"oder" im Hauptanspruch

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Gert

Schreiber
Eine Frage, die mich seit langem umtreibt, und für die ich im Internet, aber auch Befragen eines Experten keine befriedigende Antwort erhalten habe:

Angenommen, es handelt sich um eine Anmeldung, in der zweifelsfrei nur eine Erfindung geoffenbart wurde, soferne man deren Inhalt auf Grund der textuellen Beschreibung und der Zeichnungen beurteilt.

Die Frage, die sich mir stellt: Wie wird ein (Haupt-)Anspruch beurteilt, bei der im kennzeichnenden Teil zwei Merkmale mit "oder" verknüpft sind. Dies ist, soweit ich das bisher gesehen habe, unüblich - warum?

Wird so ein Anspruch vom Prüfer zurückgewiesen, wenn ja, mit welcher Begründung?

Eine bisherige Antwort lautet: Die Anmeldung würde durch diese Formulierung uneinheitlich werden (wie mir erklärt wurde, würde die Anmeldung dann 2 Erfindungen beinhalten). Und weiter: Es wäre aber möglich, sie zu splitten und daraus 2 (voneinander unabhängige) Patentanmeldungen zu machen.

Aber gerade in dem letzten Punkt zeigt sich, mE., der Irrtum besonders deutlich. Die beiden Anmeldungen hätten, Wort für Wort, die gleiche Beschreibung, die gleichen Zeichnungen, demnach: Eine Erfindung würde 2x angemeldet werden.

Nochmals, warum ist es unüblich oder gar unerlaubt, "oder" im Hauptanspruch zu verwenden?
 

grond

*** KT-HERO ***
Wenn man Alternativen nebeneinanderstellen will, die nicht erfindungswesentlich sind, sollte man einfach besser einen allgemeineren Begriff wählen, der die Alternativen vollumfänglich erfasst ("Befestigungselement" statt "Schraube oder Bolzen"). Deshalb besteht nur selten die Notwendigkeit für eine oder-Konstruktion. Unerlaubt ist eine solche deshalb aber nicht. Manchmal kann die oder-Konstruktion notwendig werden, wenn beispielsweise ein allgemeinerer Begriff schlecht oder unklar gewählt war und der Begriff im Prüfungsverfahren durch die in der Beschreibung aufgezählten konkreten Möglichkeiten ersetzt werden muss. Insgesamt würde ich lieber zweimal nachdenken, bevor ich eine oder-Konstruktion verwenden würde, da sich meistens eine bessere Lösung finden lässt. Manche benutze ich aber sehr oft, beispielsweise "verbunden oder verbindbar".
 

Gert

Schreiber
Besten Dank für die rasche Antwort, ich habe mich sehr darüber gefreut.

Ich bin aber immer noch skeptisch, mir geht es nicht um so ähnliche Begriffe wie "verbunden oder verbindbar", sondern oder sehr "ungewöhnlich" verwendet.

Ein (fiktives) Beispiel: Der beanspruchte Gegenstand besteht aus mehreren Teilen und ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Teil x aus einem elastischem Material gefertigt ist oder dass er dem Teil y unmittelbar benachbart angeordnet ist.

Ich erinnere mich nicht, jemals ähnliches gesehen zu haben, kann ich aber dennoch so formulieren?
 

Alex:jura

*** KT-HERO ***
Vesuche mal die jeweilige technische Aufgabe zu formulieren, welche durch die Altenativen jeweils gelöst werden. Ist die Aufgabe unterschiedlich, liegen zwei Erindungen vor.
 

keta

SILBER - Mitglied
Vesuche mal die jeweilige technische Aufgabe zu formulieren, welche durch die Altenativen jeweils gelöst werden. Ist die Aufgabe unterschiedlich, liegen zwei Erindungen vor.

Es genügt nicht, wenn beide Alternativen dieselbe Aufgabe lösen. Es muss auch beiden Lösungen dieselbe erfinderische Idee zugrunde liegen.
 

Karl

*** KT-HERO ***
Wie schon von anderen Leuten oben erwähnt, müssen die Merkmale die gleiche Aufgabe lösen und auf dem gleichen erfinderischen Gedanken beruhen. Beispiel (natürlich zu trivial und definitiv aus SdT bekannt)

dadurch gekennzeichnet, dass der Prozessor mit einem Material mit einer Wärmekapazität von über ... oder einer Wärmeleitfähigkeit von über ... in verbindung steht.

Aufgabe: Überhitzung vermeiden, Erfinderischer Gedanke: Wärmeabfuhr verbessern

Sind die Bedingungen der Einheitlichkeit nicht erfüllt kannst du auf zweierlei Art vorgehen:

a) Du reichst EINE Anmeldung ein, die zumindest den vollständigen Offenbarungsgehalt für BEIDE erfindungen enthält. Eine Beanspruchst du im Hauptanspruch, die andere in der Beschreibung (möglichst nahezu später angestrebter Anspruchswortlaut für die 2. Erfindung). Nach dem Recherchenbericht reichst du dann eine Teilanmeldung ein.

VT: 1) Kosten für 2. Anmeldung entstehen erst später, nachdem schon eine erste Recherche erfolgt ist --> evtl ist eh schon alles aus dem SdT bekannt, dann kann man sich die Kosten der Teilanmeldung spaaren. 2) keine Probleme, dass sich verschiedene Anmeldungen im Wege stehen könnten

NT: Zwei mal Zeitaufwand für die Bearbeiten: erst Offenbarungsgehalt für 2. Erfindung in Anmeldung der 1. Erfindung reinbauen, dann für Teilanmeldung wieder rausbauen. Bei direkter Erteilung besteht die Gefahr, dass die Teilanmeldung vergessen wird. Hier muss sehr genau darauf geachtet werden, wie was wo in der Akte notiert wird, da man sonst einen hübschen Haftungsfall baut oder (wenn das Ganze aufgrund des bei den meisten sicherlich Standardmäßig erfolgenden Hinweises auf die Teilanmeldung kein Haftungsfall wird) zumindest das Mandat kosten kann...

b) Du reichst direkt ZWEI Anmeldungen ein, aber AM SELBEN TAG. sonst schießt du die zuletzt eingereichte Anmeldung mit der ersteingereichten ab. Priobeanspruchung ist auch nicht die Lösung weil Rücknahmefiktion...

VT: Kein Risiko die Teilanmeldung zu vergessen. Geringerer Zeitaufwand

NT: Auch hier muss man sehr genau aufpassen bei der Aktenführung. Da sollte nen Dicker Hinweis in die Akte, dass die Anmeldung 1 nur GLEICHZEITIG mit Anmeldung 2 eingereicht werden darf. Wenn sich der Mandant nen Monat zeitläst mit der Durchsicht des Entwurfs kann das sonst viel zu leicht durch die Lappen gehen. Am besten zusätzlich zum Hinweis in der Akte nochmal ausdrücklich auf den Sachbearbeiter zugehen.
 

Gert

Schreiber
Danke für die vielen Antworten!
Es genügt nicht, wenn beide Alternativen dieselbe Aufgabe lösen. Es muss auch beiden Lösungen dieselbe erfinderische Idee zugrunde liegen.

Es geht bei meiner geplanten Anmeldung darum, einen Gegenstand mit einem verbesserten Teil auszustatten, sowohl als Aufgabe, wie auch als eine Lösung dafür. In meiner ursprünglichen Anmeldung, für die ich auch ein Patent erhalten hatte, war dieses Teil tatsächlich unbrauchbar beschrieben, was mich damals aber nicht sonderlich gestört hatte. Nachdem ich nun ein Patent für nur ein Land besitze, ist es mir vor kurzem hochgekommen, was ich doch für eine tolle Erfindung gemacht habe (nachdem ich mich viele Jahre darum nicht mehr gekümmert hatte). Mir ist auch eine neue (jetzt nach so langer Zeit) und (wie ich hoffe) erfinderische Idee zu seiner Realisierung gekommen.

Allerdings sehe ich die Möglichkeit meine Idee mit naheliegenden, trivialen Lösungen zu umgehen. Dies obwohl meine Lösung durchaus praktikabel ist und sogar besondere Vorteile besitzt. Es ist daher mein Bestreben, die Ansprüche so zu formulieren, dass nicht nur meine Idee nicht nachgemacht werden kann, sondern dass vor allem sie auch nicht umgangen werden kann.

Um einem Missverständnis vorzubeugen: Es geht mir bei den "und"-Verknüpfungen nicht um "Alternativen" im Sinne von "Entweder-Oder", einem exclusiven XOR, sondern um ein logisches OR im Sinne einer Gesamtheit (beides wird gleichzeitig beansprucht).

Hoffentlich ist das hier bisher auch so verstanden worden.

Von den einzelnen beanspruchten Merkmalen könnte ich allerdings nicht sagen, dass sie Teilaufgaben lösen würden, sie sind eher Teile einer Beschreibung der Lösung. Insofern wüsste ich nicht, wie ich Aufgaben oder Lösungen den Merkmalen zuordnen könnte.

Leider kann ich meine Idee nicht detailliert darstellen; insofern ist alles etwas abstrakt und von Missverständnissen bedroht.
 
Zuletzt bearbeitet:

keta

SILBER - Mitglied
Ich empfehle dir, dich an einen Patentanwalt zu wenden. Dem kannst du deine Erfindung offen darlegen und der weiß dann auch, wie man sie am besten zum Patent anmeldet.
 

Gert

Schreiber
Mir scheint, ich habe doch noch eine Antwort gefunden. Artikel 82 EPG besagt bzgl. Einheitlichkeit: Nur eine Erfindung ist pro Anmeldung möglich.

Angenommen, es handelt sich um eine Anmeldung, in der zweifelsfrei nur eine Erfindung geoffenbart wurde, soferne man deren Inhalt auf Grund der textuellen Beschreibung und der Zeichnungen beurteilt, dann stellt sich die Frage, ob Ansprüche mehr offenbaren können. Wenn sie dies nämlich tuen, wird die Anmeldung auf Grund dessen zurückgewiesen. Die Frage nach der Einheitlichkeit stellt sich dann gar nicht mehr. Deshalb kann durch Patentansprüche grundsätzlich keine Uneinheitlichkeit erreicht werden.

Für einen Kommentar zu meinen Überlegungen wäre ich dankbar!

Mich würde interessieren, ob jemand eine Patentschrift kennt, in der "uneinheitliche" Oder-Verknüpfungen verwendet wurden.

Besten Dank an alle für die Hilfe
 

grond

*** KT-HERO ***
Hallo Gert,

ich denke, hier liegt/lag ein Missverstaendnis vor: die bisherigen Beitraege sind davon ausgegangen, dass Du Patentanwaltskandidat seist, also schon ueber einiges Vorwissen verfuegst. Einen Crashkurs zu dem, was man ueblicherweise in drei Jahren Ausbildung lernt, kann dieses Forum nicht liefern. Deine Gedankengaenge zeigen, dass Du mehr Talent fuer den Beruf hast, als so mancher Kollege, der mir im Laufe der Jahre begegnet ist. Eine Erstberatung bei einem Patentanwalt ist oft kostenlos oder wenigstens preiswert. Betrachte den Patentanwalt wie jeden Dienstleister: bevor Du Dir eine Leistung verkaufen laesst, vergleiche ruhig. Oft kommen einem die Fragen, die man haette stellen sollen, erst nach der Erstberatung. Dann kann man die gleich in der naechsten stellen.

Einen wichtigen Gedanken will ich aber prophylaktisch noch einwerfen: Deine aeltere Anmeldung waere aller Voraussicht nach Stand der Technik fuer Deine projektierte Anmeldung. Deine "verbesserte" Anspruchsformulierung koennte also schon daran scheitern, dass sie durch die aeltere vorweggenommen oder nahegelegt ist.

Das Pruefen, ob triviale Umgehungsformen existieren, gehoert uebrigens nicht umsonst zum Handwerkszeug eines Patentanwaltes... ;)
 

Redakteur

Administrator
Teammitglied
... die bisherigen Beitraege sind davon ausgegangen, dass Du Patentanwaltskandidat seist, also schon ueber einiges Vorwissen verfuegst. Einen Crashkurs zu dem, was man ueblicherweise in drei Jahren Ausbildung lernt, kann dieses Forum nicht liefern. Deine Gedankengaenge zeigen, dass Du mehr Talent fuer den Beruf hast, als so mancher Kollege, der mir im Laufe der Jahre begegnet ist....

Das Pruefen, ob triviale Umgehungsformen existieren, gehoert uebrigens nicht umsonst zum Handwerkszeug eines Patentanwaltes... ;)

Danke Grond. Ergänzend der Hinweis für Gert, dass unser Forum dem fachlichen Austausch unter Kandidaten dient und nicht als Forum zur kostenlosen Rechtsberatung genutzt werden soll. Aus diesem Grunde wird der vorliegende Thread geschlossen.

Mit der Bitte um Verständnis

Dieter Gröbel
Redakteur

PS: Wer es preiswert möchte, der kann auch die kostenlose Erfindererstberatung bei der jeweiligen Industrie- und Handelskammer besuchen.
 
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