Allg. Es erneut probieren ?!

zevenblade

Schreiber
Sehr geehrte Damen und Herren,

Letzten Herbst habe ich eine Kandidantestelle in einer mittelständischen Kanzlei angetreten.
Die Kanzlei hat 5-10 Partner und deckt die volle Bandbreite von sehr kleinen bis großen
Mandaten ab. Der Schwerpunkt meiner Arbeit lag im Bereich Prosecution von Patenten
im Bereich der Telekommunikation.

Kurz vor Ende der Probezeit wurde mir nun gekündigt, mit der Begründung man glaube
nicht ich könne vor Gericht in mündlichen Verhandlungen bestehen. Zudem traue man
mir nicht zu gegenüber Mandaten souverän aufzutreten. Ich hatte weder Mandantenkontakt,
noch war ich jemals bei einer mündlichen Verhandlung auch nur dabei. Somit hatte ich
auch nie eine Chance mich zu beweisen.

Die Kündigung kam für mich unerwartet, da ich eigentlich dachte, dass es gut lief. Ich habe für
meine schriftlichen Ausarbeitungen zumeist posititives Feedback bekommen. Mündlich hat
man mir gesagt, dass es hier in der Kanzlei nicht passe, aber man nicht der Meinung ist, dass
ich für den Job grundsätzlich nicht geeignet bin.

Die Frage ist nun ob und wo man es evtl. noch einmal probiert.

Es gibt zwei naheliegende Optionen.

1. Eine größere Kanzlei mit 15-20 Partnern.

2. Eine kleiner Standort (1-5 Partner) einer sehr renommierten Kanzlei.
Ein Partner dort kennt mich schon weil ich dort ein kurzes Praktikum gemacht habe.

Eine weitere Option wäre natürlich sich eine Kanzlei in München zu suchen,
die Stadt kenne ich bereits. Aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten ist
dies für mich jedoch weniger naheliegend.

Zur Info: Ich erfülle das praktisch-technische Jahr nicht und gehe somit den 'langen'
Weg. Also EQE nach 3-4 Jahren und Deutscher PA nach 8 Jahren.

Gruß
zevenblade
 

cotardious

BRONZE - Mitglied
Ist natürlich schwer pauschal zu beantworten.

Dass die Kündigung unerwartet kommt, also ohne vorab ein klärendes Gespräch zu suchen, spricht aber nicht unbedingt für die Kanzlei. Insbesondere wenn es auch sonst überwiegend zu einem positiven Feedback kam.

Wenn du weiter machen möchtest, würde ich mich von der überraschenden Kündigung nicht unterkriegen lassen. Vor allem da nicht klar kommuniziert wurde, weswegen es nicht "gepasst" habe.

Zu allen weiteren Optionen: Hör auf dein Bauchgefühl, Es ist unmöglich dir da einen Tipp zu geben ohne die genauen Umstände zu kennen. Ganz allgemein würde ich persönlich aber vermutlich zur kleineren Kanzlei tendieren. Meiner Erfahrung nach ist da häufig mehr eine 1 zu 1 Betreuung mit direkterem Feedback.

Viel Erfolg weiterhin!
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Ich stimme cotardius zu; allerdings würde ich darüber nachdenken, warum es denn nicht gepasst haben könnte (hast du vielleicht irgendwelche subtilen Signale übersehen?); dann kannst du manches möglicherweise bei der nächsten Stelle vermeiden, sei es durch genaueres Ansehen der Stelle bzw. der Personen dort oder durch Änderung deines Verhaltens.

Eine Anmerkung aber noch zum "langen Weg": Diesen Weg in einer Kanzlei zu gehen ist eher unüblich; selbst wenn man die EPA-Zulassung geschafft hat, ist man ohne die deutsche Zulassung tendenziell Anwalt zweiter Klasse, oder eben "Patentingenieur" und nicht "Anwalt". Hier käme vielleicht auch eine Stelle in der Industrie in Betracht, dort ist nämlich meist die EPA-Zulassung das Maß der Dinge und die deutsche eher ein Add-On.
 

Patentanwalt123

Schreiber
Hallo,

die Begründung für die Kündigung hört sich tatsächlich ziemlich vorgeschoben an. Aber, wie die Kollegen schon geschrieben haben, ist natürlich vieles von den konkreten Details und Umständen abhängig.

Hatte die Kanzlei denn überhaupt viele "Litigation"-Fälle, oder war es eher eine "Prosecution"-Kanzlei ?

Ich habe meine Ausbildung in einer typischen, eher kleineren "Prosecution"-Kanzlei gemacht und dabei festgestellt, dass bei den besagten mündlichen Verhandlungen, die es z.B beim EPA im Ertelungsverfahren oder in der Beschwerde gab, aber auch bei den gelegentlichen Fällen vor dem BPatG jeder Kollege anders drauf war, und da dieses typische Bild, das viele von einem "Anwalt" eben haben, der so wahnsinnig gerissen und wortgewandt sein soll, überhaupt nicht passt.

Das Wesen des Patenterteilungsverfahrens bereits macht es zum überwiegend schriftlichen Verfahren - es gibt da sogar den mehr oder weniger ungeschriebenen entsprechenden "Grundsatz der Schriftlichkeit".

Nach meiner Erfahrung (wobei ich allerdings noch nie bei Verletzungssachen dabei gewesen bin) sind daher alle möglichen "Anhörungen", "mündlichen Verhandlungen" bei den Ämtern und auch die Gerischtssitzungen beim BPatG eigentlich mehr oder weniger überflüssig und da wird kaum etwas entschieden, was dem Gericht ode dem Amt nicht sowieso schon vorher klar war.

Langer Rede kurzer Sinn - man muss als Patentanwalt keine "Rampensau" sein, eher im Gegenteil - der eher introvertierte, tief denkende Typ ist da klar im Vorteil !

Daher würde ich sagen - wenn Dir die Arbeit an sich gefällt, solltest Du es nochmal versuchen.

Und noch zu den Kanzleien und den Beziehungen mit den Kollegen/Partnern - es gibt da nach meiner Erfahrung viele "schwarze Schafe", die es sich in der Zeit, als Patentanwalt noch ein sehr exklusiver Beruf war, als Partner bequem gemacht haben, vielleicht ihren Kundenstamm vom Altpartner "geerbt" oder gekauft haben, und sich auf ihren "Loorbeeren" nun ausruhen, ohne überhaupt entsprechende Führungsqualitäten, das Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, mit Menschen zu arbeiten zu haben.

Dies führt dann gegebenenfalls zu Verhältnissen in den Kanzleien, die zum Heulen bzw. Davonlaufen sind. Ob das eher bei kleinen oder grpßen kanzleien der Fall ist, weiß ich nicht, ich würde da vielleicht sogar eher auf die kleineren Tippen, da dort eben wenig Rotation stattfindet und ein Paar "alte Hasen" unbegrenzt ihre Macht ausüben können.

Wobei ich aber natürclih die kleinen Kanzleien nicht pauschal ins schlechte Licht rücken will - es gibt überall die schwarzen Schafe und die ehrlichen, fähigen und tüchtigen Menschen.

In diesem Sinne - höre auf Dein Bauchgefühl und probiere es eventuell doch noch mal - viel Erfolg noch !
 

enzo9110

Schreiber
Hallo zevenblade,

mit ist vor einiger Zeit Ähnliches passiert. Ich hatte meine Kandidatenausbildung DE+EP in einer mittelgroßen Kanzlei begonnen. Nach etwa 1,5 Jahren wurde mir unerwartet mitten in der Ausbildung gekündigt. Als Begründung wurde mir gesagt, dass ich nicht schnell genug Fortschritte mache und ich den Anforderungen der Kanzlei nicht gerecht werde. Man könne sich nicht vorstellen, dass ich später mal Partner der Kanzlei werden kann. Grundsätzlich war man aber der Auffassung, dass ich Patentanwalt werden kann und auch die Prüfungen bestehen würde.

Die Situation hatte mich damals auch zutiefst verunsichert und habe lange darüber nachgedacht, ob ich es nochmal versuchen oder lieber etwas anderes machen soll. Mein Bauchgefühl sagte mir damals, dass ich weiterhin im IP-Bereich arbeiten möchte aber vielleicht eine Kanzlei, wegen der auf menschlicher Ebene häufig fragwürdigen Ausbildungsmethoden, nicht das Richtige für mich ist. Daher habe ich mich entschieden, meine Ausbildung in einer Industriepatentabteilung fortzusetzen. Zuerst den EP-Teil und dann DE-Teil auf dem langen Weg. Das menschliche Umfeld ist für mich deutlich angenehmer, das Aufgabenspektrum deutlich breiter und man bekommt mehr Wertschätzung für seine Arbeit.

Es ist leider nicht unüblich, dass man in einer Kanzlei in der Ausbildung gekündigt wird. Mit sind einige Fälle bekannt. Ich schließe mich den Vorrednern an und empfehle, auf dein Bauchgefühl zu hören und dich von der Kündigung nicht zu sehr verunsichern zu lassen! Im Bereich Telekommunikation sollte es momentan gut möglich sein, einen neuen Ausbildungsplatz zu finden.

Viel Erfolg!
 

Dapf15

BRONZE - Mitglied
Hallo zevenblade,
auch wenn es schwerfällt, würde ich doch empfehlen, nochmal das Gespräch mit der Kanzlei zu suchen, um herauszufinden, wo eventuelle Lücken gesehen wurden. So ein Gespräch - sollten sich die Kanzleikollegen dazu bereiterklären - sollte unbedingt persönlich stattfinden, weil man am Telefon eben nur das gesprochene Wort hat und die anderen Kommunikationsebenen fehlen.
Vielleicht wäre es auch gar nicht verkehrt, ganz gezielt nachzufragen, also mögliche wunde Punkte selbst zu nennen. Eine Sache die mir aus Ihrer Schilderung aufgefallen ist: Wenn Sie noch nicht einmal das praktische Jahr vorweisen können, kommt ggf. auch einfach begrenztes Fachwissen bzw. fehlende Praxiserfahrung infrage. Es wird gerade in allen mündlichen Bereichen schnell sichtbar, wenn der Anwalt bzw. auch der Kandidat nicht "im Stoff steht". Besonders unangenehm wird es, wenn er diese Lücken durch, sorry, eher leeres Geschwätz zu füllen versucht. Ich will Ihnen da um Himmels willen nichts unterstellen, aber diese Fälle gibt es durchaus, und beim selbstkritischen Hinterfragen gehört das zur Checkliste. Zudem sehe ich immer wieder bei uns in der Kanzlei, dass vor allem auch kleinere Mandanten durchaus fast so etwas wie "Miterfindergeist" schätzen bzw. auch erwarten, und dafür braucht es einfach einen gewissen praktisch-technischen Erfahrungsschatz, den jemand frisch von der Uni noch nicht haben kann.
Aufgeben ist auf alle Fälle keine Option, wenn Ihnen der Beruf des Patentanwaltes grundsätzlich gefällt. Man lernt aber nur dann aus seinen Fehlern, wenn man sie erkennt.
Viel Erfolg!
 

zevenblade

Schreiber
Da ich mich nicht de-anonymisieren will tue ich mich schwer weitere Infos zu teilen,

Ich denke der Schwerpunkt liegt im Bereich Prosecution, aber es gab eben auch ein
paar Mandate mit Litigation. Ich glaube der Punkt ist eben, dass Litigation so weit
ich das verstehe mehr Geld einbringt, aber warum man darauf jetzt so hohen
Wert legt erschließt sich mir nicht.

@Patentanwalt123 Das mit den schwarzen Schafen hört sich plausibel an. Was
die mündlichen Verhandlungen angeht war mir nicht klar, dass diese garnicht
so entscheidend sind. Aber ich habe eben auch noch nie einer solchen beigewohnt.

@enzo9110 Der Gedanke mit Industrieabteilung ist mir auch schon gekommen,
aber solche Stellen sind kaum ausgeschrieben. Ich dachte auch immer, dass dort
der übliche Weg ist Kanzlei -> EQE/PA -> Industrieabteilung. Gibt es einen anderen
Weg in solche Abteilungen oder Wege dort ins Gespräch zu kommen?

@Dapf15 Ich hatte vorher ein paar Monate schon einen anderen Job, war also
nicht frisch von der Uni. Ich würde auch nicht behaupten, dass ich nicht im Stoff
war. Ich habe wie gesagt an einer der großen TUs studiert und komme mit Komplexität
klar.
 

zevenblade

Schreiber
Es sollte vielleicht auch noch erwähnt werden, dass der Weg ins Ausland für
mich nicht völlig ausgeschlossen ist. Ich denke dabei z.B. an die Benelux
Länder. Ich habe in Benelux bereits ein Erasmus gemacht und mir gefällt
die Kultur.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
@zevenblade es ist zwar nicht so häufig, das stimmt, aber es werden schon immer mal wieder Industriestellen ausgeschrieben, auch zur Ausbildung oder für teilqualifizierte, siehe z.B. hier: https://jobs.ericsson.com/careers?q...n.com&sort_by=relevance&triggerGoButton=false
Ist zwar in Schweden, aber vielleicht kommt das ja auch in Frage.

Und natürlich kann man es auch mal probieren, sich auf eine Stelle zu bewerben, die "mit abgeschlossener Ausbildung" ausgeschrieben ist, selbst wenn man noch nicht (voll) qualifiziert ist.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Enzo9110,

hast du schonmal vom §22 BBiG gehört ;-) ? Wir hatten hier schon vor längerer Zeit, eine Diskussion darüber, ob die Kandidatenzeit eine Ausbildung nach dem BBiG ist oder nicht, wobei nicht eine einzige für mich schlüssige Erklärung kam, warum nicht. Mir ist auch keine Entscheidung einer Kündigungsschutzklage bekannt (wobei ich zugestehe, dass ich eher selten nach Urteilen suche :) ). Ich bin mir aber immer noch ziemlich sicher, dass da jede Kanzlei bei einer Arbeitsschutzklage auf die Schnauze fallen würde (wenn die Kündigung nach der Probezeit nicht unter §22(2) Nr. 1 fällt), wenn sie sich darauf berufen wollte, dass die Patentanwaltsausbildung nicht unter das BBiG fallen würde ;-).
Aber mir ist beispielsweise in meiner Ausbildungskanzlei (und auch später) kein einziger Fall bekannt, wo einem Kandidat nach der Probezeit gekündigt wurde und die Fluktuation (durch Kündigung der Kandidaten) war dort extrem hoch.

Etwas anderes ist, ob eine solche Klage wirklich sinnvoll ist, da die Welt der Patentanwälte doch recht klein ist. Aber das müsste jede(r) Kandidatn(in) für sich entscheiden, ob ihm/ihr das wert ist ;-).
 
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