einem Jahr ein erheblicher Teil des Geschäfts weggebrochen (vielleicht 20%?), mit dem eine ganze Horde Kandidaten beschäftigt werden konnte. Der Wirtschaft geht es schlecht und der japanischen ganz besonders (Exporte um ca. 50% runter im Vergleich zum Vorjahr). Das japanische Geschäftsjahr endet am 31. März. Danach rechnen die Firmen mit neuen Budgets. Für Patente dürfte da bei den großen Firmen wesentlich weniger drin sein, und bei den grossen Autofirmen und deren Zulieferern ganz besonders wenig. Schlecht, wenn man vom Japangeschäft abhängig ist. Auch in USA und Europa sieht es düster aus. Der Markt schrumpft also ganz erheblich und Kanzleien werden mit niedrigeren Preisen reagieren, um im Konkurrenzkampf zu bestehen. Das bedeutet einen geringeren Marktpreis für weniger Arbeit.

Dazu kommen Geschichten wie diese merkwürdige Order von Siemens, keine Aufträge mehr an externe Patentanwälte herauszugeben - die Order lautete wohl eigentlich, nichts mehr an blutsaugende Consultants a la McKinsey zu geben. Irgendwer kam dann auf die schlaue Frage, ob "Attorneys" auch als Consultants zählen, was kurzerhand mit ja beantwortet wurde. Tja, und da fallen nun auch die Patentanwälte runter.

Also was erwartet uns? Hier meine persönliche total unwissenschaftliche Prognse: Die Wirtschaft schrumpft um 10% bis 15% in 2009; die Talsohle wird frühestens 2010 erreicht. Anmeldezahlen in DE und EP gehen um 20-30% zurück, Anmeldungen aus dem Ausland vielleicht sogar noch mehr. Ob die Preise langfristig sinken, ist fraglich, da wohl irgendwann die Notenpresse angeworfen wird, schon um diese ganzen absurden Konjunkturprogramme zu finanzieren, ist dann aber auch egal. Patent Professionals mit deutscher und/oder eur. Qualifikation werden für Firmen plötzlich viel erschwinglicher als jetzt, was wiederum schlecht für Kanzleien ist. Die Party ist jedenfalls wohl erst mal vorbei.

Was meint Ihr?
 

Rex

*** KT-HERO ***
Ich sehe das genauso. Die Kanzleien, insbesondere die größeren, sind allerdings größtenteils selbst schuld an der Entwicklung. Sie haben die letzten Jahre weit über ihren eigenen Bedarf hinaus Kandidaten ausgebildet, weil es sich um Billigarbeitskräfte handelt. Diese Kandidaten drängen dann natürlich auf den Markt. Den Kanzleien war das egal, weil sie glaubten, ganz dick im Geschäft zu sein und Konkurrenz nicht fürchten zu müssen.
In der jetzigen Krise dreht sich der Wind und bläst den Brüdern ins Gesicht. Insofern wundert es nicht, dass von der insolventen Kanzlei zu hören.
Es ist außerdem wahrscheinlich, dass die Entwicklung mittelfristig zu einem verstärkten Konkurrenzkampf und schließlich zu einem allgemeinen Sinken der Honorare führen muss.
 

patenanwalt

GOLD - Mitglied
Wenn das die von mir vermutete Kanzlei ist, dann haben die das auch selbst verschuldet. Nahezu 100% japanische Mandantschaft ohne Gegenaufträge aus Deutschland in der Hinterhand. Und wegen dem London-Agreement dürften tatsächlich zwischen 30 und 40% Umsatz weggebrochen worden sein. Das i-Tüpfelchen ist dann die Wirtschaftskrise. Wenn die Gebühren hoch sind, obwohl die Qualität durch einen Haufen ahnungslose Kandidaten bestimmt wird, wundert es nicht wenn die Mandanten wegbleiben.
 

MPS

GOLD - Mitglied
Das Geschäftsmodell vieler (nicht aller) Patentanwaltskanzleien basiert auf der Verfügbarkeit billiger, motivierter und flexibler Arbeitskräfte in Form von Patentanwaltskandidaten, die einen Teil ihrer Arbeitszeit mit Überseztungen verbringen, und daneben noch andere Arbeiten verrichten, die den Mandanten teuer in Rechnung gestellt werden. (Oder auf der Verfügbarkeit angestellter oder freiberuflicher Übersetzer, deren Arbeit mit erheblichem Mehrwert an die Mandanten weiterverkauft wird).
Es ist klar, dass das dieses Geschäftsmodell nach dem Inkrafttreten des London-Protokolls so nicht mehr funktioniert. Wenn diese jetzt wegfallenden Übersetzungen 15% des Mehrwertes ausmachen, den die Kanzlei erwirtschaftet, dann bedeutet das 15% Gewinn (vor Steuern) weniger für die Partner. Und dieser 15%-Wert ist (i) für einige Kanzleien niedrig, was den Übersetzungsanteil betrifft, (ii) für viele Kanzleien realistisch, was den Gewinn vor Steuern der Kanzlei anbetrifft.

Fazit : Irgendetwas muss sich also ändern in diesem Geschäftsmodell. (Freiberufliche Übersetzer haben das schon gemerkt.)
Die Wirtschaftskrise schafft ein zweites Problem, das das erste noch verschärft ; sie trifft auch Kanzleien, deren Gewinnspanne nicht in diesem Ausmasse von Übersetzungen abhing, und die Kandidaten nicht ausschliesslich als billige Zeitarbeitskräfte ansahen.
Die fetten Jahre für Patentanwälte sind vorbei. Wer das nicht sieht, ist meines Erachtens sorglos oder macht sich etwas vor.
(Für viele Kanzleien kommen in dieser Situation noch andere Probleme hinzu, insbesondere die oft unzureichenden externe Altersversorgung der Partner.)
 

grond

*** KT-HERO ***
Dr. Ohne schrieb:
Dazu kommen Geschichten wie diese merkwürdige Order von Siemens, keine Aufträge mehr an externe Patentanwälte herauszugeben
Wann soll die denn gekommen sein? Ich habe hier noch etwas von Siemens zu liegen. Vielleicht sollte ich die lieber früher als später bearbeiten... ;)
 

Das gelbe U

*** KT-HERO ***
Zur allgemeinen Lage: Ein ständiges Fortschreiben von Trends in die Zukunft ist schon immer vor die Wand gefahren. Das wird bei den deutschen PAs nicht anders sein als beim Butter-, Schweinhälften- oder Dotcom-Firmen-Preis. Predige ich hier seit Jahren....

Zur Lage der alteingesessenen Kanzleien und der Münchner Großkanzleien im Besonderen: Denen geht es nicht so schlecht. Zwar können sie nicht mehr einfach so im Büro mit Übersetzungen Geld "verdienen". Aber das muss auch nicht sein, die Personaldecke wird den wirtschaftlichen Verhältnissen ein wenig angepasst und der Gürtel ein bisschen enger geschnallt und gut is. Vielleicht ein paar Abstriche bei der Rente - aber mal ehrlich, so dramatisch wird das nicht. Und wartet ab, die oben angedeutete Großkanzlei wird es auch in 50 Jahren noch geben, jede Wette.

Wer verliert, ist für mich recht klar: Wirklich hart wird es für die, die jetzt ohne viel Erfahrung in den Markt kommen und vorher haufenweise übersetzt haben.
 

patenanwalt

GOLD - Mitglied
Ich erinnere mich noch an die Headhunter, die seinerzeit frischgebackene Patentanwälte kontaktiert haben. Gibt es die noch?

Die Kanzleien scheinen keinen Bedarf mehr zu haben, auch wird Kollegenarbeit kaum noch vergeben.
 

EK

*** KT-HERO ***
Anfragen gibt es noch (z.B. auf XING). Anfänger werden allerdings keine gesucht.

Siemens-Aufträge gibt es nun wohl tatsächlich keine mehr. Zum Teil wurden bereits erteilte Aufträge auch storniert.

Mich würde mal interessieren: Gibt es jemanden da draußen, der noch "frische" Aufträge bekommt?
 

grond

*** KT-HERO ***
EK schrieb:
Mich würde mal interessieren: Gibt es jemanden da draußen, der noch "frische" Aufträge bekommt?
Ich habe hier noch Sachen von Siemens zu liegen, was heißt aber "frisch"? Die Sachen liegen schon ein paar Wochen, ich bin aber jedenfalls in der Frist und storniert wurde auch noch nichts... :)
 

pak

*** KT-HERO ***
Hallo zusammen,

von Kollegen höre ich jetzt häufiger, dass die Auftragsvolumina schmelzen, wenn nicht gar gänzlich wegbrechen. Ich bin zwar noch immer zuversichtlich, dass in Deutschland bzw. Europa weiterentwickelt wird, so dass man auch die entsprechenden Patentanwälte hierzu benötigt, die Meldungen der Kollegen stimmen mich jedoch nachdenklich, zumal auch wir einen Auftragsrückgang von mindestens 20% in den zurückliegenden Monaten verzeichnen mussten.

Wie sieht es denn bei Euch aus ?

Gruß

pak
 

pak

*** KT-HERO ***
... ganz beiläufig bemerkt verwundert mich auch die Ruhe innerhalb des Forums. Irgendwie scheint jeder mit seinen Sorgen beschäftigt zu sein ...

pak
 

EK

*** KT-HERO ***
pak schrieb:
Wie sieht es denn bei Euch aus ?
Umsatzrückgang im ersten Quartal 2009: 70%
Bisheriger Rückgang im zweiten Quartal 2009: 60%
(jeweils im Vergleich zum Vorjahr)

Aussicht auf Besserung: keine

Kanzleigröße: 1-5 Anwälte
Mandanten: mittelständische Unternehmen "querbeet"
(keine Auslandsmandate)
Standort: Bayern, keine Großstadt
 

PhD

SILBER - Mitglied
Umsatzrückgang um 20% erscheint mir realistisch (wenn überhaupt), nach einem Schock zu Anfang des Jahres waren wir im März/April fast wieder auf Vorjahresniveau...hängt vielleicht auch vom Geschäftsmodell ab, viel Erteilungsverfahren Euro-PCT, wenig Neuanmeldungen - und die Prüfungsverfahren laufen ja weiter...allerdings werden jetzt auch öfter Anmeldungen fallen gelassen.

Ansonsten bin ich darüber gar nicht so böse, denn das heißt, dass man ausnahmsweise mal mit 40-45 h/Woche hin kommt und sich auch mal ein bißchen Zeit lassen kann...
 

grond

*** KT-HERO ***
pak schrieb:
Wie sieht es denn bei Euch aus?
Ich habe keinen Überblick über die Gesamtkanzlei, aber ich mache seit ein paar Monaten nur noch etwa 60% des Umsatzes, den ich vor einem Jahr gemacht habe. Zum ersten Mal fiel mir der Rückgang auf, als nach dem traditionell etwas gemütlicheren August im September nicht wieder mehr Arbeit reinkam. Ein Jahr zuvor hatte ich mich im September noch für meine Verhältnisse totgearbeitet (durchschnittlich zwei bis drei Bescheidskommentierungen pro Tag). Die Vorweihnachtszeit fiel dann auch lange nicht so stressig aus, wie das 2007 noch so war (Angestellte beim Glühwein, Anwälte bei den Akten...).

Sachlich und zeitlich kann ich den Rückgang aber nur bedingt auf die Finanzkrise zurückführen. Es ist mir jedenfalls nicht bekannt, dass Aufträge bei uns storniert worden seien. Wenn man im Verfahren vertritt, müsste es ja außerdem bei Ausbleiben von Neuaufträgen einen "Ramp-down" von ca. zwei Jahren Dauer geben, bevor die Arbeit weg ist. Bei uns "schwächeln" hingegen ein paar wichtige Mandate schon seit längerer Zeit.
 

rettich

BRONZE - Mitglied
Bei uns (ca. 25 Anwälte an mehreren Standorten, Schwerpunkte Chemie und Biotech) gibt es jedenfalls im Biotech-Bereich nicht weniger Arbeit. Evtl. werden einige Mandanten hinsichtlich der Rechnunghöhe etwas kritischer, auch fallen hier und da wohl einige Nationalisierungsprogramme weniger umfangreich aus, aber das kann ich aus meiner Position nicht wirklich abschätzen. Insgesamt habe ich jedenfals nicht den Eindruck, dass es drastische Einbrüche gibt.
 

Panwalt

SILBER - Mitglied
Ich habe vor ein paar Jahren eine eigene Kanzlei gegründet und bisher viel Kollegenarbeit gemacht. Letztes Jahr hatte ich den ersten Einbruch nach dem Wegfall des Übersetzungserfordernisses. Dieses Jahr kam der zweite Einbruch, der die Ausarbeitung von Neuanmeldungen betraf. Die Kanzlei, von der ich die Aufträge bekam, klagt. Ich habe dieses Jahr keinen weiteren Auftrag bekommen. Ich habe ebenfalls das Gefühl, dass die Situation nicht gut ist. Die Auftragseingänge meiner Kanzlei von eigenen Mandanten sind gering. Ich merke die Lageverschlechterung besonders, da ich bisher viele Aufträge von Kollegen bearbeitet habe.
 

pak

*** KT-HERO ***
EK schrieb:
Umsatzrückgang im ersten Quartal 2009: 70%
Bisheriger Rückgang im zweiten Quartal 2009: 60%
(jeweils im Vergleich zum Vorjahr)
Das klingt in der Tat dramatisch. Auch ich denke, dass mit dem von mir genannten Umsatzrückgang in Höhe von 20% (auch im Vergleich zum Vorjahr) die Talsohle noch nicht erreicht ist. So haben wir gerade wieder eine Hiobsbotschaft von einem der umsatzstarken Mandanten erhalten, der seine Ausgaben für gewerbliche Schutzrechte drastisch einschränken muss. Ich befürchte wir landen allein dadurch bereits bei einem 40%-igen Umsatzrückgang.

Das Ganze scheint aber tatsächlich von der Fachrichtung einerseits und von der Mandantenstruktur der Kanzlei andererseits abzuhängen.

Gruß

pak
 

ppa

GOLD - Mitglied
Hallo mal wieder alle zusammen.

Um noch mal auf den ersten Beitrag zurückzukommen:

Dr. Ohne schrieb:
Vor ein paar Tagen habe ich gehört, dass eine der grösseren Kanzleien in München Schwierigkeiten mit Ihrem Cashflow hat und evtl. bis zum Sommer mit der Zahlungsunfähigkeit zu rechnen ist, falls sich die Lage bis dahin nicht bessert, wonach es momentan nicht aussieht.
"Schwierigkeiten mit dem Cashflow"

Wenn die Kanzlei eine GbR ist - wie die meisten - wären dann ja wohl die Partner dran, ggf. mit persönlichem Eigentum.

Und die festen Ausgaben sind ja auch nicht unerheblich und kurzfristig kaum senkbar.

Das spräche eigentlich für eine Anwalts-GmbH. Es gibt zwar die Durchgriffshaftung jedes Anwalts gegenüber dem Mandanten bei Anwaltsfehlern (insofern natürlich keine "beschränkte Haftung" ), aber gegenüber den Angestellten, Banken, Vermietern und Auslands-Korrenspondenten kann die GmbH in Insolvenz gehen. Hierbei könnten die Anwälte auch eine neue GmbH gründen oder auch eine GbR und ohne Verbindlichkeiten neu anfangen. Dem Mandanten könnte man das als "Neugründung, Umzug, Partnerwechsel, Umfirmierung" oder so vermitteln; das ist ja alles nicht ungewöhnlich. Man schreibt die Mandanten einfach unter einer neuen Adresse mit anderem Briefkopf und anderer Firmierung an.

Man könnte sogar Mobiliar, Drucker etc. aus der Insolvenzmasse der alten GmbH herauskaufen; unsere Mandaten machen so etwas doch auch dauernd, wozu wir ja bei kleinen Unternehmen zum Teil auch raten, die Schutzrechte auf die INhaber anzumelden, damit sie später nicht in die Konkursmasse fallen.

Oder liege ich da falsch?


Was bei Münchner Kanzleien wohl in den letzten Jahren ergänzend hinzukam, war das Wegfallen vieler Marken-Mandate aus ÜBersee, durch zunächst HABM und dann auch Beitritt der EU zum Protokoll. Das BEST-Projekt mit der teilweisen Verlagerung nach Den Haag scheint ja nicht so problematisch zu sein.

Gruss
ppa
 
Oben