Mehrere technische Effekte durch einziges Unterscheidungsmerkmal - Auswahlerfindung

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

laut T939/92 ist eine Auswahl aus einer Anzahl von Möglichkeiten auch ohne Motivation nicht erfinderisch, wenn sie keinen technischen Effekt bewirkt.
Mit Motivation ist sie ja trotz technischem Effekt nicht erfinderisch.

Wie sieht es aus, wenn durch die beanspruchte Auswahl mehrere technische Effekte erzielt werden, die vorteilhaft sind und es aufgrund eines dieser technischen Effekte eine Motivtion zu dieser Auswahl gab, für den oder die anderen aber nicht?

Wenn es mehrere technische Effekte gibt, gibt es ja auch mehrere objektive Aufgabenstellungen, allerdings mit einem gemeinsamen Lösungsweg. Ist der beanspruchte Gegenstand schon dann nicht erfinderisch, wenn die Lösung einer der Aufgaben mittels der beanspruchten Merkmale naheliegend war, oder muss die Lösung für alle Aufgaben naheliegend sein?

Ich tendiere ja zu ersterem, weil man ansonsten ja nur einen zusätzlichen Vorteil suchen müsste, für dessen Erreichen die Merkmalskombination nicht nahe lag um einen ansonsten naheliegenden Gegenstand erfinderisch zu machen. Bei Verwendungsansprüchen (z.B. 2. mediz. Indikation) müsste der effekt natürlich auch für den entsprechenden Verwendungszweck vorteilhaft sein, sonst passt die Aufgabenstellung ja nicht zum Anspruch.

Hat da jmd Ahnung von?

Gruß
Gerd
 

Groucho

*** KT-HERO ***
Gerd, Deine Vermutung ist richtig, unter dem Stichwort "Bonuseffekt" gibt es dazu zahlreiche Entscheidungen.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Hi,
Ist der beanspruchte Gegenstand schon dann nicht erfinderisch, wenn die Lösung einer der Aufgaben mittels der beanspruchten Merkmale naheliegend war, oder muss die Lösung für alle Aufgaben naheliegend sein?

Zur Beantwortung dieser Frage auf den "Bonuseffekt" zu verweisen finde ich schwierig. Die Frage ist meiner Meinung nach viel grundsätzlicher. Vielleicht passt hierzu der folgende Absatz aus "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 7. Auflage, September 2013, S. 190):

"In T 967/97 führte die Beschwerdekammer aus, dass der Aufgabe-Lösungs-Ansatz im Wesentlichen auf tatsächlichen Feststellungen über technische Aufgaben und Wege zu deren technischer Lösung beruht, die dem Kenntnisstand und Können des Fachmanns objektiv, d. h. ohne Kenntnis der Patentanmeldung und der Erfindung, die sie zum Gegenstand hat, zum Prioritätszeitpunkt zuzurechnen waren. Stehen dem Fachmann mehrere gangbare Lösungswege offen, die die Erfindung nahelegen könnten, dann erfordert es die Ratio des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes, die Erfindung in Bezug auf alle diese Lösungswege zu prüfen, bevor ein die erfinderische Tätigkeit bestätigendes Urteil getroffen wird. Bei Verneinung der erfinderischen Tätigkeit bedarf es keiner besonderen Begründung für eine Vorauswahl von Entgegenhaltungen, auch wenn dem Fachmann mehrere gangbare Lösungswege zur Verfügung stehen. Zweck der Begründung ist alleine, aufzuzeigen, dass sich die Erfindung für den Fachmann in Bezug auf (mindestens) einen dieser Lösungswege in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt (s. auch T 558/00, T 970/00, T 172/03, T 323/03, T 21/08, T 308/09, T 1289/09)."
 

Groucho

*** KT-HERO ***
Wenn es mehrere technische Effekte gibt, gibt es ja auch mehrere objektive Aufgabenstellungen, allerdings mit einem gemeinsamen Lösungsweg. Ist der beanspruchte Gegenstand schon dann nicht erfinderisch, wenn die Lösung einer der Aufgaben mittels der beanspruchten Merkmale naheliegend war, oder muss die Lösung für alle Aufgaben naheliegend sein?

Die Frage betrifft für mich eindeutig den "Bonuseffekt". Angenommen, ein Merkmal X hat zwei technische Wirkungen, wobei es für eine Wirkung naheliegend ist, X zu verwenden, für die andere nicht. Dann ist das Vorsehen von X insgesamt nicht erfinderisch, weil der Fachmann in naheliegender Weise zu X kommt, auch wenn es eine weitere, nicht offensichtliche Wirkung gibt.

So steht's auch in der Rechtsprechung der BKn unter "Unerwartete Wirkungen - Bonuseffekt":
"Zwang der Stand der Technik den Fachmann aufgrund eines wesentlichen Teils der bestehenden technischen Aufgabe zu einer bestimmten Lösung, so wird diese nicht zwangsläufig dadurch erfinderisch, dass damit gleichzeitig eine Teilaufgabe überraschend mitgelöst wird. Eine unvorhergesehene zusätzliche Wirkung verleiht also einer naheliegenden Lösung keine erfinderische Qualität (T 231/97). Wenn es für den Fachmann naheliegend ist, zur Lösung des wesentlichen Teils einer bestimmten Aufgabe die Lehren des Stands der Technik zu kombinieren, so wird die Lösung nicht grundsätzlich schon dadurch erfinderisch, dass mit einer zusätzlichen Wirkung gleichzeitig ein anderer Teil der Aufgabe gelöst wird - selbst wenn diese Wirkung unerwartet ist (T 170/06). "
 
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