2. Klausur Lösungsvorschlag zur 2. Hagen-Klausur vom 13.05.2009

AachenerKreuz

GOLD - Mitglied
Und noch eine Lösungsskizze, diesmal die Klausur vom 13.05.2009. Scheine nach einem Blick in die Lösungsskizze den Ton einigermaßen getroffen zu haben. Subjektiv war diese Klausur einfacher als die vorherigen; der rauchmelderähnliche Warnton des Überforderungssensors, der bei der Klausur vom 26.01.2011 Tote hätte aufwecken können, blieb aus.


2. Hagen-Klausur vom 13.05.2009

Ausgangsfall


Das LG Dortmund könnte nach § 331 (3) ZPO ein Versäumnisurteil gegen den V erlassen. Dazu müsste
  1. die Klage des K zulässig sein;
  2. der K den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt haben;
  3. ein schriftliches Vorverfahren nach § 276 (1) ZPO angeordnet worden sein;
  4. der V über die Folgen einer verspäteten Anzeige der Verteidigungsbereitschaft belehrt worden sein;
  5. der V seine Verteidigungsbereitschaft nicht rechtzeitig angezeigt haben;
  6. ein Unzulässigkeitsgrund nach § 335 ZPO fehlen;
  7. ein Vertagungsgrund nach § 337 ZPO fehlen;
  8. die Klage des K schlüssig sein.
1. Zulässigkeit

Damit das LG Dortmund als ordentliches Gericht (§ 12 GVG) zuständig ist, müsste zunächst der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben sein. Dieser ist nach § 13 GVG für bürgerlich-rechtliche Rechtsstreitigkeiten gegeben. Dabei kommt es auf die Natur des Rechtsverhältnisses an, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. K macht Sachmängelansprüche aus einem Kaufvertrag geltend, der in §§ 433 ff. BGB geregelt ist. Damit leitet er seinen Anspruch aus einem bürgerlich-rechtlichen Rechtsverhältnis her. Damit ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet.

Das LG Dortmund müsste auch sachlich zuständig sein. Es ist nach § 73 (1) GVG sachlich zuständig für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die nicht durch § 23 GVG den Amtsgerichten zugewiesen sind.

Die veranschlagten Kosten für die Mängelbeseitigung von nur 1.000 € liegen unter der Wertgrenze des § 23 Nr. 1 GVG und könnten eine Zuständigkeit des AG begründen. Maßgeblich ist jedoch der Anspruch und damit der Streitgegenstand, der vom Kläger K bestimmt wird. K verlangt nicht die veranschlagte Reparatur, sondern Rückzahlung des Kaufpreises von 6.000 €. Dieser Wert ist maßgeblich für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit. Damit ist das LG sachlich zuständig.

Dortmund als Wohnsitz von V ist nach § 13 ZPO allgemeiner Gerichtsstand des V. Damit können dort nach § 12 ZPO alle Klagen gegen V anhängig gemacht werden, sofern nicht ein ausschließlicher Gerichtsstand gegeben ist. Gründe, warum ein ausschließlicher Gerichtsstand gegeben ist, sind nicht ersichtlich. Damit ist das LG Dortmund auch örtlich zuständig.

K ist vor dem LG Dortmund ordnungsgemäß anwaltlich vertreten.

Die Klageschrift enthält im Sinne von § 253 (2) Nr. 2 einen bestimmten Antrag.

Damit ist die Klage zulässig.

2. Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils

K hat seinen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils unter der Bedingung gestellt, dass ein schriftliches Vorverfahren angeordnet wird. Grundsätzlich sind Prozesshandlungen, zu denen der Erlass eines Versäumnisurteils gehört, bedingungsfeindlich, damit die Prozesslage für alle Beteiligten jederzeit klar erkennbar ist. Eine Ausnahme gilt für innerprozessuale Bedingungen, über deren Eintritt oder Nichteintritt alle Beteiligten informiert sind. Ob der Vorsitzende ein schriftliches Vorverfahren anordnet, ist zum Zeitpunkt der Klageerhebung ein ungewisses in der Zukunft liegendes Ereignis auf prozessrechtlichem Gebiet, also eine innerprozessuale Bedingung.

Damit ist der innerprozessual bedingte Antrag des K auf Erlass eines Versäumnisurteils zulässig. Indem das schriftliche Vorverfahren angeordnet wurde, ist die Bedingung eingetreten und der Antrag damit wirksam gestellt.

3. Ein schriftliches Vorverfahren ist angeordnet worden.

4. Dem V wurde eine Verfügung zugestellt, mit der er über die Folgen einer verspäteten oder nicht erfolgten Anzeige der Verteidigungsbereitschaft informiert wurde.

5. Als der Vorsitzende am 22.04.2009 feststellte, dass keine Anzeige der Verteidigungsbereitschaft erfolgt war, war die zweiwöchige Frist abgelaufen (§§ 222 (1) ZPO, 188 (2) BGB).

6., 7. Weitere Hindernisse aus den §§ 335, 337 ZPO für den Erlass eines Versäumnisurteils sind nicht ersichtlich.

8. Schlüssigkeit

Nach § 331 (1), (2) ZPO ergeht damit ein Versäumnisurteil, wenn das als zugestandene Vorbringen des K den Tatbestand eines Rechtssatzes verwirklicht, aus dem sich die von K begehrte Rechtsfolge ergibt.

K könnte gegen V einen Anspruch auf Rückzahlung der 6.000 € aus §§ 433 (1) S. 2, 437 Nr. 2, 323, 346, 349 BGB haben.

Dazu müsste zwischen K und V ein Kaufvertrag geschlossen worden sein. K hat einen Kaufvertrag über den Jahreswagen zum Preis von 6.000 € geschlossen.

K könnte von diesem Kaufvertrag zurückgetreten sein mit der Folge, dass die gegenseitig empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind (§ 346 BGB).

Dazu müsste K nach § 323 BGB einen Rücktrittsgrund haben, eine Frist gesetzt und schließlich den Rücktritt nach § 349 BGB wirksam erklärt haben.


Als Rücktrittsgrund kommt ein Sachmangel in Betracht (§ 437 Nr. 2 BGB). Der Jahreswagen müsste mangelhaft sein. Weder eine Beschaffenheit (§ 434 (1) S. 1 BGB) noch eine vorausgesetzte Verwendung (§ 434 (1) S. 2 Nr. 1 BGB) sind vereinbart worden. Das eindringende Wasser könnte jedoch nach § 434 (1) S. 2 Nr. 2 BGB ein Sachmangel sein, wenn sich der Wagen hierdurch nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet. Die gewöhnliche Verwendung eines geschlossenen PKW ist das Fahren unter Schutz der Fahrzeuginsassen vor Wind und Wetter. Dieser Schutz ist nicht gegeben. Damit weist der Wagen einen Sachmangel auf.

Der Sachmangel müsste bei Gefahrübergang, also bei Übergabe des Wagens, vorgelegen haben (§ 446 BGB). Der Sachmangel zeigt sich erstmals zwei Monate nach der Übergabe. Es könnte jedoch nach § 476 BGB gesetzlich vermutet werden, dass der Wagen schon bei Übergabe mangelhaft war. Dazu müsste es sich um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 (1) BGB handeln. K hat den Wagen zur Nutzung der nur Verbrauchern zustehenden Abwrackprämie gekauft und somit als Verbraucher im Sinne von § 13 BGB gehandelt. Für V gehört der Verkauf von PKW zu seinem Geschäft, so dass er als Unternehmer im Sinne von § 14 BGB gehandelt hat. Es handelt sich also um einen Verbrauchsgüterkauf mit der Folge, dass gesetzlich vermutet wird, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang bestand.

Diesem Rücktrittsgrund könnte entgegenstehen, dass K nach § 437 Nr. 1, 439 BGB zunächst auf die Nacherfüllung verwiesen ist. Dies könnte zur Folge haben, dass K lediglich einen Anspruch auf die Abdichtung des Pollenfilters gemäß Sachverständigengutachten hat.

K hat zweimal Nacherfüllung verlangt und beim zweiten Mal mit dem Rücktritt gedroht. Beide Nachbesserungsversuche haben nicht zum Erfolg geführt. Damit ist die Nachbesserung nach § 440 S. 2 BGB fehlgeschlagen.

Damit ist nach § 440 S. 1 BGB auch keine weitere Fristsetzung für den Rücktritt erforderlich.

K hat den Rücktritt gegenüber V erklärt.

Damit ist K wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten.

Damit ist die Klage des K schlüssig.

Ergebnis: Das Gericht wird antragsgemäß ein Versäumnisurteil erlassen und dem V nach § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegen.

Abwandlung

R als Vertreter des V könnte nach § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen, wenn er ohne sein Verschulden verhindert war, eine Notfrist einzuhalten.

Dazu müsste R zunächst eine Notfrist versäumt haben. Nach § 339 (1) ZPO ist die Einspruchsfrist eine Notfrist.

R hatte weder die Urteilsausfertigung noch die Frist im Fristenkalender vorliegen und war somit gehindert, die Frist einzuhalten. Fraglich ist, ob er dies zu vertreten hat.

R hat die Versäumung dann nicht zu vertreten, wenn sie trotz Beachtung aller gebotenen Sorgfalt erfolgt ist. Dazu gehört, dass er sein Hilfspersonal sorgfältig auswählt, einarbeitet und in regelmäßigen Abständen überwacht. Wiedereinsetzung wird somit gewährt, wenn ein isolierter Fehler in einem ansonsten gut funktionierenden Büroablauf aufgetreten ist.

R hat seine Büroangestellte regelmäßig überwacht und bislang keinen Anlass gehabt, an der Führung des Fristenkalenders zu zweifeln. Dass die Ausfertigung des Urteils als weitere Gedächtnisstütze in einer Servante verschwunden ist und dies bei ein und demselben Vorgang mit der unterbliebenen Eintragung im Fristenkalender zusammentrifft, war ein für R nicht vorhersehbares Ereignis, sondern ein zufälliges gleichzeitiges Versagen zweier voneinander unabhängiger Systeme.

Damit hat R die Fristversäumung nicht zu vertreten.

R muss nach § 236 (1), (2) ZPO einen Wiedereinsetzungsantrag stellen und damit die eidesstattliche Versicherung sowie seine anwaltliche Versicherung einreichen, um die Begründung des Antrags glaubhaft zu machen. Er muss den versäumten Einspruch nachholen. Auf Grund der stichhaltigen Begründung sind die Erfolgsaussichten für den Wiedereinsetzungsantrag gut. Der Antrag muss nach § 234 (1), (2) ZPO bis 2 Wochen nach Wegfall des Hindernisses, hier: nach Feststellung der Fristversäumung 13. Mai, gestellt werden, also bis zum 27. Mai.

Zusatzfrage

Der Einspruch ist nach § 340 (1) ZPO beim Prozessgericht, hier: beim Landgericht Dortmund, einzureichen.

Nach § 91 ZPO sind die Kosten des Rechtsstreits grundsätzlich der unterlegenen Partei aufzuerlegen. Mit dem Erlass des Versäumnisurteils unterliegt zunächst der Säumige. Durch § 342 ZPO wird auf einen zulässigen Einspruch hin der Prozess in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand, so dass der Säumige nicht mehr unterlegen ist. Nach § 344 ZPO trägt er dennoch die Kosten für das ergangene Versäumnisurteil.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Abwandlung

R als Vertreter des V könnte nach § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen, wenn er ohne sein Verschulden verhindert war, eine Notfrist einzuhalten.

Also das ist sicher ein dicker Fehler. Es kann nur eine Partei WE beantragen, also hier der Händler. Der Händler muss sich aber ein Verschulden des R wegen § 85 Abs. 2 ZPO anrechnen lassen.
 

AachenerKreuz

GOLD - Mitglied
Also das ist sicher ein dicker Fehler. Es kann nur eine Partei WE beantragen, also hier der Händler. Der Händler muss sich aber ein Verschulden des R wegen § 85 Abs. 2 ZPO anrechnen lassen.

§ 85 (2) hätte ich auf jeden Fall bringen müssen, das ist richtig, danke! Ist ans Entwicklerteam gestreut - Hotfix für meine DNA ist in der Mache.

Kleiner Schritt fehlt noch von § 85 (2) zur Verhinderung im Sinne von § 233: die Partei ist nicht schon dadurch verhindert, die Frist einzuhalten, dass der Anwalt verhindert ist. Nur vor dem LG kann die Partei mangels Postulationsfähigkeit nicht tätig werden. Vor dem AG müsste man noch darauf achten, ob die Partei selbst Kenntnis von der Frist hatte oder ob er erkennbar außen vor war, weil alle Post an den Anwalt ging und nicht an die Partei gestreut wurde.

Weiter gute Vorbereitung


Fabian
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Bei dem Antrag auf Erlass eines VU muss man nicht mit innerprozessualer Bedingung argumentieren.

Das ist direkt in § 331 Abs. 3 S. 2 ZPO so vorgesehen.
 

AachenerKreuz

GOLD - Mitglied
Bei dem Antrag auf Erlass eines VU muss man nicht mit innerprozessualer Bedingung argumentieren.

Das ist direkt in § 331 Abs. 3 S. 2 ZPO so vorgesehen.

Würde ich nur dann so sehen, wenn die Klageschrift einen "nackten" Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils enthält. Hier steht ausdrücklich die Bedingung "für den Fall der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens" drin, also ist zu prüfen, ob dies zulässig ist. Wenn die Bedingung den Antrag unzulässig macht, gibt es keinen Antrag und die Tür zum § 331 (3) ist zu.


Fabian
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Also nach meinem Verständnis geht das gar nicht anders und ist auch die Regel. Siehe z.B.

Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 3. Auflage 2008, § 331 Rn 48:

"Der Kläger muss den Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren beantragt haben. Da ein solcher Antrag in diesem Stadium des Verfahrens nur schriftlich in Betracht kommt und er dem Beklagten zugestellt sein muss, ist ein solcher Antrag nur in der Klageschrift selbst (vgl. § 331 Abs. 3 S. 2) oder in einem nachfolgenden Schriftsatz möglich. Der Antrag ist auf das schriftliche Vorverfahren beschränkt."
 

AachenerKreuz

GOLD - Mitglied
Also nach meinem Verständnis geht das gar nicht anders und ist auch die Regel. Siehe z.B.

Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 3. Auflage 2008, § 331 Rn 48:

"Der Kläger muss den Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren beantragt haben. Da ein solcher Antrag in diesem Stadium des Verfahrens nur schriftlich in Betracht kommt und er dem Beklagten zugestellt sein muss, ist ein solcher Antrag nur in der Klageschrift selbst (vgl. § 331 Abs. 3 S. 2) oder in einem nachfolgenden Schriftsatz möglich. Der Antrag ist auf das schriftliche Vorverfahren beschränkt."

Genaugenommen ist es ja nach dem Wortlaut des § 331 (3) ein "Antrag auf Entscheidung ohne mündliche Verhandlung" und kein "Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils", also etwas leicht anderes. Wenn ich also die Klage einreiche und auf jeden Fall ein Versäumnisurteil haben will, egal ob der Vorsitzende jetzt ein schriftliches Vorverfahren oder einen frühen ersten Termin anordnet - dann muss ich logischerweise BEIDE Anträge in der Klageschrift stellen, ein "Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils" deckt NICHT beides ab.

Zack! Schon springt mir aus dem Schönfelder das nächste Knöllchen entgegen.


Fabian
 
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