Fachnotorische Austauschmittel / Abwandlungen

Kratos

*** KT-HERO ***
Hinsichtlich des Offenbarungsgehalts einer Entgegenhaltung über den Wortlaut hinaus wird häufig von Abwandlungen gesprochen,

"die nach dem Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart naheliegen, dass sie sich bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als auf ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne Weiteres erschließen, so dass er sie gewissermaßen in Gedanken gleich mitliest, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist." (auch: Fachnotorische Austauschmittel)

Wie argumentiert man am besten dagegen, wenn die Gegenseite behauptet, es würde sich um ein fachnotorisches Austauschmittel handeln?

Bsp.:
Die Entgegenhaltungen offenbart lediglich, das "Teil A an Teil B mittels einer Schraube befestigt wird".
Wenn ich hier weniger auf den Sinn des Wortes "Schraube" achte, erschließt sich mir tatsächlich ohne Weiteres, dass es um die Befestigung geht, die dann auch mit Hilfe von Klebstoff oder mit Hilfe eines Nagels erzielt werden kann. Das geht meines Erachtens jedoch zu weit, da ich mit einer solchen Argumentation jedes beliebige Befestigungsmittel als mitoffenbart aus dem Hut zaubern kann.

Meinungen und Erfahrungen ?

Kratos
 

EQE2009-Gast

*** KT-HERO ***
Kratos schrieb:
Wie argumentiert man am besten dagegen, wenn die Gegenseite behauptet, es würde sich um ein fachnotorisches Austauschmittel handeln?
Falls es nur um die Diskussion zur Neuheit geht, kommt man mit BGH X ZR 89/07 - Olanzapin (s. Rz. 26) weiter.
 

Kratos

*** KT-HERO ***
Danke EQE-Gast ! Hier auch der zugehörige Leitsatz ...

" [...] b) Offenbart kann auch dasjenige sein, was im Patentanspruch und in der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus der Sicht des Fachmanns jedoch für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf, sondern "mitgelesen" wird. Die Einbeziehung von Selbstverständlichem erlaubt jedoch keine Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen, sondern dient, nicht anders als die Ermittlung des Wortsinns eines Patentanspruchs, lediglich der vollständigen Ermittlung des Sinngehalts, d.h. derjenigen technischen Information, die der fachkundige Leser der Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt (Fortführung von BGHZ 128, 270 - Elektrische Steckverbindung). [...]"

Aber wo hört die Abwandlung auf und fängt die "Ergänzung durch das Fachwissen" an ?

Hat jemand hierzu weitere anschauliche Beispiele, ggf. nicht ausd dem Bereich der Chemie ?

Kratos
 

Joerch

SILBER - Mitglied
BGH, Urteil vom 17.04.2007 - X ZR 1/05 - "Pumpeinrichtung"

oder

BGH, Urteil vom 12. 3. 2002 - X ZR 135/ 01 - Schneidmesser II

auch der Formstein-Einwand ist ein Klassiker...

Du könntest auch auf eine erfinderische Tätigkeit beim Auffinden der äquivalenten Mittel unter Verwendung von "einteilige Öse" und "Fischbissanzeiger" argumentieren.
 

ppa

GOLD - Mitglied
nur mal so allgemein:

ihr solltet zwischen fragen der patentfähigkeit und dem Schutzumfang/patentverletzung differenzieren.

das hat erst mal nichts mit einander zu tun

also: Formstein, pumpeneinrichtung usw betreffen die frage des schutzumgangs und der äquivalenten verletzung.

das hat nichts mit den begriffen "offenbarung, neuheit" usw zu tun,
wo zb die elektrische steckverbindung relevant ist.
 

union

*** KT-HERO ***
Kratos schrieb:
Aber wo hört die Abwandlung auf und fängt die "Ergänzung durch das Fachwissen" an ?
Ich glaube es war Kühnen, der es mal so gefasst hat:

Abwandlung ist alles, was der Fachmann lediglich mit Hilfe seines Rückenmarks ergänzen kann, quasi reflex-artig.

Alles wozu der Fachmann hingegen das Großhirn einschalten muss, ginge schon darüber hinaus...

:)
 
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