Ablauf mündliche Verhandlung nach Regel 115(1) EPÜ

Fragezeichen

Vielschreiber
Hallo zusammen,

hat irgendjemand hier Erfahrung mit dem Ablauf einer mündlichen Verhandlung vor dem EPA im Prüfungsverfahren?

Läuft das genauso streng formalistisch wie eine Einspruchsverhandlung ab? oder ist das vergleichbar einer mündlichen Anhörung im deutschen Prüfungsverfahren vor dem DPMA?

Fragezeichen
 

grond

*** KT-HERO ***
Fragezeichen schrieb:
Läuft das genauso streng formalistisch wie eine Einspruchsverhandlung ab? oder ist das vergleichbar einer mündlichen Anhörung im deutschen Prüfungsverfahren vor dem DPMA?
Eher ersteres. Die drei Prüfer der Prüfungsabteilung sitzen vorne, in der Mitte der Vorsitzende, links (aus Deiner Sicht) der Hauptprüfer, rechts der Protokollant. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung, er oder der Hauptprüfer stellen den vorläufigen Standpunkt der Prüfungsabteilung dar, dann darfst Du diskutieren, Zähne fletschen, heulen, jammern und kreischen. Wenn Du Dich ausgetobt hast, ziehen sie sich zur Beratung zurück (Du wartest draußen), dann wird die Entscheidung verkündet.
 

dutchie

BRONZE - Mitglied
Hängt davon ab warum wir dich zur MV eingeladen haben.

Ist es nur formal weil du einen Antrag gestellt hast, und wir die Anmeldung nicht ohne Verhandlung zurückweisen können, oder sind wir in dem Prüfungsverfahren einfach in die Ecke geraten und wissen nicht wie es beenden können?

Wenn wir was erteilen können, werden wir dir helfen - verschwinde aber bitte nicht die Zeit weil der Zweite und der Vorsitzender nicht "happy" sind, damit sie da sitzen müssen und den ganzen Tag verlieren.

D.
 

MPS

GOLD - Mitglied
Die ganze Sache ist im allgemeinen schon etwas weniger formell als ein mündliche Verhandlung inter partes, insbesondere kann man die Ansprüche während der Verhandlung meistens recht flexibel ändern (kein Probleme wg. verspäteten Vorbringens usw., weil es keine Gegenpartei gibt, deren prozessualen Rechte berücksichtigt werden müssen), natürlich gibt es da auch Schmerzgrenzen (Mittagspause... ).
Das hängt natürlich sehr von den Prüfern ab, von ihrer Tageslaune, und auch vom guten oder schlechten Eindruck, den sie bis dahin von der Akte und dem Vertreter aus dem bisherigen schriftlichen Verfahren gewonnen haben.
Oft entspinnt sich ein echter Dialog über die Interpretation von Entgegenhaltungen, der in inter partes Verfahren so nicht möglich ist.

Im Idealfall kann man mit den Leuten auch diskutieren, um herauszufinden, welche Art Anspruch die Prüfer akzeptieren würden. (Das Patentamt lebt nun mal von erteilten Patenten, nicht von zurückgewiesenen, und die grosse Frustration der Prüfer ist, dass sie angesichts einer schlecht eingefädelten Patentanmeldung zwar wissen, wie man den Knoten lösen könnte, es aber offiziell (schriftlich) nicht sagen dürfen ....)
 

union

*** KT-HERO ***
MPS schrieb:
..., und die grosse Frustration der Prüfer ist, dass sie angesichts einer schlecht eingefädelten Patentanmeldung zwar wissen, wie man den Knoten lösen könnte, es aber offiziell (schriftlich) nicht sagen dürfen ....)
Warum sollten Sie das offiziell schriftlich nicht dürfen? Gibt's dazu tatsächlich 'ne Vorschrift?

union
 

grond

*** KT-HERO ***
[quote:union]Warum sollten Sie das offiziell schriftlich nicht dürfen?/quote]

Nein, aber wenn ein Prüfervorschlag zu einer unentrinnbaren 123(2)/(3)-Falle führt (mehr als einmal passiert), bekommt der Prüfer wohl einen Eintrag in die Personalakte, der seinem weiteren Weg nicht gerade förderlich ist.

In der täglichen Praxis sehe ich aber häufig Anregungen des Prüfers, welcher Gegenstand patentfähig sein könnte. Also "nicht dürfen" ist jedenfalls nicht richtig.
 

EQE4ever

Schreiber
grond schrieb:
Nein, aber wenn ein Prüfervorschlag zu einer unentrinnbaren 123(2)/(3)-Falle führt (mehr als einmal passiert), bekommt der Prüfer wohl einen Eintrag in die Personalakte, der seinem weiteren Weg nicht gerade förderlich ist.
Nein, wegen eines Änderungsvorschlags der in die 123(2)/(3)-Falle führt, bekommt im EPA kein Prüfer einen Eintrag in die Personalakte.
Das sollte zwar selbstvertändlich nicht vorkommen (und deswegen vermeiden viele Prüfer eigene Vorschläge zu machen), aber wichtig ist, dass der Anmelder immer noch selbst für die erteilte Fassung des Patents verantwortlich ist (siehe Regel 71(3) und Artikel 113(2) EPÜ)
 

grond

*** KT-HERO ***
EQE4ever schrieb:
Nein, wegen eines Änderungsvorschlags der in die 123(2)/(3)-Falle führt, bekommt im EPA kein Prüfer einen Eintrag in die Personalakte.
Das hat mir mal ein EPA-Prüfer so gesagt. Ich fand es auch erstaunlich. Vielleicht stimmt es ja auch nicht. Der Prüfer hatte nach eigener Aussage selbst kürzlich zweimal in Einspruchsverhandlungen mitgewirkt, wo das Patent wegen einer unentrinnbaren Falle widerrufen werden musste. Insofern erscheint mir die Aussage prinzipiell glaubhaft.


aber wichtig ist, dass der Anmelder immer noch selbst für die erteilte Fassung des Patents verantwortlich ist (siehe Regel 71(3) und Artikel 113(2) EPÜ)
Natürlich hat der Anmelder die Verantwortung und wir prüfen die zur Erteilung vorgesehenen Unterlagen immer genau. Andererseits gibt es manchmal unterschiedliche Meinungen über Formulierungen. Gerade bei finanzschwachen Anmeldern will man eher nicht in die Beschwerde gehen, nur weil der Prüfer nicht mit der vom Anmelder bevorzugten Formulierung erteilen will. Insofern gibt es immer einen Bereich, in dem man trotz gewisser leiser innerer Stimmen einen Prüfervorschlag annehmen wird.
 
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