Industrie und externe Patentanwälte

Student

GOLD - Mitglied
Hallo zusammen,

in Stellenanzeigen für einen Patentanwalt in der Industrie findet man oft die Passage, dass die "vertrauensvolle Zusammenarbeit mit externen Patentanwälten" mit zu den Aufgaben gehören wird.

Ich frag' mich da, ob es nicht unerquicklich ist, selbst quasi nur "Handlanger" für externe Kanzleien zu sein, die sich mit den vermittelten Anmeldungen eine goldene Nase verdienen? Ist der Industrie-Patentanwalt in dem Fall nur eine "qualifiziertere Sekretärin"?


--

Und noch was anderes: Ist es praktikabel während der Promotion in einer Kanzlei "ein paar Stunden die Woche" mitzuarbeiten, und was kann realistisch pro Stunde angesetzt werden?


Grüße
Student
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Hi,

zum Thema 1:

mir wurde mal von Ind.-PAs gesagt: wir machen unsere Bescheidserwiderungen auf deutsch und lassen die von ext. PSs ins englische übersetzen...

also auch das kann damit gemeint sein...

oder du bereitest die bei dir eingehenden, meist sehr rudimentären Erfindungsmeldungen noch für die externen PAs auf und liest dann die Anmeldungen im Kontakt mit den Erfindern gegen

oder du wertest von ext. PAs gemachte Recherchen aus

oder oder oder

ist relativ vielfältig

zum Thema 2:

als was willst du denn stundenweise arbeiten ? Patentingenieur ? Hast du Vorkenntnisse ?

Villeicht zum Vergleich:

als Kandidat im Amtsjahr oder fertiger Kollegenarbeiter wird man in München auf freiberuflicher Basis wohl mit +- 100 € pro ABRECHENBARE Stunde rechnen können.. d.h. wohl um die 50-70€ pro tatsächliche Stunde ... nach Wörtern abrechenbare Übersetzungen sind vermutlich relativ selten geworden.

wenn man als Einsteiger von außen ohne große Vorkenntnisse stundenweise arbeiten will, wird einem eine Kanzlei wohl entsprechend weniger zahlen... vielleicht 30 - 40 €/h auf freiberuflicher Basis ??? keine Ahnung...

bei Festanstellung vermutlich noch mal deutlich weniger... bricht man ein Kandidatengehalt bei Anstellung auf die Stunde runter kommt man wohl auf einen Wert +- 25 €/h, d.h. als Einsteiger wohl nochmal weniger => 400 €-Basis :) ?

Ich bezweifle jetzt mal stark, dass sich das finanziell wirklich lohnt

Grüße

Ah-No Nym
 

Student

GOLD - Mitglied
Nach der Schilderung kommt es wohl auf den Einzelfall an, ob man als Industrie-PA der externen Kanzlei zuarbeitet, oder umgekehrt, die Kanzlei dem Inhouse-PA.

--


Die Frage "als was ich in einer Kanzlei arbeiten will" ist genau der Punkt, denn Vorkenntnisse im Patentbereich liegen leider nicht vor, sodass das Ansinnen vor allem dazu dienen soll, schon vor der Kandidatenzeit einen gleitenden Einstieg und Einblick in das Gebiet zu bekommen.

"Patentingenieur" wäre insofern vielleicht zu hoch gegriffen. "Studentische Hilfskraft" trifft es vermutlich besser. - Vorausgesetzt, dass sich mit ein paar Stunden die Woche auch tatsächlich eine "Hilfskraft" für die Kanzlei einerseits und ein Gewinn (sei es finanziell und/oder erfahrungsmäßig) für mich andererseits einstellt.

Gibt es für solche Beschäftigungsformen hier Erfahrungen? Welche Arbeiten wird man zu Beginn und generell jenseits der Übersetzung praktikabel durchführen können?
 

PhD

SILBER - Mitglied
Wenn Du wirkliche PA-Arbeit machen willst, lohnt sich das ohne Vorkenntnisse nur für Dich, nicht für die Kanzlei. Denn wirklich arbeiten kannst Du da nicht, sondern nur ausgebildet werden. Auch Kandidaten kosten im ersten Jahr mehr, als sie einbringen. Im 2. Jahr läuft der kandidat so mit, im 3. Jahr bringt er Geld.

Um es mal so auszudrücken: Bei jemand ohne Vorkenntnisse kann ich die Arbeit besser selber machen. Das geht schneller, als die Schriftsätze von jemand anderem korrigieren zu müssen und den Fall mit demjenigen zu besprechen.

Insofern würde ich da nicht mit einer Bezahlung rechnen wollen, ggf. schon eher mit einem unbezahlten Praktikum. Wenn Du Dich nicht als Kandidat verpflichtest, sondern einfach nur mal so reinschnuppern und was lernen willst, würde ich dafür aber eher noch Geld von Dir nehmen, denn schließlich kostet jede Erklärung Zeit.
 

PAmuc

Vielschreiber
Student schrieb:
Hallo zusammen,

in Stellenanzeigen für einen Patentanwalt in der Industrie findet man oft die Passage, dass die "vertrauensvolle Zusammenarbeit mit externen Patentanwälten" mit zu den Aufgaben gehören wird.

Ich frag' mich da, ob es nicht unerquicklich ist, selbst quasi nur "Handlanger" für externe Kanzleien zu sein, die sich mit den vermittelten Anmeldungen eine goldene Nase verdienen? Ist der Industrie-Patentanwalt in dem Fall nur eine "qualifiziertere Sekretärin"?
Hm...ein Industriepatentanwalt könnte darauf folgendes erwidern:
Der Handlanger ist eher der freie Anwalt, der sich mit der konkreten Ausarbeitung einer Anmeldung abrackern darf. Die Industrie verursacht derzeit einen ziemlichen Kostendruck, dass der freie Anwalt seine eventuell früher verdiente goldene Nase mittlerweile eher versilbern müsste, um noch einigermaßen um die Runden zu kommen.

Was macht der/die Indsutriepatentanwalt(-in), während der freie Anwalt sich mit den Niederungen einer Erfindung herumschlägt? Er arbeitet an einer operativen und strategischen Patentarbeit, entscheidet mit den Abteilungsleitern, welche Schutzrechte interessant sind, um gehalten/nachangemledet/verwertet/durchgesetzt werden. Er macht selbst Anmeldungen, die ihm zu wichtig sind, um sie an einen freien Anwalt rauszugeben, der nicht, wie er, ein Spezialist in einem bestimmten Bereich ist, weil freie Anwälte ja alles anmelden, was dem Kunden beliebt. Er bezieht ein Gehalt, für das der freie Anwalt vergleichsweise schon etwas mehr Stunden aufbringen muss. Klingt Alles in Allem nicht sehr nach einer qualifizierten Sekretärin oder einem qualifizierten Sekretär, n'est-ce pas?
 

Das gelbe U

*** KT-HERO ***
Ohne jemandem nahe treten zu wollen: In der Regel ist es so, dass der Industrieangestellte weniger verdient, weniger Ausbildung oder Zulassungen hat, aber eindeutig in der Hierarchie am längeren Hebel sitzt und bspw. oft selbst entscheiden kann, was er selber macht und was er lieber machen lässt. Ich kenne einige, die von der Kanzlei in die Industrie unter Gehaltsverlust gewechselt sind, aber wesentlich zufriedener sind, auch weil die Kanzlei-üblichen Querelen das Leben deutlich schwerer als in einem Großunternehmen machen können. Direkt anfangen in der Industrie würde ich aber nicht sondern lieber erstmal eine Ausbildung in einer Kanzlei machen, wechseln kann man später immer noch.
 

grond

*** KT-HERO ***
Weiterer Gesichtspunkt: in der Industrie ist man Angestellter mit allen Vor- und Nachteilen. Vorteile wären, dass der Arbeitgeber seinen Teil der sozialen Absicherung mitträgt (Lohnfortzahlung im Krenkheitsfall), man einen Urlaubsanspruch hat, den man auch in der Praxis nutzen kann, und man leichter als als Selbständiger in jungen Berufsjahren einen Kredit z.B. für den Kauf einer Wohnung bekommt, also dann, wenn man ihn in doppelter Hinsicht braucht (Familiengründung und noch eher magere finanzielle Rücklagen).

Nachteile: stärkere Weisungsbindung, Anwesenheitspflichten, Verlust eines Teils des Bruttolohns in Arbeitslosen- und Rentenversicherung.
 

PAmuc

Vielschreiber
Das gelbe U schrieb:
Direkt anfangen in der Industrie würde ich aber nicht sondern lieber erstmal eine Ausbildung in einer Kanzlei machen, wechseln kann man später immer noch.
Da gebe ich dem Vorredner schon recht. Das mag vor Allem für diejeinigen stimmig sein, die möglichst schnell die Zulassung zum Patentanwalt anstreben.

Man könnte aber auch für die Industrie plädieren, bei der man üblicherweise zunächst die Qualifikation des zugelassenen Vertreters erwirbt und anschließend die deutsche.

Für diesen Weg spricht, dass bei vielen Unternehmen die Ausbildung sorgfältiger ist und auch finanziell besser unterstützt wird als bei einem Kandidaten einer Kanzlei, der anfangs schon arg für die Kanzlei arbeiten muss und seine Ausbildung quasi nebenher machen muss.
 

grond

*** KT-HERO ***
PAmuc schrieb:
Für diesen Weg spricht, dass bei vielen Unternehmen die Ausbildung sorgfältiger ist
Ich weiß von Industriekollegen, dass die Art der Arbeit aber sehr anders sein kann als die in der Kanzlei. In der Kanzlei wird man (hoffentlich) vor allem Anmeldungen schreiben und Bescheidsberichte machen. Das wird dann, wenn man später in die Industrie wechselt, auch die Arbeit sein, deren Qualität man als Auftraggeber beurteilen können muss. In der Industrie können diese Arbeiten - je nach Ausrichtung der IP-Abteilung - auch zu kurz kommen oder komplett ausgelagert sein, so dass man eventuell in anderen Bereichen solide ausgebildet wird, hier jedoch eine wichtige Lücke aufweist. Eine Industrie-Kollegin, auf die ich große Stücke halte, beklagte sich, dass für sie bei der EQE die Teile A und B die schwierigsten gewesen seien, weil sie in der Industrie niemals Anmeldungen oder Bescheide gemacht hatte. C und D seien hingegen ja einfach gewesen, weil man einfach nur ein bisschen lernen musste (sie hat alle vier beim ersten Versuch bestanden).
 

PAPA

GOLD - Mitglied
Meines Erachtens wird hier die Tätigkeit eines Patentanwalts in einer Kanzlei nicht erschöpfend wiedergegeben:

1.) Das Interessante an der Tätigkeit in einer Kanzlei ist auch der Kontakt zu verschiedensten Mandanten, einschließlich der Beratung in Strategiefragen bezüglich der gesamten IP-Strategie.

2.) Die Ausarbeitung von Neuanmeldungen und Bescheidserwiderungen stellt - m.E. glücklicherweise - nur einen Teilbereich der patentanwaltlichen Tätigkeit dar.

Dazu kommt nämlich die Bearbeitung von Fragen in Zusammenhang mit dem Arbeitnehmererfindungsrecht, dem Lizenzvertragsrecht, der Übertragung von Patenten, Marken, etc. im Rahmen kaufvertraglicher Regelungen, inkl. der Ausarbeitung/ggfs. auch Verhandlung entsprechender Vereinbarungen bzw. Verträge.

Ferner die Beratung in Patentverletzungsfragen, einschl. der Abmahnung/Verwarnung von Schutzrechtsverletzern und Mitwirkung in Patentverletzungsprozessen.

Die Ausarbeitung und Einreichung von Einsprüchen bzw. Nichtigkeitsklagen gegen Patente von Wettbewerbern des Mandanten bzw. die Verteigung der Schutzrechte des Mandanten gegen Angriffe von Dritter Seite.

Die Durchführung von mündlichen Anhörungen beim DPMA bzw. mündlichen Verhandlungen beim BPatG bzw. beim EPA (vor der Prüfungs- oder Einspruchsabteilung bzw. vor den Beschwerdekammern).

Schließlich kommen noch - zumindest in Kanzleien kleiner und mittlerer Größe - die Beratung und Vertretung in Zusammenhang mit Marken/Geschmacksmustern (inkl. diesbezüglicher Streitigkeiten) hinzu.

Insgesamt erachte ich die Tätigkeit als Patentanwalt für sehr vielfältig und kann mir - mangels Kenntnisse von den Arbeitsbedingungen in einer Industriepatentabteilung - nicht so recht vorstellen, dass die Tätigkeit dort ähnlich vielschichtig ist.
 

grond

*** KT-HERO ***
PAPA schrieb:
Insgesamt erachte ich die Tätigkeit als Patentanwalt für sehr vielfältig und kann mir - mangels Kenntnisse von den Arbeitsbedingungen in einer Industriepatentabteilung - nicht so recht vorstellen, dass die Tätigkeit dort ähnlich vielschichtig ist.
Was Du beschreibst, mag in wirklich interessanten Kanzleien mit vielfältiger Mandantenstruktur so sein. Viele Kanzleien haben aber vor allem in- und ausländische Konzerne als Mandanten, die in großer Menge Anmeldungen und Bescheide fertigen lassen (und leben sehr gut davon), den interessanten Kram (immer häufiger auch die Bescheide) aber entweder selbst machen oder sehr konzentriert an ausgesuchte Kanzleien vergeben. Vielleicht seid Ihr ja so eine Kanzlei... :)

Gerade wenn der Mandantenstamm viele ausländische Konzerne umfasst, ist die Neigung hoch, Verletzungsklagen als Teil von Lizenzverhandlungen bei einem gewissen Bezirksgericht in Texas einzureichen. Davon kann man dann in der Zeitung lesen, auf den eigenen Tisch kommt so etwas jedoch nie.

Selbst Einsprüche sind da selten, weil lieber in großer Menge selbst Patente produziert werden, als sich die Mühe zu machen, die Patente der eventuellen Konkurrenz zu analysieren. Und Arbeitnehmererfinderrecht ist naturgemäß eine Domäne der Patentabteilungen. In einer Kanzlei beschränkt es sich doch regelmäßig auf den Hinweis an den Einzelerfinder, dass er aber die Erfindung seinem Arbeitgeber melden muss, so er einen hat.

Kürzlich hatte ich eine Erfindergemeinschaft, die eventuell eine Patentverletzungsklage anstrengen wollte. Ich habe sehr ausführlich die Situation analysiert und dabei auch haarklein das Kostenrisiko vorgerechnet. Habe schon längere Zeit nichts mehr von denen gehört... :eek:)

Aber okay, "meine" Kanzlei ist da halt einfach langweilig: größtenteils Japan, USA und deutsche Großkonzerne...
 

al patente

Vielschreiber
Die Diskussion zeigt sehr schön (sorry für die Platitüde): Es kommt halt immer ganz drauf an ...

grond hat das gerade für "die Kanzlei" ausgeführt. Ich meine für "die Industrie" sprechen zu können. Dort gibt es Unternehmen (wie unseres), in denen nahezu jeder mit Sacharbeit beschäftigte Mitarbeiter der Patentabteilung beide Zulassungen hat, in denen Kandidaten für den Eigenbedarf geradlinig und gründlich ausgebildet werden (und fast ausnahmslos beide Prüfungen im ersten Anlauf schaffen), in denen die meisten (und vor allem die wichtigen) Anmeldungen selbst geschrieben werden und in denen tendenziell nur eher lästige Tätigkeiten an externe Patentanwälte vergeben werden. Gleichzeitig gibt es aber (große und kleine) Unternehmen, in denen kaum ein Sachbearbeiter beide Prüfungen/Zulassungen hat, in denen wenig Raum für Kandidatenausbildung besteht und in denen kaum eigene Anmdeldungen geschrieben werden.

Da es also weder eine "typische" Kanzlei zu geben scheint noch eine "typisches" Industriepatentabteilung - wie soll es da eine "typische" Zusammenarbeit zwischen Kanzlei und Industriepatentabteilung geben? Man muss wohl genauer hinsehen.
 

karl-heinz

Schreiber
Nach der Kandidatenausbildung in der Kanzlei war ich zunächst als Patentanwalt in derselben Kanzlei tätig, bevor ich in eine Industriepatentabteilung gewechselt bin.

Ich kenne somit beide Seiten ein wenig und kann zumindest für mich sagen, dass der Wechsel in die Industrie der richtige Schritt war. Neben der internationalen Arbeitsatmosphäre und der problemlosen Teilnahme an kostenpflichtigen Fortbildungsveranstaltungen hat es sich auch finanziell gelohnt.

Da die Arbeitsbedingungen aber immer von der jeweiligen Kanzlei oder dem jeweiligen Arbeitgeber abhängen, solltest Du Dir beides einmal genauer anschauen, bevor Du irgendwo einen Vertrag unterschreibst. Da am Anfang immer viel versprochen wird, sollte man meiner Meinung nach eher ehemalige Kandidaten oder Sachbearbeitern nach ihrer Meinung fragen als den Chef...
 
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