Nehmen wir an, ich bin irgendwann fertig und möchte mich selbstständig machen...sollte ich für die ersten Jahre Hartz 4 einplanen oder heißt "schwieriger Anfang" lediglich keine 120 000 im Jahr?
Im Sinne einer humoristischen Anmerkung:
Als Selbstständiger kannst Du schon aus formalen Gründen kein Hartz 4 einplanen.
Hartz 4 steht nur bei der Arge gemeldeten potentiellen beschäftigungslosen Arbeitnehmern
zu. Insbesondere als Existenzgründer muss man sich somit in den Anfangszeiten
aus ersparten Reserven ernähren, wenn es schlecht läuft.
Bei dem oben erwähnten Existenzgründerzuschuss schon im Amtsjahr habe ich so meine
Zweifel hinsichtlich der Machbarkeit/Zulässigkeit. Früher (wurde inzwischen abgeschafft
bzw. stark eingeschränkt) gab es ab Tag 1 der Arbeitslosmeldung einen Rechtsanspruch
auf einen Existenzgründerzuschuss. Je nach vorherigem Einkommen waren das
maximal ca. 18.000 Euro (Maximum bedingt ein vorheriges Einkommen als Angestellter
von 60k aufwärts, für die meisten Kandidaten eher schwierig...).
Das ging aber nur NACH dem Amtsjahr, da eine Arbeitslosmeldung
als Patentanwaltskandidat während des Amtsjahres verboten ist (noch vor meinen
Amtsjahreszeiten hatten das einige Schlauberger versucht, gab mächtig Ärger).
Wie schon erwähnt, wurde dieser Existenzgründerzuschuss aber mächtig eingedampft,
und von erheblicher Wichtigkeit: Der Rechtsanspruch wurde gestrichen.
Als Bezug zum eigentlichen Thema dieses Threads: Dieser Existenzgründerzuschuss
wurde auch sehr gerne in voller max. Höhe von Ärzten abgegriffen, die
aus einer angestellten Tätigkeit mit 1 Tag Arbeitslosdasein eine Praxis gründeten (im Regel durch den
Kauf eines Kassensitzes). Diese nicht beabsichtigte Inanspruchnahme des Zuschusses
wurde dann auch gerne von der Politik für die Sinnhaftigkeit der Abschaffung
des Rechtsanspruchs angeführt...
Der "schwierige Anfang" bezieht sich auch auf den Umstand, dass man mit dem Kram
leben muss, der als Auftrag hereinkommt. Die meisten Kollegenarbeitsaufträge kann
man stundenbasiert nicht 1:1 abrechnen (sonst würde es der Kollege ja auch
nicht abgeben...). Über 1:2 kann man sich schon häufig freuen.
Ich habe Rechnungen mit Zeitprotokollen von Kollegenarbeitern gesehen,
in denen bis zu 40 Stunden angeführt wurden für die Bearbeitung einer komplizierten Akte.
Abrechnen durfte der Kollegenarbeiter dann 6 Stunden. Ein mit derartigen Aufträgen
vertrauter Kollege aus der beauftragenden Kanzlei würde wahrscheinlich ehrliche 10 Stunden
daran sitzen (entspricht 1,5 bis 2 Arbeitstagen mit kräftigen Kraftausdrücken, warum
bloß diese Akte auf dem eigenen Tisch gelandet ist). Erschwerend kommt hinzu, dass
der Kollegenarbeiter ggfs. dem beauftragenden Kollegen seine Ausarbeitung erklären
muss. Das kostet nochmals Zeit und evtl. eine Überarbeitung des Ausgearbeiteten
(quasi ein Rückfall in Kandidatenzeiten). Kommt man nur an derartige
Aufträge bzw. ist unfähig zur Beschleunigung der Bearbeitungsweise (z.B. weil man
während seiner Ausbildungszeit jedes Rechtsgebiet beschnuppern durfte, aber
die effektive Bearbeitung von Akten nicht im Vordergrund stand), dann geht man
auf längere Sicht mit unter 4000 Euro BRUTTO im Monat nach Hause,
als Selbstständiger, also mit Eigenfinanzierung von Krankenversicherung
und Altersvorsorge, auch mit dem Risiko, dass eine Auftragsflaute bevorsteht.
Mit Familie usw. hält man das nicht lange durch
(ganz zu schweigen von der Erwartungshaltung der Partnerin/des
Partners, die/der jahrelang Verständnis für die Fortsetzung des Studentendaseins
trotz akademischen Abschlusses mit Geldverdienmögichkeit gezeigt hat, während
bei den Bekannten mit Festanstellung langsam aber sicher die Zeichen des
ausbrechenden Wohlstands sichtbar werden).
Mit dem oben genannten Einkommensrahmen als Selbstständiger kann man natürlich
auch jede Finanzierung einer Behausung vergessen, insbesondere mit den
ganz frischen Kreditrichtlinien, die eine Einbeziehung des Wertes der Immobilie als
Absicherung des Kredits untersagen. Mir hat schon vor Jahren ein Kollege erklärt,
dass er ein unbefristetes Anstellungsverhältnis anstrebt, da er andernfalls seine
Wunschimmobilie nicht finanzieren kann.
Zur Frage von (vermutlich) ipcinto: Mir ist niemand aus der IP-Welt bekannt, der sich
jenseits der Tätigkeitsausprägungen Anwalt, Kollegenarbeiter, Patentreferent, Prüfer, Mutter
mit Aktenbearbeitung von Zuhause aus bewegt. Sollten noch andere Interessen
(z.B. professorale Attitüden) bestehen, so wird dieses gerne nebenher ausgeübt.