Begrenzung des Prüfungsumfangs im Einspruchsverfahren

Patent24

Vielschreiber
Nun ist mir mal wieder eine bahnbrechende Entscheidung des BPatG vom 7. Senat untergekommen.

7 W (pat) 61/04

Demnach ist ein Einspruch, der nur auf einen Teil der Ansprüche gerichtet ist, auch nur im Umfang des Angriffs zu prüfen. Eine Prüfung der restlichen Ansprüche verbiete der Antragsgrundsatz. Die gleiche Meinung vertritt auch Schulte (7.Auflage) in §59 Rn177.

Wo bleibt denn da der Amtsermittlungsgrundsatz? Meines Erachtens handelt es sich beim Einspruchsverfahren immer noch um das "Eintragungsverfahren" mit großem öffentlichem Interesse, so dass nicht sehenden Auges ein ungültiges Patent Einzug in das Register finden darf. Also Amtsermittlung vor Antragsgrundsatz.

Der 7. Senat verweist auf §99 PatG iVm § 308 ZPO. §99 gilt doch aber nur für Gerichtsverfahren und nicht für das Amt?

Werd ich langsam wirr im Kopf oder hat der 7. Senat da mal wieder ein Ei gelegt.

Was hat eurer Meinung nach nun im Einspruchsverfahren ´Vorrang:
1) Amtsermittlung (auch über das Beantragte hinaus) oder strenge Antragsbindung?
2) Gilt dies auch im Einspruchsbeschwerdeverfahren?
 

ander

*** KT-HERO ***
Hi,

meiner Meinung nach gilt folgendes:

Amtsermittlung ist nur im Rahmen des Antrages möglich, d.h.
Antrag lautet: Zurückweisen von A3 wg fehlender Neuheut -> Amt kann A3 auch wegen mang. ErfT prüfen, Amt kann aber nicht A5 prüfen.

Für A5 würde das Amt nämlich von Amts wegen im Einspruchverfahren prüfen, unddas kanns wohl auch nicht sein (mal sehen was BGH dazu sagt.)

Meiner Meinung gilt das auch im E-Beschwerdeverfahren: BPatG prüft nur den Gegenstand der in die Beschwerde gekommen ist und auch nur innerhalb des Beantragten. Da geht es sogar noch weiter, nämlich dass das BPatG - falls sich z.B. A3 nicht ändert - auch nur die Einsprüchsgründe aus dem Einspruch prüft, während das BPatG - falls sie A3 ändert - auch noch die anderen Einsprüchsgründe prüft, allerdings auch nur für A3.

Ein darüber hinausgehender Antrag ,etwa A5 durch das BPatG zu prüfen, dürfte wohl mangels Beschwer und REchtsschutzinteresse nicht zulässig sein (vorausgesetzt der BGH sieht oben Gesagtes gleich wie ich).

Gruß
Ander
 

Horst

*** KT-HERO ***
Lieber ander, hatten wir das nicht gerade letzte Woche etwas anders herausgefummelt?

In der 1. Instanz ist wohl nach h.M. das gesamte Patent unter Heranziehung aller Gründe zu prüfen (Volle Amtsermittlung, keine Disposition möglich).

In der 2. Instanz werden nur die Gründe der Entscheidung der 1. Instanz herangezogen. Werden die Ansprüche in der 2. Instanz geändert, wird wieder vollständig geprüft.

Gleichwohl fällt aber in beiden Fällen auch in der 2. Inastanz das gesamte Patent, sobald auch nur ein Anspruch zu widerrufen ist. Ausnahme hierzu: Aüßert sich der Patentinhaber gar nicht (kein Antrag), können nebengeordnete Ansprüche erhalten bleiben (Informationsübermittlung II).

Dies ist aber lediglich die herrschende Meinung. Einzelne Senate (siehe das zitierte Urteil in der Threaderöffnung) weichen davon immer mal ab. Eine einheitliche Meinung gibt es einfach nicht. Ebenso gibt es kein "richtig" und kein "falsch". Tendenzen gehen insgesamt dahin, das die Amtsermittlung von den Anträgen eingeschränkt wird. Ausnahme bleibt aber der Einspruch, wo Amtsermittlung (zumindest 1. Instanz) überwiegt.
 

ander

*** KT-HERO ***
Horst schrieb:
Lieber ander, hatten wir das nicht gerade letzte Woche etwas anders herausgefummelt?
Teilweise ja, mit dem Unterschied, dass in unserem Fall nur ein einziger Anspruch zur Disposition stand (wenn ich mich recht erinnere)

Horst schrieb:
In der 1. Instanz ist wohl nach h.M. das gesamte Patent unter Heranziehung aller Gründe zu prüfen (Volle Amtsermittlung, keine Disposition möglich).
Genau hier gehen die Meinungen wohl sehr auseinander.
Schulte ist für Antragsgrundsatz / Benkard war in der 9.Auflage für Antragsgrundsatz und ist in der 10 Auflage nunmehr gegen den Antragsgrundsatz, d.h. Amt kann auch alle anderen Ansprüche prüfen.

Horst schrieb:
In der 2. Instanz werden nur die Gründe der Entscheidung der 1. Instanz herangezogen. Werden die Ansprüche in der 2. Instanz geändert, wird wieder vollständig geprüft.
Zumindest dies ist wohl höchstrichterlich geklärt.

Horst schrieb:
Gleichwohl fällt aber in beiden Fällen auch in der 2. Inastanz das gesamte Patent, sobald auch nur ein Anspruch zu widerrufen ist. Ausnahme hierzu: Aüßert sich der Patentinhaber gar nicht (kein Antrag), können nebengeordnete Ansprüche erhalten bleiben (Informationsübermittlung II).
Eigentlich schade, dass der BGH in dieser Entscheidung nichts zum Teilangriff im Einspruch gesagt hat sondern lediglich den Fall einer teilweisen Verteidigung erörtert hat.

Horst schrieb:
Dies ist aber lediglich die herrschende Meinung. Einzelne Senate (siehe das zitierte Urteil in der Threaderöffnung) weichen davon immer mal ab. Eine einheitliche Meinung gibt es einfach nicht. Ebenso gibt es kein "richtig" und kein "falsch". Tendenzen gehen insgesamt dahin, das die Amtsermittlung von den Anträgen eingeschränkt wird. Ausnahme bleibt aber der Einspruch, wo Amtsermittlung (zumindest 1. Instanz) überwiegt.
Hier sollte man m.E. noch anmerken, dass entgegen Schulte und van Hees (3. Aufl.) im Einspruch vor dem Amt die Richtung dahin geht, dass der Einsprechende wohl nur das Verfahren in Gang bringt (wohl auch weil der Einsprechende keinen Expliziten Antrag stellen muss), zwar Beteiligter wird und bleibt, aber über den Prüfungsumfang (fast) keinerlei Einfluss mehr hat.

Gruß
Ander
 

Patent24

Vielschreiber
Ich finds toll, dass in der heutigen (2.10.07) deutschen PA-Prüfung (praktischer Teil) genau diese Problematik thematisiert wurde. Wohl dem, der sich wie ich bereits davor mit diesem Thema auseinandergesetzt hat ;-))) (als hätte ich es geahnt)

Man sieht mal wideder wie wertvoll dieses Forum ist.
 
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