Industrieunternehmen oder Kanzlei?

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GAST_DELETE

Guest
Hallo.

Als beinahe fertig studierter Maschinenbauer mit den Hauptfächern "Strömungsmechanik" und "Verbrennungsmotoren" bin ich vor längerem durch eine Zusatzvorlesung auf das Patentanwaltswesen aufmerksam geworden und habe nun vor, nach meinem erfolgreichen Abschluß eine Ausbildung zum Patentanwalt anzustreben. Das umfangreiche Forum mit engagiert und kompetent ausgeführten Beiträgen hat mir schon viele Fragen beantworten können, aber eine grundsätzliche Aussage interessiert mich noch besonders:

Ist die Ausbildung zum PA eher in der Patentabteilung eines großen Industrieunternehmens oder in einer Kanzlei erstrebenswert?

Vielleicht haben einige schon beides kennengelernt und können mir als "Interessiertem" ein wenig Entscheidungshilfe leisten. Ich kann bisher nur eine wage Einschätzung geben, doch erscheint mir auf Grund meiner Fächerkombination z.B. ein Automobilunternehmen oder ein Zulieferer für eine Bewerbung aussichtsreicher.

Besten Dank für jeden Beitrag...
 
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brix

Guest
Nach meiner Beobachtung und auch aus Kollegen-Gesprächen, die beides kennen, ein paar Stichpunkte (ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit):
  • die Basisarbeit (Patentanmeldungen schreiben, Prosecution etc) ist hier wie dort die gleiche
  • der Kontakt zu den Erfindern ist in der Industrie meist enger
  • oft erfolgt in der Industrie auch eine stärkere Einbindung der Patentleute (oder zumindest der Abt.-Leiter) in firmenpolitische / strategische Entscheidungen
  • das kann manchen nerven, der schlicht seine Patentarbeit machen will, da oft mit langen Diskussionen und dem Einbinden in verschiedenste Gremien (sowie oft stark bürokratisch gefärbten Abläüufen) verbunden
  • in der Kanzlei kommt man mit einer (wesentlich) grösseren Vielzahl an Firmen / Mandanten in Kontakt und hat dadurch ein eher breiteres SPektrum zu den Entwicklungen auf den jeweiligen Gebieten
  • die Entscheidung, z.B. einen Einspruch einzulegen, kommt für einen Kanzlei-PA als klarer Auftrag, von den in der Firma des Mandanten ggf. vorausgegangenen Entscheidungsprozessen dazu, bleibt er "verschont"
 
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Goldi

Guest
EP erfordert als Voraussetzung zur Prüfungsanmeldung nur 3 Jahre Tätigkeit, welche formlos nachgewiesen werden kann. Der AG, egal ob Kanzlei oder Industrie, kann also hier keine Steine in den Weg legen.
DE erfordert für die Zulassung als Kandidat "die Erklärung eines PA oder PAss, dass er die Ausbildung des Kandidaten übernehmen werde". Sofern man die DE-Zulassung also nicht nach § 172 PAO nach 10 Jahren erwerben will, muss der Arbeitgeber aktiv mitarbeiten. Der Kandidat alleine kann da nichts erzwingen.
Da Absolventen der DE und der EP-Zulassung einen deutlich höheren Marktwert haben, wird bei vielen Unternehmen nicht gerne zur DE-Ausbildung gemeldet. Also unbedingt im Vorstellungsgespräch klären!!!
(Bosch: "machet Sie erstmal EP, wenn Sie dann zu unsere Leischtungsträger gehöret, könne wir über DE nochmal reden"; Siemens: "Nach möglichkeit nicht, außer der Bewerber verhandelt sehr hart und die Fachabteilung will ihn unbedingt"; Daimler: "Jederzeit, aber Sie müssen 5 Jahre als PAss bei uns bleiben"; BMW: Meines Wissens keine Einschränkungen;
Voit Paper: 2 Jahre Bindung ans Unternehmen)

Das Gehalt ist in der Industrie meist besser als in der Kanzlei.
Den Rest hat der Vor-Schreiber ausführlich dargestellt.
 
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GAST_DELETE

Guest
noch als kleine Ergänzung zu den Vorschreibern:

In der Industrie erfolgt i.A. keine Ausbildung im Marken- und Geschmacksmusterrecht, in Kanzleien eher (stark kanzleiabhängig).

In einer Kanzlei lernt man ggf. auch kaufmännische Aspekte einer Freiberuflertätigkeit kennen.
 
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gast2000

Guest
@gast: "stark kanzeiabhängig" sind leider SEHR viele Details der Ausbildung...
 
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Von Kanzlei in Industrie Wechsler

Guest
Der schnellere und zuverlässigere Weg zu beiden Zulassungen (deutscher Patentanwalt, European Patent Attorney) geht meiner Meinung nach über eine Kanzlei, vorzugsweise eine, bei der man gleich zur Ausbildung angemeldet wird (dies sollte vor Arbeitsbeginn, d.h. beim Vorstellungsgespräch mit dem Arbeitgeber geklärt werden). Nach der Ausbildung kann man immer noch entscheiden, ob man in der Freiberuflichkeit bleiben will oder in die Industrie geht.

Über die Qualität der Ausbildung lassen sich pauschal keine Aussagen machen, das hängt von der jeweiligen Kanzlei oder Industriepatentabteilung ab. Ich habe bei meinen Vorstellungsgesprächen gefragt, ob ich mit Kandidaten in der jeweiligen Kanzlei sprechen kann, vorzugsweise ohne den Seniorpartner daneben sitzen zu haben, da kann man in kurzer Zeit viel relevante Information erhalten: wie läuft die Ausbildung, was für Arbeiten sind gefordert, dürfen Kandidaten mit zur Verhandlung, zum Mandant etc. Wenn Die Kanzlei diese Möglichkeit (ungestörtes Gespräch mit anderen Kandidaten) nicht bietet, ist das generell kein gutes Zeichen.
 
S

sichfragender

Guest
Meines Erachtens ist vor allem das rechtliche Spektrum in der Kanzlei deutlich breiter als in der Industrie.

Vor allem bei mittelständischen Mandanten ist das Beratungsspektrum des PA recht breit - bspw. auch in vertragsrechtlicher Hinsicht (Stichwort Lizenz, Patentübertragung, etc.). Zusätzlich kommt noch das ganze Paket gewerblicher Rechtschutz mit hinzu (Marken, Geschmacksmuster, Gebrauchsmuster, teilweise auch urheberrechtliche Fragen, etc.), welches man in der Industrieabteilung eher selten hat.

Aber dies ist, wie meine Vorredner richtig bemerkt haben, sehr abhängig von der Kanzlei.

Außerdem ist das auch eine Typfrage - nicht jeder hat Spaß daran sich mit oben genannte Gebieten tiefergehend auseinanderzusetzen. Und nicht jedem liegt es das "freiberufliche Risiko" einzugehen, sondern fühlt sich in einem Arbeitsverhältnis mit einem Großkonzern viel wohler.
 
V

Von Kanzlei in Industrie Wechsler

Guest
sichfragender schrieb:
Meines Erachtens ist vor allem das rechtliche Spektrum in der Kanzlei deutlich breiter als in der Industrie.
Das kann man so generell nicht sagen. Richtig ist natürlich, dass in der Industrie der Bereich Markenrecht häufig entfällt, da es oft eigene Markenabteilungen gibt.

Allerdings habe ich in der Industrie (persönliche Erfahrung) wesentlich mehr mit Verträgen aller Art zu tun (Lizenz-, Know How-, Kooperations-, und andere Verträge) und das Thema Arbeitnehmererfinderecht spielt auch eine viel größere Rolle.

Auch hier ist es eine Frage des Einzelfalls, was man während der Ausbildung zu sehen bekommt und machen darf. Es lohnt sich, auch dies vorher zu erfragen.

Dennoch würde ich vermutlich die Ausbildung in einer Kanzlei generell eher empfehlen, man steht schneller auf eigenen Füßen (d.h. man erlangt die Zulassungen schneller) und ist damit später auf dem Arbeitsmarkt unabhängiger.
 
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Goldi

Guest
>Dennoch würde ich vermutlich die Ausbildung in einer Kanzlei generell
>eher empfehlen, man steht schneller auf eigenen Füßen (d.h. man
>erlangt die Zulassungen schneller) und ist damit später auf dem
>Arbeitsmarkt unabhängiger.

Sehe ich nicht so allgemein, ich habe mich in der Industrie beworben und gleich beim Vorstellungsgespräch gesagt, dass ich nur mit DE-Meldung komme.
Ergebnis: Meldung nach 12 Monaten fest zugesagt, d.h. 4 Jahre und 2 Wochen für die EP- und DE-Zulassung. Schneller geht's nicht, Gehalt in der Ausbildung war höher und ich konnte schneller selbständig arbeiten, da ich keine Einschränkungen nach dem RBerG hatte (welcher Awaltskandidat macht selbständig Verhandlungen beim EPA und BPatG?). Ergo: Bewerben kostet (fast) nix, und wenn's nicht passt, muss man ja nicht anfangen.
 
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