Dr. No schrieb:
Auf einen ausscheidenden Altpartner kommen demnach nicht mehr nur noch ein oder zwei, sondern eine Vielzahl von nachrückenden Junganwälten. Das alte Modell der letzten Jahrzehnte, in welchem ein ausscheidender Altpartner durch ein oder zwei nachrückende Jungpartner ersetzt wurde, funktioniert somit nur noch begrenzt
Das liegt in der Natur solcher "Pyramidenspiele". Natürlich ist es sinnvoll und notwendig, mehr PAs zu beschäftigen, wenn die Arbeit zunimmt. Und wenn die Arbeit weniger wird, werden automatisch einige PAs gehen, zumindest, wenn nicht schon alle Partner sind. Das wirkliche Problem entsteht aber, wenn die finanziellen Reglungen für die ausscheidenden PAs nicht zukunftssicher sind.
Man wird es der Gründergeneration gönnen müssen, vom Erfolg des Geschaffenen auch noch mit dem Ausscheiden zu profitieren. Die erste Generation Anwälte hat den so gut laufenden "Gewerbebetrieb" schließlich eingerichtet, die nachfolgende Generation kann die bereits vorhandene Infrastruktur nutzen, ohne selbst noch viel Arbeit neben der Sacharbeit investieren zu müssen. Also gibt es oft auch noch Gewinnanteile oder feste Renten für ausscheidende PAs. Die Vorsorge für das Ausscheiden hat aber natürlich große Nachteile: die ausscheidende Generation teilt sich einen Anteil des aktuell und zukünftigen Erwirtschafteten. Scheiden viele Anwälte aus, muss das "Ruhestandsgeld" entweder gering werden, oder die Lasten für die verbleibenden arbeitenden Anwälte müssen steigen (=> die arbeitenden Partner teilen sich geringer werdende verbleibende Gewinnanteile). Kommt also eine Phase der Stagnation, kann ein scheidender Anwalt theoretisch nur noch mitnehmen, was ein neuer Partner zusätzlich einbringt (was aufgrund der nicht mehr so glänzenden Lage der Kanzlei auch weniger Geld sein wird). Und das, obwohl er selbst den zum Zeitpunkt des eigenen Eintritts (Wachstum) ausscheidenden wenigen Anwälten ein ordentliches Altenteil spendiert hat. Die Sache kann somit sogar kippen: die vielen scheidenden Anwälte der mittleren Generation, die in den Zeiten massiven Wachstums hinzugekommen sind, können plötzlich nur noch wenigen neuen Partnern gegenüberstehen, wobei gleichzeitig die Attraktivität für die neuen Partner, in eine solche Kanzlei mit beginnendem Generationenproblem einzusteigen, sinkt, also auch das Geld oder der Gewinnverzicht der nachrückenden Anwälte weniger wird. Solche Kanzleien brauchen plötzlich aus diesen nur vordergründig wirtschaftlichen Gründen einen konstanten Nachschub an Jungpartnern und richten dann für die dritte oder vierte Generation von Anwälten feste Fahrpläne zur Partnerschaft ein (z.B. beide Zulassungen, dann drei Jahre mindestens Umsatz Betrag X => Partnerschaft).
Doch das Problem beginnt meist noch früher: die mittlere Generation will ihren nicht mehr ständig wachsenden Kuchen gar nicht mehr mit mehr Leuten teilen, der Weg zum Partner wird dann notwendigerweise immer länger gemacht. Solche Kanzleien führen Mentorenprogramme und Juniorpartnerschaften ein. Im Grunde sind das Hamsterräder mit wechselnden Aussichten, die den längerwerdenden Weg angenehmer gestalten sollen.
Die freien Mitarbeiter sind in Zeiten, in denen mit Formalaufgaben (=Sekretariat) immer weniger Geld verdient werden kann, die wichtigste Quelle des Gewinns der Kanzlei (natürlich tragen die Partner selbst das Ihrige zum Umsatz bei, bekommen aber wenigstens im Durchschnitt auch das, was sie selbst beigetragen haben, als Gewinnanteil zurück). Wenn man nun nicht mehr immer mehr Junganwälte ein paar Jahre "ausbeuten" kann, weil man gar nicht so viel Arbeit für die vielen Junganwälte hat, müssen die immer weniger Junganwälte immer länger "ausgebeutet" werden. Was immer weniger Junganwälte mitmachen werden. Es ergibt sich wiederum ein Teufelskreis.
Was tut man mit den übrigen Junganwälten, die nicht mehr als Sozius aufgenommen werden können?
Das, was man mit allen jungen ehrgeizigen Arbeitnehmern macht: ihnen möglichst lange die Illusion einer Karrieremöglichkeit geben, um von ihrer überdurchschnittlichen Arbeitsleistung möglichst lang zu profitieren.
Mich würden Erfahrungen aus Euren Kanzleien interessieren: Wird tatsächlich nur für den Eigenbedarf ausgebildet?
Bei uns ja. Hier ist auch noch die erste Generation im Sattel und die mittlere Generation rückt gerade erst nach.
Werden bewusst Unter- (Kandidaten) und Mittelschichten (Associates) gebildet, die den Partnern zuarbeiten?
Nein.
Sind/werden Zwischenebenen für Partner, z.B. Juniorpartnerschaften, eingeführt?
Nein.
Variieren die Modelle in Abhängigkeit von der Kanzleigröße?
Garantiert. Je größer die Kanzlei, desto mehr müssen Strukturen und Hierarchien eingeführt werden. Entscheidungen können in der Partnerschaft nicht mehr einstimmig getroffen werden, es müssen Mehrheitsabstimmungen her usw. Demzufolge kann sich aber auch nicht mehr jeder Partner eine Meinung über einen potentiellen neuen Partner bilden, der Beitritt zur Partnerschaft wird immer mehr von (Umsatz-)Zahlen abhängig gemacht und wird immer mehr ein Automatismus. In kleineren Kanzleien gibt es eher eine Art "Schwiegervaterverhältnis" zu den Altpartnern. Es entscheiden mehr persönliche Gründe und es geht dem Ausscheidenden eher darum, die Kanzlei wirklich zu übergeben, anstatt sie quasi ohne Ansicht der Person des Käufers zu versilbern.
Das obige ist keine Verurteilung von Kanzleien und deren Wirtschaftsmodellen, nur ein paar Punkte, über die man nachdenken sollte, wenn man überlegt, wo man die Energie investieren soll, um seine Karriere anzuschieben. Egal, wie gut die Kanzlei ist und wie groß die Mandate sind, die Altersstruktur der Partnerschaft ist m.E. wichtiger. Wenn man nicht gerade selbst eine Kanzlei gründen will, sollte man gut hinschauen, welche Entwicklungen bei einer Kanzlei überhaupt realistischerweise noch möglich sind. Immerhin soll das ja im Idealfall eine Entscheidung für die nächsten ca. 30 Jahre werden. Ich selbst bin in einer mittelgroßen überregionalen Kanzlei mit gutem Ruf ausgebildet worden, in der sehr auf die zügige Ausbildung wertgelegt wurde. Die Ausbildungsverhältnisse waren überaus fair, das Niveau der Kanzlei halte ich immer noch für deutlich überdurchschnittlich. Aber diese Kanzlei hatte nach meiner Wahrnehmung das oben beschriebene Problem der mittleren Generation (die Altpartner schieden gerade aus), die nicht mehr mit immer mehr Anwälten teilen will. Damit haben sie immerhin das Problem des wirtschaftlichen Zwangs von immer neuen Jungpartnern vermieden, welches m.E. zu einem Niveauverfall führen kann (auch da kenne ich mindestens eine Kanzlei), viel attraktiver wurde die Kanzlei dadurch für mich aber nicht. Der Weg zur Partnerschaft wäre - so überhaupt gangbar - deutlich steiniger und länger gewesen als in anderen (jüngeren) Kanzleien.