EPÜ Bereichsangaben

6to5

BRONZE - Mitglied
Hier eine (für mich) interessante Fallkonstellation, die mir kürzlich beim EPA begegnet ist:

Stand der Technik war eine Patentschrift, die in einem Patentanspruch folgendes offenbarte:

"...bestehend aus [...] 0 bis 5% X, 0 bis 5% Y und 0 bis 5% Z"

Die konkreten Beispiele und Erläuterungen in der Beschreibung sagten aber aus, dass höchstens zwei von drei Komponenten X, Y und Z gleichzeitig vorhanden sein sollten. Außerdem solle der Gesamtgehalt der drei Komponenten nicht höher als 5% betragen.

Der angesichts dieses Standes der Technik unter dem Aspekt der Neuheit zu würdigende Anspruchsgegenstand sagte jedoch: "...bestehend aus [...] 1 bis 4,8% X, 2,1 bis 5% Y und 2,0 bis 5% Z".

Knackpunkte: X, Y und Z sind hiermit zwingend gemeinsam vorhanden, auch nach Summierung der Untergrenzen zwingend mehr als die in der Beschreibung des Standes der Technik angegebenen maximalen 5%.

Was meint Ihr? Darf der Offenbarungsgehalt des im Stand der Technik offenkundig aus naheliegenden Gründen weitgefassten Anspruchs bei der Prüfung der Neuheit "ausgelegt" werden, oder ist er bei der Prüfung der Neuheit für sich gesondert von der dortigen Beschreibung zu betrachten? Dass die beanspruchte Zusammensetzung dort keine ausreichende Stütze in der Beschreibung findet, dürfte irrelevant sein. Dann wäre schlicht zu prüfen, ob die engeren Bereiche des zu prüfenden Anspruchs einen besonderen Effekt haben oder nicht. Dazu gibt es ja das allgemein bekannte Prüfschema der T198/84:

1. enger Auswahlbereich?
2. Bereichsauswahl ausreichend weit von bekannten Werten und Eckpunkten entfernt?
3. besonderer technischer Effekt im ausgewählten Bereich?
 

markovic

BRONZE - Mitglied
Ich verstehe nicht ganz was du eigentlich fragst?

Dein Anspruch überlappt gar nicht mit dem Gegenstand aus dem SdT. Neuheit wird hergestellt durch erfindungsgemaess notwendige Praesenz aller drei Komponenten.

Auch wenn die Formulierung im SdT per-se angeschaut wuerde (alle drei Komponenten bis 5%), gehoert laut Herrn Freimuth das dritte Kriterium der Beurteilung der erf. Taetigkeit.

M.
 

6to5

BRONZE - Mitglied
Dein Anspruch überlappt gar nicht mit dem Gegenstand aus dem SdT.

Nicht?

Anspruch: "...bestehend aus [...] 1 bis 4,8% X, 2,1 bis 5% Y und 2,0 bis 5% Z"
SdT: "...bestehend aus [...] 0 bis 5% X, 0 bis 5% Y und 0 bis 5% Z"

Der beanspruchte Gegenstand weist bei zwei von drei Komponenten einen identischen Eckwert auf (Y und Z mit bis zu 5%). Ansonsten liegen die Grenzwerte innerhalb des Bereichs im SdT, aber nicht unbedingt weit entfernt.
 

Karl

*** KT-HERO ***
Also sicheres weiß ich dazu auch nicht, jedoch könnte die T0653/93 und das Kapitel I.C.4.3.2 (Auswahl aus Parameterbereichen/mehrfache Auswahl) aus "Rechtsprechung der Beschwerdekammern" http://www.epo.org/law-practice/legal-texts/html/caselaw/2010/d/clr_i_c_4_2_3.htmfür dich interessant sein. In dem Fall der genannten T-Entscheidung ist es allerdings nicht so, dass der Anspruch des Dokuments des Standes der Technik so entgegensteht. Auch erwähnenswert scheint mir T 312/94 bzw. Kapitel I.C.2.1 der Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu sein. Demanch dürfen die einzelnen Teile einer Patentanmeldung hinsichtlich ihres Offenbarungsgehaltes nicht losgelöst voneinander ausgelegt werden. Stattdessen muss die Auslegung im Gesamtzusammenhang erfolgen.

Außerdem ist der Anspruch im vorliegenden Fall sehr allgemein. Er deckt zwar den Fall x: 4,8%, Y: 5%, Z: 5% ab, aber das ganze ist ja eine mehrfache Auswahl und die Kombination wird so nicht offenbart. Es wird nur offenbart, dass jeder der Komponenten x, y, z zwischen 0 und 5% liegen kann. Mehr wird durch den Anspruch nicht offenbart und ist auch der restlichen Beschreibung deinen Angaben nach nicht zu entnehmen. Ich würde daher die Auffassung vertreten, dass der Anspruch neu ist.

Insbesondere wenn die Beschreibung expliziet ausschließt, dass mehr als zwei der Komponenten vorkommen (also wenn explizit erwähnt wird, dass es nicht sinnvoll ist mehr als zwei der Komponenten zu verwenden) würde er auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, denn der Stand der Technik würde einen Fachman ja grade davon abhalten X, Y und Z gleichzeitig zu verwenden.

Ich hoffe mal das hilft ein wenig weiter.

Gruß Karl
 
Oben