Kostenfestsetzung Nichtigkeitsverfahren

Fip

*** KT-HERO ***
Der BGH hat klargestellt, dass die Geschäftsgebühr nicht zu den Prozesskosten gehört, die in einem Kostenfestsetzungsverfahren gemäß ZPO festgesetzt werden können (BGH VIII ZB 57/07, BGH VII ZB 116/05, III ZB 8/08, und weitere). Außerdem vermindert sich die zu den Prozesskosten gehörende Verfahrensgebühr um die 0,65-fache Geschäftsgebühr und nicht umgekehrt.

Das bedeutet, dass ich in einem normalen Fall der analogen Heranziehung des RVG für die Kostenerstattung einer patentanwaltliche Vertretung im Nichtigkeitsverfahren nur 0,65 Verfahrensgebühr und 1,2 Terminsgebühr (von anderen Kosten wie Gerichtskosten, Reise- und Recherchekosten einmal abgesehen) nur 1,85 Gebühren im Rahmen der Kostenfestsetzung ersetzt verlangen kann. Die Geschäftsgebühr ist meinem Mandanten aber nach GoA oder nach den Regeln des Schadenersatzes zurückzuerstatten. Das ist aber ein zivilrechtlicher Anspruch, der - folgt man streng dem BGH - nicht einmal unter § 143 (3) PatG.

Wie kann ich nun für meinen Mandanten, der seine Nichtigkeitsklage natürlich vollumfänglich gewonnen hat, die Erstattung der Geschäftsgebühr durchsetzen? Ist das zwingend mit einer neuen Klage vor einem Zivilgericht zu machen (was ja prozessökonomischer Wahnsinn ist und außerdem zusätzliche Gebühren eines RA auslösen wird), oder kann ich auch beim BPatG einen entsprechenden Antrag stellen und das im Hinblick auf den angesprochenen prozessökonomischen Wahnsinn unter den Begriff Billigkeit im § 84 PatG subsumieren? Es wäre doch ein Irrsinn, wenn nicht das Gericht, dessen Entscheidung den Erstattungsanspruch ursächlich begründet, nicht auch über diesen Anspruch entscheiden kann.

Wie seht ihr das?
 

Fip

*** KT-HERO ***
Es ist ja bekannt, dass hier im Forum die Resonanz seit der Registrierungspflicht "ein wenig" nachgelassen hat ... Aber ist meine Frage so abwegig oder gar bescheuert, dass sie überhaupt keine Resonanz verdient?
 

PAPA

GOLD - Mitglied
Die Durchsetzung der vorpozessual angefallenen Geschäftsgebühr kann - wenn der Gegener eine Erstattung verweigert - nach den von Dir zitierten Urteilen in der Tat nur im Wege einer neuen Zivilklage geltend gemacht werden. Wenn im Kostenfestsetzungsverfahren eine 1,3-Verfahrensgebühr festgesetzt wurde, besteht - unter Anrechnung der "Zuvielleistung" für das gerichtliche Verfahren - natürlich nur noch ein Anspruch auf eine 0,65-fache Gebühr.

Der von Dir geschilderte "prozessuale Wahnsinn" liegt doch auf Seiten desjenigen, der sich weigert, den berechtigten Anspruch auf Erstattung der Geschäftsgebühr (bzw. der Differenz) zu erfüllen. Dann muss er halt auch noch die Kosten für dieses Verfahren tragen.

Im Übrigen wird im Kostenfestsetzungsverfahren zur Hauptsache - sofern nicht dort bereits die Geschäftsgebühr im Raum stand oder von der Gegenseite ein entsprechender Einwand kommt - stets die volle 1,3-Gebühr in Ansatz gebracht. Eine Reduzierung der Verfahrensgebühr auf 0,65 mit dem Hinweis, dass ja ergänzend und separat noch eine teilweise anzurechnende 1,3-Geschäftsgebühr aus einer vorprozessualen Vertretung geltend gemacht werden könnte, habe ich noch nicht erlebt. Das Gericht weiß ja in der Regel auch nicht, ob vorprzessual abgemahnt wurde.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Ist es nicht die Regel, dass die vorprozessuale Geschäftsgebühr anfällt? Wer wird denn schon direkt mit einem Klageauftrag mandatiert. In der Regel soll man doch erst einmal beraten, die Erfolgsaussichten ausloten, etc. und dann klagen. Streng genommen müsste man doch als Unterlegener stets meckern, wenn die obsiegende Gegenseite eine 1,3-fache Verfahrensgebühr geltend machen will.

Außerdem: Wenn die vorprozessuale Geschäftsgebühr nicht zu den Prozessgebühren gehört, dann fällt sie doch für einen Patentanwalt eigentlich gar nicht an, weil § 143 PatG ja die Anwendbarkeit des RVG nur für die Kosten vorsieht, die im Rechtsstreit in einer Patentstreitsache entstehen. Und die vorprozessuale Beratung eines Mandanten im Hinblick auf eine möglicherweise einzulegende Nichtigkeitsklage ist kein Rechtsstreit bzw. keine Patentstreitsache. Dann muss ich also auf zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen zurückgreifen. Und welche wären das? GoA, Schadenersatz, ... ? Mit welcher Begründung? Und muss ich den vermeintlichen Schuldner dann außerdem an seinem Wohnort verklagen, weil die ausschließliche Zuständigkeitsregelung des § 143 (1) PatG nicht greift?

Also, ich finde das ist alles nicht so klar ...
 

PAPA

GOLD - Mitglied
1) Gerade im Patentnichtigkeitsverfahren fällt die vorprozessuale Geschäftsgebühr nicht automatisch an.

Häufig ist ja ein paralleler Verletzungsprozess anhängig, in dem dann vorprozessual korrespondiert (z.B. abgemahnt) wurde. Die Geschäftsgebühr ist dann teilweise auf die Gebühren im Verletzungsverfahren anzurechnen. Wenn ein solcher Prozess anhängig ist, wird in Sachen der Nichtigkeitsklage meist nicht mehr abgemahnt.

2) Selbstverständlich sind die vorprozessualen Kosten des mitwirkenden Patentanwalts (z.B. im Rahmen einer Abmahnung) nach § 143 PatG zu erstatten. in § 143 Abs. 3 wird nur die Mitwirkung im "Rechtsstreit" gefordert; hier steht nicht "gerichtliches Verfahren".

3) Es ist meines Wissen anerkannt, dass z.B. die Anwalts- und Patentanwaltsgebühren für eine Abmahnung auch über die Regeln der GoA von der Gegenseite erstattet werden müssen.

4) Eine Rüge wegen einer geforderten 1,3-Verfahrensgebühr durch die Gegenseite unterbleibt m.E. deshalb fast immer, da man hierdurch ja den Anwalt der Gegenseite erst auf den Gedanken bringt, auch die vorprozessuale Geschäftsgebühr einzufordern, was nach meiner Erfahrung häufig unterlassen wird.
 

PAPA

GOLD - Mitglied
nochmal zu 2)

Es geht in den genannten Urteilen ja nicht um die Erstattungsfähigkeit der Geschäftsgebühr als solche; es geht nur darum, ob diese im Wege der Kostenfestsetzung zum gerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden kann, was verneint wurde.
 

Fip

*** KT-HERO ***
zu 1) Häufig heißt noch lange nicht immer ... Noch lange nicht jedem Rechtsstreit geht eine Abmahnung voraus, eine ausführliche Beratung aber schon eher.

zu 2) Dass sieht meiner Kenntnis nach zumindest die Patentstreitkammer in Düsseldorf anders ...

zu 3) siehe 1): Abmahnung ja, als Eingriff in den einger. u. ausgeübten Gewerbebetrieb. Und wenn eben nicht abgemahnt wurde? Was ist beispielsweise mit der Verzichtsaufforderung auf das Patent vor Einlegen der Nichtigkeitsklage?

zu 4) womöglich wird das deshalb unterlassen, weil es darauf keinen Anspruch gibt?

Was Du schreibst, stimmt für viele Fälle womöglich, aber eben noch lange nicht für alle ... Ich will das Thema auch nicht bis ins kleinste Detail auswalzen ... Aber die relativ neue BGH Rechtsprechung wirft schon einige Fragen auf.
 
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