EPÜ 'Anhörung' = 'Mündliche Verhandlung' ? (EPA)

Kratos

*** KT-HERO ***
Man stelle sich folgende Situation vor:

Prüfungsbescheid des EPA wird erwidert. Abschließender Satz beinhaltet den Hilfsantrag auf "ein Interview mit dem zuständigen Prüfer oder eine Anhörung".

Im zweiten Prüfungsbescheid macht der Prüfer darauf aufmerksam, dass noch kein Hilfsantrag auf "mündliche Verhandlung (Art. 116 EPÜ)" gestellt wurde.

Ich meine der Begriff "Anhörung" macht hier ausreichend deutlich, dass nicht mehr eine zwanglose Rücksprache, sondern vielmehr eine mündliche Verhandlung beantragt wird.

Wie seht Ihr das?

Kratos
 

ConfoosedPhysicist

GOLD - Mitglied
Zitat
Ich meine der Begriff "Anhörung" macht hier ausreichend deutlich, dass nicht mehr eine zwanglose Rücksprache, sondern vielmehr eine mündliche Verhandlung beantragt wird.
Zitat Ende

Schon aus Prinzip sollte man immer daran denken, dass Prüfer(in)aus jedem der Vertragsstaaten kommen kann, Deutsch erst spät im Leben gelernt hat und Begriffe, die am deutschen Amt üblich sind, einfach nicht kennt.

Deshalb kommt es, in meinen Augen verständlicherweise, halt dazu, dass Prüfer(in) Anhörung nicht verstehen kann oder will, nach dem Motto: Meint der mit 'Anhörung' nun 'telephone interview' (da muss Prüfer(in) sich ja auch ANHÖREN, was anmelderseitig zu sagen ist) oder 'oral proceedings' ???

Wenn es der zweite Bescheid ist: einfach den Begriff verwenden, der im Gesetz steht, dann ist Ruhe.
 

Kratos

*** KT-HERO ***
ConfoosedPhysicist schrieb:
Wenn es der zweite Bescheid ist: einfach den Begriff verwenden, der im Gesetz steht, dann ist Ruhe.
Es ist ja eigentlich kein echtes Problem im vorliegenden Fall. Mir geht der Formalismus des EPA manchmal einfach nur auf den ...

Kratos
 

grond

*** KT-HERO ***
Ich finde es eine für einen Patentanwalt eher untypische Einstellung, den exakten Gebrauch von Fachbegriffen für nicht so wichtig zu halten. Einspruch oder Widerspruch, Prüfungsstelle oder Prüfungsabteilung, Anhörung oder mündliche Verhandlung, Teilung oder Ausscheidung, ist doch alles nicht so wichtig, ist doch klar, was gemeint ist...
 

Fip

*** KT-HERO ***
Meiner Ansicht nach sollte man Anträge so klar und unmissverständlich stellen, dass eine Diskussion, wie sie hier geführt wird, gar nicht erst aufkommen kann.

Oben wurde T_0650/94 zitiert und gesagt, danach stelle die schwammige Formulierung des Hilfsantrags "ein Interview mit dem zuständigen Prüfer oder eine Anhörung" kein wirkliches Problem dar. Darin steht:

"Die von der Beschwerdeführerin vor der ersten Instanz "erforderlichenfalls" beantragte "Anhörung" ist zwar nach Auffassung der Kammer nicht als vorbehaltsloser Antrag auf mündliche Verhandlung nach Artikel 116 (1) EPÜ aufzufassen, dem die Prüfungsabteilung hätte stattgeben müssen (im Einklang mit T 917/93 und T 433/87, beide nicht im ABl. EPA veröffentlicht). Insofern kann das Verfahren vor der ersten Instanz nicht als mit einem wesentlichen Mangel behaftet angesehen werden."

Also wenn das nicht mal genau das Gegenteil bedeutet. Das Bitten um eine Anhörung ist eben kein formeller Antrag auf mündliche Verhandlung, dem die zuständige Abteilung zwingend stattgeben müsste, sondern nur eine Anregung, der die zuständige Abteilung nur nachzukommen braucht, wenn es zweckdienlich erscheint.

Daher immer explizit eine "mündliche Verhandlung nach Art. 116 EPÜ" beantragen.
 

grond

*** KT-HERO ***
Die Entscheidung sollte ein Betroffener sicherlich mal genauer lesen, denn im von fip zitierten Teil steht ein "zwar", also sollte irgendwo auch noch ein "aber" kommen. Erschwerend kam in dem Fall vermutlich auch noch hinzu, dass der Antrag auf "Anhörung" nur erforderlichenfalls gestellt wurde, also unter einer recht unklaren Bedingung, die die Entscheidung über die Anberaumung wohl in das Ermessen der Prüfungsabteilung stellt.
 

Fip

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
Die Entscheidung sollte ein Betroffener sicherlich mal genauer lesen, denn im von fip zitierten Teil steht ein "zwar", also sollte irgendwo auch noch ein "aber" kommen.
Das "aber" ist die Tatsache, dass die Beschwerdekammer diesen Fall so beurteilt hatte, dass eine mündliche Verhandlung zweckdienlich gewesen wäre und daher auch ohne expliziten Antrag hätte anberaumt werden müssen.

Das ist aber ein Einzelfallentscheidung, die nicht zu verallgemeinern ist. Man sollte sich tunlichst nicht darauf verlassen, dass eine Abteilung eine mündliche Verhandlung als zweckdienlich ansehen wird bzw. den Ermessensspielraum, der ihr zusteht, auch tatsächlich derart ausüben wird.

Wenn man eine mündliche Verhandlung will, dann sollte man den entsprechenden (unmissverständlichen) Antrag stellen.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo,
noch ein paar zusätzliche Anmerkungen zu dem, was insbesondere grond und fip schon zutreffend bemerkt haben. Den Begriff "Anhörung" gibt es im EPÜ nicht. Damit ist es "keinerlei" Problem (rechtl. Gehör) für die Prüfungsabteilung einen solchen "Hilfsantrag" abzulehnen und keine solche durchzuführen.
Noch schlimmer wird es durch das "oder" im "Hilfsantrag". Die Prüfungsabteilung kann da auch einfach entscheiden (ohne Verfahrenmängel zu begehen):
Da stehen zwei Alternativen. Ich wähle jetzt die erste der beiden als Hilfsantrag aus. Ein "telefonisches Interview" ist aber im EPÜ nicht als verpflichtend vorgesehen. Damit hat der Anmelder darauf keinen Anspruch. Die Prüfungsabteilung kann somit diese Alternative des Hilfanstrags ablehnen und damit den gesamten Hilfsantrag. Also Zurückweisung der Anmeldung. In der "oder" Schreibweise würde der Anmelder auch dann den Kürzeren ziehen können, selbst wenn er eine mündliche Verhandlung nach § 116 EPÜ beantragen würde, eben weil nur eine der beiden Alternativen beantragt wird nicht beide. Das ist nunmal die Bedeutung des Wortes "oder".
Auch kann man das "oder" nicht als zweite Alternative auffassen sondern nur als andere Formulierung der ersten Alternative. In der Art "Telefonisches Interview mit dem Prüfer oder anders ausgedrückt eine Anhörung". Auch die Interpretation ist durchaus möglich.
Und all die "Probleme" und potentiellen Gefahren, nur weil der Anwalt/Kandidat zu schlampig war die richtigen Anträge zu stellen. In meinen Augen handelt der Anwalt spätestens nach dem Hinweis der Prüfungsabteilung vorsätzlich, wenn er dann nicht den klaren Antrag stellt. Selbst wenn man hinterher in einer Beschwerde Recht bekommen sollte, wegen der eigenen Schlampigkeit mutwillig in ein Beschwerdeverfahren reinzugehen, halte ich nicht für im Sinne des Mandanten.
 

patenanwalt

GOLD - Mitglied
Im Grunde sind zwei Fehler passiert: Einerseits wurde sicherlich ein mehrdeutiger bzw. "missratener" Antrag gestellt, andererseits hat das EPA den Grundsatz der Verfahrensökonomie missachtet, indem der Antrag auf Verhandlung zurückgewiesen wurde.

Das EPA muss/soll den Antrag deuten, den wirklichen Willen erforschen und im Zweifel beim Antragsteller rückfragen (siehe T 344/88) .

Ähnliches gibt es im deutschen Recht in §133, §144 BGB.
 
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