EPÜ Heilbarer Mangel eines Einspruchs, der ungeheilt zur Unzulässigkeit führt?

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

gibt es nach der Einspruchsfrist heilbare Mängel eines Einspruchs gegen ein Europäisches Patent, die ungeheilt dazu führen, dass der Einspruch nicht als Einwendung Dritter zu der Akte genommen wird?

Fehlende Unterschrift des Einsprechenden ist ja auch nach Ablauf der Einspruchsfrist noch heilbar, führt aber ungeheilt "nur" dazu, dass der Einspruch als nicht eingelgt gilt. Er wird dann trotzdem als Einwendung Dritter zu der Akte genommen.

Kann mir da einer weiterhelfen?

Gruß
Gerd
 

philkopter

GOLD - Mitglied
Ich versuch mich mal an einer Antwort, auch wenn du viel erfahrener Sein magst. Daher entschuldige wenn ich daneben liege.

"Documents submitted with a notice of opposition which is deemed not
to have been filed will form part of the file and will thus be available
for inspection in accordance with Art. 128(4). They will be regarded
as observations by third parties under Art. 115." Guidelines D-IV

Laut den Guidelines werden Dokumente immer als Einwendung Dritter angesehen, wenn Mängel nicht korrigiert worden sind. Außer es betrifft einen der Mängel nach Regel 76(2)c die demnach nicht korriegierbar sind, was aber ohnehin Sinn macht.


Wenn du der einzige Einsprechende bist kommt es dann halt zu keiner Verhandlung.
 
Zuletzt bearbeitet:

EQE2009-Gast

*** KT-HERO ***
Für den Fall, dass der Einspruch als unzulässig verworfen wird (und nicht als nicht eingelegt fingiert wird), enthalten die GL zumindest keine ausdrückliche Aussage dahingehend, dass der Einspruch als Eingabe Dritter nach Art. 115 behandelt wird. Siehe GL D-IV, 1.4.2. Allerdings wird vermutlich auch ein unzulässiger Einspruch zur Akte genommen, wäre also für weitere Einsprechende einsehbar.

Einen mit behebbaren Mängeln behafteten Einspruch, der im Fall der Nichtbehebung zur Unzulässigkeit und nicht zur Fiktion des Nicht-Einlegens führt, kann man beispielsweise durch unvollständige Angabe der Anschrift des Einsprechenden erzeugen. Dann folgt ein Mängelbehebungsverfahren nach R. 77(2), 76(2)(a), 41(2)(c) EPÜ.
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

erfahrener oder nicht, ich freue mich über jede Antwort :)

Wie will das EPA ein Verfahren einleiten, wenn es keine vollständige Anschrift hat?
Ok, man könnte nur die PLZ angeben und den Ortsnamen weglassen.


Scheibar wird auf Unzulässigkeit leider nur dann geprüft, wenn der Einspruch als eingelegt gilt (GL D-IV, 1.2.2).
Wäre schon etwas ungewöhnlich, wenn ein als nicht eingelegt geltender Einspruch zur Akte kommen würde, ein als eingelegt geltender aber nicht zulässiger Einspruch dagegen nicht.
Trotzdem schade.

"Documents submitted with a notice of opposition which is deemed not
to have been filed will form part of the file and will thus be available
for inspection in accordance with Art. 128(4). They will be regarded
as observations by third parties under Art. 115." Guidelines D-IV

Kommen dann eigentlich nur die vorgelegten Dokumente zur Akte oder auch das Einspruchsformular und die vorgebrachten Argumente zur Akte?

Gruß
Gerd
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

tja, was der Stress so alles mit einem anstellt. Da sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht :)

Trotzdem wird es ja wohl zur Akte genommen werden...

Es sollte eben irgendeine Möglichkeit sein, durch unterbleibende Heilung eines heilbaren Mangels oder einer sonstigen Strategie den Einspruch (zumindest die Subtantiierung) eben nicht zur Akte gelangen zu lassen.

Wenn sich eine einvernehmliche Lösung mit dem Patentinhaber abzeichnet, die aber bis zum Fristblauf nicht unterschriftsreif ist, kann man dem Mandanten ja nicht guten Gewissens raten, den Einspruch nicht einzulegen, und damit sein bestes Faustpfand aufzugeben.
Reicht man den Einspruch mit einem heilbaren Mangel ein, kommt es wohl trotz unterbleibender Heilung nach einer eventuellen Einigung mit dem Patentinhaber zu einer Ablage des Einspruchs in der Akte, womit jeder potenzielle Verletzer oder Nichtigkeitskläger leichtes Spiel hat, was den Wert des Patents u.U. deutlich schmälert und im Falle einer einvernehmlichen Einigung auch für den Mandanten wohl eher suboptimal ist.

Wart Ihr schon mal in so einer dilemmatösen Lage oder wisst Ihr evtl. einen einigermaßen praktikablen Ausweg?

Gruß
Gerd
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Praktikable Lösung

Hallo Gerd,

eine praktikable Lösung? Man legt den Einspruch mit Druckschriften aus dem Prüfungsverfahren ein, eventuell noch angereichert mit einer Lusche aus dem eigenen Archiv, um eine Neuheitsschädlichkeit zumindest vollmundig behaupten zu können. Wir sind ja nicht in der EQE.

Einwandfrei zulässig und man ist im Einspruchsverfahren. Die mündliche Verhandlung ist dann so 2015/2016. Der Pfeil bleibt im Köcher.

Wenn das Material im Köcher wirklich so toll ist, schiebt man es bei ausbleibender Einigung mit dem Patentinhaber nach. Noch 2013 möglichst. Nicht schön, übliche und bekannte Nachteile. Aber es geht.

Frohes Schaffen

Blood für PMZ
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

angenommen man macht das so und es kommt zu keiner Einigung.

Dann schiebt man noch 2013 die relevanten Druckschriften nach und der Patentinhaber moniert bei der Einspruchsabteilung verspätetes Vorbringen an.

Sagen wir mal er ist so "dreist" und behauptet gegenüber der Einspruchsabteilung, man wäre schon vor Fristende im Besitz der Druckschriften gewesen und hätte sie absichtlich verspätet eingereicht.

Was dann?

Gruß
Gerd
P.S.:
Nix für ungut und danke für den Hinweis. Ich spiele eben erst mal advocatus diaboli...
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo Gerd,

wenn das Material im Köcher neuheitsschädlich ist, dann ist es neuheitsschädlich. Es ist rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung da und der Patentinhaber kann sogar noch schriftsätzlich erwidern. Was befürchtest Du?

Wie schon gesagt, es gibt die üblichen und bekannten Nachteile bei derartigem Vorgehen. Dazu gehört etwa eine vergrätzte Einspruchsabteilung.

Das gilt hier allerdings für beide Seiten: Der dreiste Patentinhaber kannte bei Deiner Fallkonstellation den Köcherinhalt auch. Er hat dann also der Einspruchsabteilung gegenüber eine ihm nachweislich in diesem Zusammenhang bekannte neuheitsschädliche Druckschrift verschwiegen. Das kommt auch nicht gut an. Und dem Patentinhaber gegenüber ist es dann nicht einmal verspätetes Vorbringen. Also, solltest Du zufällig den dreisten Patentinhaber vertreten, würde ich die Taktik für diesen Fall doch überarbeiten.

Frohes Schaffen
Blood für PMZ
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

prima facie neuheitsschädlich wäre natürlich recht eindeutig.
Mangelde erfinderische Tätigkeit nach Zusammenschau zweier oder dreier Dokumente wäre schon was anderes.

In der Einspruchsfrist eingebracht kein Problem, aber nachgereicht besteht IMHO zumindest ein gewisses Risiko. Die Haftpflicht sähe so etwas wohl eher nicht gerne.


Beim Zweiten hast Du natürlich Recht. Dem Patentinhaber gegenüber wäre es natürlich nicht verspätet vorgebracht.
Aber wäre es evtl. als rechtsmissbräuchlich anzusehen, das Dokument in der Einspruchsschrift wissentlich nicht zu erwähnen, um es dann 2 Monate später nachzureichen, nachdem die Verhandlungen gescheitert sind?


Wegen dem Einspruch nochmal zur Kontrolle (ich bin ja eher einer, der Anmeldungen ausarbeitet, und eher nicht ganz so der Einsprecher, aber was macht man nicht alles in den Osterferien...).
Und außerdem ginge es bei der von Dir vorgeschlagenen Taktik ja darum, die Pfeile für später aufzubewahren. Dann darf man sie ja einerseits nicht versehentlich verschießen, andererseits sie aber auch nicht auf einmal im Köcher festgeklebt vorfinden (die US Kollegen sind ja auch immer ganz file-wrapper-estoppel-panisch).


1. Ich beantrage natürlich den Widerruf in vollem Umfang.

2. Ich muss (entgegen der üblichen Praxis) nur die unabhängigen Ansprüche angreifen, weil die abhängigen mit den unabhängigen fallen. Also keine Pfeile unnötig verschießen.

3. Ich darf während des Verfahrens weitere Argumente vorbringen, so lange ich
a. Nur die Ansprüche angreife, die im Einspruch angegriffen wurden
b. Nur die Dokumente verwende, die im Verfahren sind
c. Nur die Stellen in den Dokumenten verwende, die im Einspruch bezeichnet sind?
d. Nur die Einspruchsgründe verwende, die im Einspruch genannt sind, so lange die neuen Gründe nicht wirklich prima facie sind (also wenn ich auch nur die unabhängigen Ansprüche angreife, dann auf jeden Fall auch bzgl. Neuheit, erfinderischer Tätigkeit und mangelnder Ausführbarkeit, auch wenn ich das in der Einspruchsschrift nur mit Luftnummern mache).

3. Holt der Patentinhaber Merkmale aus den abhängigen Ansprüchen (oder der Beschreibung) in die unabhängigen, kann ich fröhlich neu drauf los argumentieren, weil der Patentinhaber ja veränderte Tatsachen geschaffen hat. Die Pfeile, die ich bei Punkt 2 aufgehoben habe, können also noch verschossen werden, obwohl sie neu eingeführt werden müssen?

4. Ich kann dann für diese Argumente auch neue Druckschriften einführen (oder doch nicht? Keine neuen Pfeile?)

Irgendwie doof, wenn man seine Arbeit auf einmal absichtlich schlecht machen soll, aber bitteschön nicht zu schlecht...

Gruß
Gerd
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

wenn ich mir T 131/01 so anschaue, kann es ja insbesondere dann, wenn es um mangelnde erfinderische Tätigkeit geht, durchaus passieren, dass sich die Einspruchsabteilung querstellt und prima facie verneint.

Aus dem weiteren Kontest ergibt sich aber, dass neue Argumente sehr wohl zulässig sind, nur keine neuen Tatsachen und Beweise.
Argumente wären ja quasi alle meine Behauptungen, Tatsachen wären die Gründe und Beweise die Dokumente bzw. Zeugenaussagen.
Also wie immer:

1. Alle Einspruchsgründe vorbringen und substantiieren (wenn auch vollmundig unter Beruf auf Luschen aus der Kartei) -> Tatsachen

2. Und alle notwendigen Dokumente einführen -> Beweise

Und ggf. im Verfahren Argumente nachschieben.
Nur bei den Beweisen bin ich mir gerade noch unschlüssig:
Führe ich Dokument A15 an und beziehe mich in der Substantierung nur auf 5 Abschnitte auf 3 von 20 Seiten, gilt dann A15 insgesamt als Beweis eingeführt und ich kann meine später vorgebrachten Argumente auch auf die anderen Seiten stützen, oder wären das dann wieder neue Beweise, welche die Einspruchsabteilung nach Ermessen unberücksichtigt lassen kann, falls sie diese nicht als prima facie anerkennt und der Patentinhaber nicht zustimmt?

Hilft dagegen evtl., die Substantiierung á la "wie in A15 beschrieben (gesamtes Dokument, insbesondere Seite 3, Absätze 3 und 4 und Seite 6, Absätze 2 bis 4)"?

@philkopter
Soo erfahren bin ich zumindest auf diesem Gebiet eben auch wieder nicht. War auch erst einmal live bei der Einspruchsstelle, aber das war ein "normaler" Fall, bei dem gleich der Widerruf das Ziel war, ohne taktische Überlegungen im Vorfeld.

Gruß
Gerd
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Praktikable Lösung mit und ohne Luschen

um es dann 2 Monate später nachzureichen, nachdem die Verhandlungen gescheitert sind?

Hallo Gerd,

ich fürchte, Du bist gerade dabei, die Karte für den falschen Film zu lösen.

Wir sind hier nicht bei Kreuzlizenzgeschichten oder überhaupt Lizenzverhandlungen oder anderen komplexeren Regelungen.

Hier geht es darum,
dass 1. der potentielle Einsprechende aus welchen Gründen auch immer zu spät erkennt, dass da ein störendes Patent erteilt worden ist und die Einspruchsfrist schon abläuft (Weihnachten kommt auch immer so plötzlich) und
dass 2. er dagegen hervorragendes Material (Sorte: Blattschuss) im Köcher hat und
dass 3. er glaubt, beide Beteiligte könnten ein Interesse daran haben, dass das Patent so bleibt, wie es ist.

Alle drei Voraussetzungen müssen vorliegen, damit Dein Fall eintritt.
Fehlt 1., dann ist die Sache schon vor der Einspruchsfrist erledigt und es gibt gar keinen Einspruch.
Fehlt 2., dann lässt sich der Patentinhaber sowieso auf nichts ein und es folgt ein "üblicher" Einspruch aus allen Rohren, die bei dieser Sachlage allerdings eher spärlich oder eben mittelmäßig gefüllt sind.
Fehlt 3. oder ist der Patentinhaber anderer Auffassung, entfällt eine Einigung und es folgt ebenfalls ein "üblicher" Einspruch und/oder auch ein Verzicht auf das Patent (oder eine ArbEG- und EPÜkonforme äquivalente Vorgehensweise, anderes Thema).

Da wird nicht zwei Monate verhandelt. Der Patentinhaber checkt, wie es etwa mit IDS und Freigabe an Arbeitnehmererfinder und sonstigem Zirkus aussieht und was er eigentlich will und fertig. Im Zweifel gibt es immer einen Einspruch ohne irgendwelche taktischen Rückbehalte.

Frohes Schaffen

Blood für PMZ
 

Schlupfloch

SILBER - Mitglied
Hallo Gerd

Interessante Fallgestaltung.

Wenn es um mangelnde erfinderische Tätigkeit geht, wie wärs dann mit dem Schlupfloch:

Führe im Einspruchsschriftsatz eines der Dokumente als neuheitsschädlich auf. Benenne möglichst alle relevanten Textstellen, ggf. großzügig immer einen oder zwei Absätze vorher und nachher mitbenennen. Und dazu noch ein schönes yabbayabba wie "wenn doch neu gegenüber Dokument X, dann zumindest offensichtlich/nahegelegt in Verbindung mit dem Fachwissen oder den anderen in diesem Schreiben angeführten Dokumenten".

Dann noch Angriff bzgl. mangelnder erfinderischer Tätigkeit, aber mit nicht wirklich relevanten Dokumenten, Karteileichen etc. Da packst Du dann irgendwo Dein zweites Dokument rein, das mit Dokument X zusammen die Erfindung nahe legt, womit Du auch Dein zweites Dokument im Verfahren hast.

Fällt nachher der Neuheitsangriff, kannst Du nochmal extra gegen die erfinderische Tätigkeit argumentieren. Das ist dann kein neuer, verspätet vorgebrachter Einspruchsgrund, weil Du ja nicht wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit einsprechen kannst, wenn Du die Neuheit angreifst. Dazu müsstest Du ja Differenzen zwischen der Erfindung und Dokument X herausstellen und würdest Dir bzgl. Neuheit selbst widersprechen.
Und weil das zweite Dokument schon im Verfahren ist, kannst Du das dann ohne großes Risiko bzgl. Zurückweisung mit einbringen.

Da kommt dann zwar mit in die Akte, aber wenn Du vorher wie von Blood vorgeschlagen einen Haufen Dokumente aus der Akte und ein paar Luschen anführst, wird sich schwerlich einer die am Ende angeführten Dokumente wirklich noch genauer anschauen.

EQE2009-Gast:
Wenn der Einsprechende nicht innerhalb der Einspruchsfrist feststeht, ist nachher nichts mehr mit Heilung (T 590/94).

MfG
Martin
 

EQE2009-Gast

*** KT-HERO ***
EQE2009-Gast:
Wenn der Einsprechende nicht innerhalb der Einspruchsfrist feststeht, ist nachher nichts mehr mit Heilung (T 590/94).

Deswegen habe ich von der Angabe einer unvollständigen Anschrift gesprochen. Es geht nicht darum, dass keine Angaben zum Einsprechenden gemacht werden. Diese Anmerkungen verstehe ich deswegen in diesem Zusammenhang nicht so ganz.
 
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