EPÜ G 1/18 - Auswirkung auf das Einspruchsverfahren

newpatent

*** KT-HERO ***
Hallo,

welche Auswirkung hat G 1/18 auf das Einspruchsverfahren?

EntG 1c) in G 1/18 (Veröffentlicht 18.07.2019)

"

1. In folgenden Fällen gilt die Beschwerde als nicht eingelegt:

c) wenn die Beschwerdegebühr innerhalb der in Artikel 108 Satz 1 EPÜ für die Einlegung der Beschwerde vorgesehenen Frist von zwei Monaten entrichtet UND die Beschwerdeschrift nach Ablauf der Frist von zwei Monaten eingereicht wurde.

Die Entscheidung betrifft zwar die Beschwerde, jedoch wird in der Stellungnahme des EPA (epo.org/law-practice/case-law-appeals/communications/2019/20190718_de.html) folgendes ausgeführt:

"Es sei darauf hingewiesen, dass die Antworten auf die vorgelegte Rechtsfrage nicht nur auf Beschwerden, sondern auch auf ähnliche Situationen entsprechend Anwendung finden, so z. B. auf den Einspruch (Artikel 99 (1) EPÜ)".​

Allerdings findet sich in den Richtlinien November 2019, D-IV,1.2.2.1:

1.2.2 Mängel, bei deren Nichtbehebung der Einspruch als unzulässig zu verwerfen ist​
1.2.2.1
Mängel nach Regel 77 (1)
Hierunter fallen folgende Mängel:

i)Der Einspruch ist nicht innerhalb der neunmonatigen Einspruchsfrist, gerechnet vom Tag der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents im Europäischen Patentblatt, beim EPA in München, seiner Zweigstelle in Den Haag oder seiner Dienststelle in Berlin schriftlich eingereicht worden (Art. 99 (1)).

Demgemäß liegt z. B. ein Mangel des Einspruchs vor, wenn die Einspruchsschrift verspätet, also nach Ablauf der Neunmonatsfrist, beim EPA eingegangen ist, oder wenn der Einspruch zwar rechtzeitig innerhalb der Einspruchsfrist, aber durch einen amtsseitig in einer Aktennotiz niedergelegten Telefonanruf nur mündlich mitgeteilt wurde. Ein hierunter fallender Mangel ist auch bei einem Einspruch vorhanden, der entgegen den Vorschriften des Art. 99 (1) bei einer Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz eines Vertragsstaats oder einer dieser nachgeordneten Behörde eingereicht und von dieser Behörde nicht oder nicht so rechtzeitig weitergeleitet wurde, dass er bis zum Ablauf der Einspruchsfrist beim EPA eingegangen ist. Eine gesetzliche Verpflichtung, einen Einspruch an das EPA weiterzuleiten, besteht für die genannten Behörden nicht.

Wenn die Einspruchsgebühr fristgerecht entrichtet wird, aber die Einspruchsschrift nach der Einspruchsfrist gilt der Einspruch dann als unzulässig oder als nicht eingereicht?

Gemäß der Richtlinie November 2019, D-IV,1.2.2.1 würde der Einspruch als unzulässig anzusehen sein, wenn die Einspruchsgebühr fristgerecht entrichtet wurde, aber die Einspruchsschrift nach der Einspruchsfrist gezahlt wurde.

Gemäß der Stellungnahme zur G 1/18 (18.07.2019) sollte auch ein Einspruch bei dem die Einspruchsgebühr fristgerecht gezahlt wurde, aber die Einspruchsschrift verspätet eingegangen ist, als nicht eingelegt gelten.


Wieso stimmt die Stellungnahme zu G 1/18 und die Richtlinien scheinbar nicht überein?
 
Zuletzt bearbeitet:

tfe

Schreiber
Eine sehr interessante Fragestellung. Zunächst möchte ich drauf hinweisen, dass Du vermutlich Entscheidungsgrund 1 c) der G 3/18 zitieren wolltest und nicht Entscheidungsgrund 3. In dem in Entscheidungsgrund 3 geschilderten Fall erreicht die Beschwerdeschrift überhaupt nie das EPA, da wird einfach nur eine Gebühr bezahlt. Diese wird als Zahlung ohne Rechtsgrund zurückerstattet, ohne dass erst die Beschwerde als nicht eingelegt fingiert werden muss - sie hat tatsächlich nie existiert.

In Entscheidungsgrund 1 c) der G 3/18 steht aber in der Tat der Fall, den Du meinst:

c) wenn die Beschwerdegebühr innerhalb der in Artikel 108 Satz 1 EPÜ für die Einlegung der Beschwerde vorgesehenen Frist von zwei Monaten entrichtet UND die Beschwerdeschrift nach Ablauf der Frist von zwei Monaten eingereicht wurde."

Hier erreicht eine Beschwerdeschrift das EPA zu spät, die Zahlung war pünktlich. Es wird finigert, dass die Beschwerde nicht eingelegt ist, und die Beschwerdegebühr wird nach Entscheidungsgrund 2. zurückerstattet.

Nun zum Einspruchsverfahren. Der Visser schreibt dazu in Art. 99 § 4 Folgendes:

The following four cases may arise from filing an opposition:
- No opposition has been started, because the notice of opposition is deemed not to have been filed, e.g. due to late filing of the notice of opposition or late payment of the opposition fee. An already paid opposition fee will be refunded.

Das heißt, der Visser ist konsistent mit G 1/18.

Die Richtlinien sind hier etwas konfus.

Insbesondere wenn ich mir die englische Fassung von D-IV 1.2.2.1 (i) ansehe, komme ich zum Ergebnis, dass hier nicht der Fall beschrieben ist, dass schlicht und einfach eine Einspruchsschrift zu spät eingeht. Vielmehr sind da sehr seltsame Fälle beschrieben, in denen schon vor Ablauf der Frist irgendwie Einspruch erhoben wird, aber nicht schriftlich sondern mündlich, oder nicht an der richtigen Eingangsstelle, sondern z.B. beim EPA in Wien oder bei einem nationalen Amt, und nachträglich etwas Schriftliches erst nach Fristablauf die richtige Stelle des EPA erreicht. Hier könnte eine Zulässigkeitsprüfung anlaufen, weil schon vor Fristablauf "irgendwie" Einspruch eingelegt war, und man merkt erst später, dass dieser Einspruch halt nicht behebbare formale Mängel hat, die zur Zurückweisung als unzulässig führen. Dann gibts auch keine Gebühr zurück.

Somit diskutieren die Richtlinien in D-IV 1.2.1 Fälle, in denen zwar der Einspruch rechtzeitig eingereicht ist, aber in einer falschen Sprache, und die Übersetzung zu spät kommt, und kommen zum Schluss, dass hier der Einspruch als nicht eingelegt git.

Ferner diskutieren die Richtlinien in D-IV 1.2.2.1 (i) Fälle, in denen der Einspruch rechtzeitig, aber nicht formal richtig eingereicht ist, und der Formmangel zu spät behoben wird, und kommen zum Schluss, dass hier der Einspruch als unzulässig zurückzuweisen ist.

Der Fall, dass der Einsrpcuh gleich zu spät eingelegt wird, wird so in den Richtlinien nicht angesprochen.

Könntest Du dieser Sichtweise folgen? Ich habe keine Erfahrung zu dem Thema, hab mir das gerade selbst so zusammengereimt.
 

newpatent

*** KT-HERO ***
Hallo tfe,

vielen Dank für die Antwort und den Hinweis auf den Entscheidungsgrund.

In meiner Frage oben, wurde es entsprechend angepasst.


Zum Visser:
Die von dir zitierte Stelle im Visser äußert es tatsächlich ausdrücklich.

Allerdings verweist der Visser auf RiLi D-IV 1.4.1 ("1.4.1 Vorliegen von nicht mehr behebbaren Mängeln, aufgrund deren der Einspruch als nicht eingelegt gilt")

D-IV 1.4.1 verweist wiederum auf D-IV 1.2.1 "Mängel, bei deren Nichtbehebung der Einspruch als nicht eingelegt gilt"

In D-IV 1.2.1 steht jedoch nichts über eine verspätet eingereichte Einspruchsschrift.

Noch einmal auszugweise D-IV 1.2.2.1:

Mängel nach Regel 77 (1)
Hierunter fallen folgende Mängel:

i)Der Einspruch ist nicht innerhalb der neunmonatigen Einspruchsfrist, gerechnet vom Tag der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents im Europäischen Patentblatt, beim EPA in München, seiner Zweigstelle in Den Haag oder seiner Dienststelle in Berlin schriftlich eingereicht worden (Art. 99 (1)).

Demgemäß liegt z. B. ein Mangel des Einspruchs vor, wenn die Einspruchsschrift verspätet, also nach Ablauf der Neunmonatsfrist, beim EPA eingegangen ist, oder wenn der Einspruch zwar rechtzeitig innerhalb der Einspruchsfrist, aber durch einen amtsseitig in einer Aktennotiz niedergelegten Telefonanruf nur mündlich mitgeteilt wurde.

Deinen Gedankengang konnte ich nachvollziehen, da unterschiedliche Konstellationen genannt werden.

Der einleitende Teil zu D-IV 1.2.2.1 ist tatsächlich zu allgemein, sodass auch der Fall, dass keine Einspruchsschrift eingereicht worden ist, beinhaltet sein würde.

Allerdings wird eine verspätet eingereichte Einspruchsschrift erwähnt und wird durch ein "Oder" von anderen Fällen getrennt.
 
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